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Sex, crime und ein zitternder Pharmariese

Zhang Danhong6. August 2014

In der Anti-Korruptionskampagne in China rollen nicht nur Köpfe der chinesischen Funktionäre. Auch ausländische Firmen werden geahndet. In diesem Fall der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline.

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GlaxoSmithKline Logo mit Geldscheinen
Bild: picture-alliance/dpa

Jahrelang erfreute sich der weltweit sechstgrößte Medikamentenhersteller eines dynamischen Wachstums im Reich der Mitte. Seit Anfang 2013 wird das China-Geschäft der GSK jedoch von Skandalen und Anklagen überschattet. Zuerst erreichten die Konzernzentrale in London anonyme Emails, in denen Bestechungspraktiken der GSK-Mitarbeiter in China geschildert wurden. Es folgte ein Video, das den China-Chef Mark Reilly mit seiner chinesischen Freundin im Bett zeigte.

Im April 2013 wurde der britische Berater Peter Humphrey beauftragt, den Whistleblower ausfindig zu machen. Statt den Korruptionsvorwürfen nachzugehen, versuche das Unternehmen, künftig solche Lecks zu verhindern, sagt Jörg Schaaber, ein bekannter Pharmakritiker in Deutschland.

Das Leck konnte Humphrey nicht wirklich finden, jedoch soll er durch seine Ermittlungen chinesischen Funktionären zu nah gekommen sein. Im vergangenen August wurden er und seine chinesisch-stämmige Frau festgenommen. Der Vorwurf: illegaler Kauf und Verkauf privater Informationen. Am 7. August soll den beiden hinter verschlossenen Türen der Prozess gemacht werden.

Bestechung mit System

Gegen den inzwischen suspendierten Mark Reilly und zwei chinesische Manager wurde im Mai Anklage erhoben. Mehrere Hundert Millionen Dollar Schmiergeld sollen sie an Ärzte und Krankenhäuser gezahlt haben, um den Medikamentenverkauf anzukurbeln. Die chinesische Polizei ermittelt auch gegen andere ausländische Pharmakonzerne. Für diese Unternehmen sei China einer der interessantesten Märkte, sagt Jörg Schaaber: "China ist eine sehr schnell wachsende Ökonomie. Ein Land mit einer sehr großen Bevölkerung und auch einer wachsenden Mittelschicht."

Jörg Schaaber, Geschäftsführer der BUKO Pharma-Kampagne (Foto: Roland Brinkmann)
Für Jörg Schaaber ist der Fall GSK nur die Spitze des EisbergesBild: Roland Brinkmann

Es wird erwartet, dass China bis 2016 nach den USA der zweitgrößte Markt für Medikamente werden wird. Die Attraktivität des Marktes, aber auch fehlende Compliance-Regeln haben dazu geführt, dass Bestechung der Ärzte in China zu einer weit verbreiteten Praxis geworden ist. Jedoch sei das, was die GSK geleistet habe, besonders dreist, sagt Schaaber: "Sie hat offensichtlich Ärzte sehr großzügig bestochen, bis hin zu Dingen wie Bordellbesuchen."

Luxusreisen waren offenbar auch im Angebot. Aber auch Fahrten zu wissenschaftlichen Kongressen an attraktiven Orten seien nicht unproblematisch, dort würden oft von der Industrie bezahlte Wissenschaftler subtil Werbebotschaften verbreiten. Dies sei aber keine chinesische Spezialität, sondern eine international gängige Praxis. "Das Sponsoring von Kongressbesuchen ist sehr weit verbreitet, und viele dieser internationalen Kongresse würden in der Teilnehmerzahl radikal schrumpfen, wenn sie nicht so stark von der Pharmaindustrie gesponsert würden", sagt Jörg Schaaber im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er ist Geschäftsführer der BUKO Pharma-Kampagne, die sich für einen gerechten Zugang zu Medikamenten einsetzt. Dieser wird den armen Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern oft verwehrt, da der Werbeaufwand den Preis nochmals in die Höhe treibt.

Nicht immer im Sinne der Patienten

"Das ganze Geschäftsmodell der Pharmaindustrie basiert auf der Verwirklichung hoher Preise, die mit den eigentlichen Herstellungskosten überhaupt nichts zu tun haben, sondern die aus Sicht der Industrie dadurch gerechtfertigt werden, dass die Forschung für Arzneimittel Geld kostet", so Schaaber. Wie viel sie koste, bleibe im Dunkeln. Eine Untersuchung aus den USA und Kanada habe aber herausgefunden, dass die Firmen im Schnitt doppelt so viel für Werbung und Marketing ausgeben wie für Forschung.

Im Falle von GSK ist man vom Marketing zur Bestechung übergegangen. Das macht sich bei den Preisen bemerkbar. So werden GSK-Medikamente, die für 30 Yuan hergestellt werden, in China teilweise für 300 Yuan verkauft. Dank der großzügigen Bestechung halten viele Ärzte und Krankenhäuser dennoch GSK-Produkten die Treue und lehnen billigere Alternativen ab.

Solcher Praxis will nun auch die chinesische Justiz einen Riegel vorschieben. Auch wenn die Staatsanwaltschaft in Shanghai keinen Zusammenhang zwischen dem privaten Ermittler und dem Pharmakonzern GSK hergestellt hat, stehen den Managern in London vielleicht schlaflose Nächte bevor. Denn Peter Humphrey soll bei seiner Recherche über den Whistleblower auch auf Informationen über die kriminellen Praktiken der Firma gestoßen sein. Seinen Kollegen soll er geschrieben haben, dass er nicht an der Echtheit dieser Informationen zweifle. Wenn das Gericht in Shanghai zum Schluss kommen sollte, dass die Konzernzentrale das Bestechungssystem in China geduldet hat, dann drohen dem Unternehmen hohe Strafen in den USA und in Großbritannien.