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Serbien übernimmt am 1. Januar 2015 den OSZE-Vorsitz

Nemanja Rujević30. Dezember 2014

Serbien übernimmt 2015 die Präsidentschaft der OSZE. Ganz oben auf deren Agenda steht eine Lösung für den Ukraine-Konflikt. Kann Belgrad mit seinen guten Beziehungen zu Ost und West dabei vermitteln?

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Putin in Belgrad 16.10.2014 Fans bei der Militärparade (Foto: ANDREJ ISAKOVIC/AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images/Andrej Isakovic

Bescheidenheit war noch nie ein Merkmal der politischen Klasse in Serbien. Auch dieses Mal nahm man sich Großes vor, als bekannt wurde, dass das Land 2015 die rotierende Präsidentschaft der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernimmt. Man sieht das in Belgrad als einzigartige Chance, eine feierliche Konferenz zum 40. Jahrestag der Helsinki-Schlussakte zu veranstalten und so das angekratzte außenpolitische Image des Landes aufzupolieren. Gleichzeitig hofft man, dass bei einer solchen Konferenz die Präsidenten Russlands und der USA, Vladimir Putin und Barack Obama, der Lösung der Ukraine-Krise ein Stück näher kommen.

"Der ehrliche Mediator"

Die Hoffnungen ruhen auf der besonderen Situation, in der sich Serbien zurzeit befindet. Einerseits ist Belgrad ein EU-Beitrittskandidat und vertritt offiziell einen klaren pro-europäischen Kurs. Andererseits ist die Führung des Balkanlandes aber bemüht, die traditionell engen Verbindungen zu Russland zu vertiefen. So schloss sich Belgrad den EU-Sanktionen gegen Moskau nicht an und veranstaltete jüngst bei Putins Besuch in Belgrad eine aufwändige Militärparade sowie gemeinsame Übungen mit der russischen Armee. Diese Zwitterposition könnte Serbien in der Ukraine-Krise nützen. "Serbien erfüllt die Voraussetzungen, um ein ehrlicher Mediator dieser Krise zu sein", sagt Lamberto Zannier, Generalsekretär der OSZE. Ein neutraler Vermittler bekomme Beschwerden von links und rechts, doch nur so könne man produktiv sein, so Zannier gegenüber der DW.

Lamberto Zannier (M.) im Kiew während Maidan-Proteste (Dezember 2013) (Foto: OSCE/Jonathan Perfect)
Lamberto Zannier (M.) im Kiew während Maidan-Proteste (Dezember 2013)Bild: cc-by-nd-3.0/OSCE/Jonathan Perfect

Serbien sei für die Rolle des Vermittlers bestimmt, meint auch Dragan Simeunović von der Belgrader Fakultät für politische Wissenschaften. "Das Land pflegt nicht nur gute Beziehungen zu beiden Konfliktparteien, sondern hat durch den blutigen Zerfall Jugoslawiens sowie durch die Abspaltung der früheren Südprovinz Kosovo auch eine eigene Erfahrung, die dieser Situation ähnelt, die die Ukraine gerade erlebt", sagt er. Serbien werde zwar nicht das Land sein, das die Entscheidungen trifft, könne aber einen wichtigen Beitrag zum Frieden leisten, sagt Simeunović im DW-Gespräch. "Das Leben, die Geschichte und Märchen lehren uns, dass manchmal auch die Kleinen etwas für die Großen tun können."

Eine Herkulesaufgabe

Doch längst nicht alle glauben an Märchen. "Die maßgebenden europäischen Mächte, wie Frankreich oder Deutschland, stehen im direkten Dialog mit Moskau und brauchen keine Vermittler", meint Dušan Reljić, Leiter des Brüsseler Büros der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Kleine Staaten wie Serbien, die zudem selber mit schwierigen innen- und außenpolitischen Verwerfungen - Stichwort: Kosovo - und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, vermögen nicht allzu viel zur Regelung globaler Probleme beizutragen, auch wenn sie turnusmäßig den OSZE-Vorsitz innehaben", zeigt sich Reljić desillusioniert.

Eine diplomatische Lösung zu finden stellt eine Herausforderung dar, an der bisher auch viel größere Spieler als Serbien nicht wirklich vorankamen. Denn weder Moskau noch Kiew entfernen sich von ihren Positionen, wenn es um die Kernfrage geht - den Status der Krim und der umkämpften Gebiete um Luhansk und Donezk. "Zurzeit sind Moskau und Kiew immer noch ziemlich hartnäckig", sagt der serbische Politologe Simeunović. "Beide sehen sich im Recht und sind vom definitiven Sieg überzeugt. Das sind schlechte Voraussetzungen für eine Lösung."

OSZE alternativlos

Obwohl die OSZE bislang keine entscheidenden Akzente setzen konnte, glaubt Dušan Reljić, dass es für den Dialog zwischen den USA, Europa und Russland keine geeignetere Plattform gibt. "Lange Zeit hat der Westen die OSZE zu einer Art diplomatischer Plauderstunde verkommen lassen. Man traute Russland trotz ernster Verwerfungen wie die NATO-Intervention gegen Serbien 1999 oder die Russische Intervention gegen Georgien 2008 nicht zu, das nach dem Ende des Kalten Krieges hergestellte grundsätzliche Einvernehmen mit dem Westen aufzukündigen", so Reljić. Jetzt aber scheine die OSZE die größte Hoffnung für die Rückkehr zur Normalität zu sein.

Pro-russische Graffiti in Berlgrad: Krim ist Russland (Foto: REUTERS/Marko Djurica)
Graffiti an der Donau in Belgrad: Krim ist RusslandBild: Reuters/Marko Djurica

Dabei beschwören alle Seiten eine diplomatische Lösung. Den Graben zwischen Rhetorik und Taten bekam auch die OSZE deutlich zu spüren. Die Organisation genießt seit einem Jahr zwar offiziell die Unterstützung der Ukraine, Russlands, der EU und den USA. Doch vor Ort in der Ostukraine gingen die Kämpfe weiter. Die mehrmals ausgerufene Waffenruhe stellte sich als eine Chimäre heraus. "Wir können den Frieden nicht erpressen", meint Zannier. "Die OSZE kann vermitteln, doch die Schlüsselakteure werden die Deeskalation vorantreiben müssen." Womöglich geschieht das mit Hilfe Serbiens.