Behörden-Statistiken sind langweilig? Von wegen! Sie bergen Geheimnisse. Wie diese gekonnt gelüftet werden können, vermittelte die DW Akademie serbischen Journalisten sowie Mitarbeitern von NGOs.
Das Zitat gehört zu den geflügelten Phrasen der Weltgeschichte. "Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe", soll der britische Premierminister Winston Churchill einmal gesagt haben. Ob dieser Satz tatsächlich von ihm stammt, ist umstritten. Nicht umstritten ist hingegen: Gefälschte Statistiken haben heute viel kürzere Beine als zu Churchills Zeiten. Und gleichzeitig ist es durch Datenjournalismus leichter geworden, ihnen auf die Schliche zu kommen.
Mussten früher tage- oder wochenlang Papier-Archive durchstöbert werden, liegen die Daten von Behörden jetzt oftmals elektronisch vor. Mit Tools wie "Google Spreadsheets" oder "Fusion Tables" ist es ein Leichtes, die Zahlen hinter den Zahlen aufzuspüren und Manipulationen aufzudecken. Und Geschichten aufzuspüren, die früher im Archiv verstaubt wären. Kein Wunder, dass Datenjournalismus in die Redaktionen einzieht - und seit Sommer diesen Jahres auch in serbische Medienhäuser.
Erstmalig erarbeitete die DW Akademie gemeinsam mit Chefredakteuren der großen serbischen Medien ein Fortbildungskonzept für Datenjournalismus. "Die Einführung von Datenjournalismus in Belgrader Redaktionen ist für uns ein Pilotprojekt. Verläuft es erfolgreich, können wir das Konzept auf andere Regionen übertragen", sagt Filip Slavkovic, Projektmanager der DW Akademie.
Gelebter Datenjournalismus
Dabei wurden in einem ersten Schritt ausgewählte Redakteurinnen und Redakteure von renommierten serbischen Redaktionen wie B92, Politik, RTS oder Danas sowie Vertretern des "Balkan Investigative Reporting Network" (BIRN) und der Nichtregierungsorganisation CRTA in Datenjournalismus trainiert. Wie werden öffentliche Statistiken analysiert, wie ihnen Geheimnisse entrissen? Mit welchen Tools? Und wie können die Ergebnisse visualisiert werden? Trainiert wurden die Teilnehmer vom Multimedia-Journalisten Peter Berger. "Die Scheu vor dem Umgang mit Zahlen und Daten ist zu Beginn solcher Seminare stets groß", so Berger. "Das legt sich jedoch schnell, wenn die Teilnehmer merken, wie einfach die Bedienung von Analyse-Tools geworden ist."
Der Workshop zu Datenjournalismus war daher auch kein trockener Frontalunterricht - vielmehr konnten die Journalistinnen und Journalisten während des mehrtägigen Workshops direkt eigene Themen umsetzen. Mit Erfolg: Gordan Brkic, Chefredakteur von Danas Online, fertigte während des Seminars eine Karte mit den gefährlichsten Straßenkreuzungen in Belgrad an. Larisa Rankovic von CRTA erarbeitete eine Visualisierung zu den jüngsten Flut-Schäden und der dafür gespendeten Gelder. Das Ergebnis veröffentlichte sie nicht ohne Stolz auf Facebook: "In sum, we did some data journalism." ("Meine Bilanz: So geht Datenjournalismus."). Die Tools, die den Journalistinnen und Journalisten während des Workshops vermittelt wurden, sind allesamt online verfügbar und können kostenlos genutzt werden.
Teil des journalistischen Alltags
In einem zweiten Schritt wird es nun darum gehen, die Redaktionen zu beraten und zu erarbeiten, wie Datenjournalismus in den journalistischen Alltag eingebettet werden kann. Bei der Recherche, beim Schreiben und beim Visualisieren. Die von der DW Akademie zuvor ausgebildeten Journalisten fungieren dabei als Multiplikatoren, die ihren Kollegen zeigen, wie hilfreich Datenjournalismus sein kann.
In einem dritten Schritt werden die Redaktionen in ein Projekt eingebunden, das die GIZ in Belgrad gestartet hat. Die Idee: Bei der Verwendung von Steuergeldern sollen die Bürger der Stadt stärker gehört werden. Dazu entwickelt die GIZ derzeit eine Online-Karte, auf der Bürger künftig eintragen können, welche Investitionen besonders wichtig und dringlich sind. Die Redaktionen können diese Karte nutzen, um Lokalgeschichten zu finden und zu recherchieren.
Damit nicht genug. Gemeinsam mit dem "Balkan Investigative Reporting Network" wird DW Akademie-Trainer Peter Berger im Winter 2014/2015 ein Handbuch zu Datenjournalismus erarbeiten, das speziell auf serbische Datenbanken und Recherchemöglichkeiten abzielen wird. Und damit das Verfälschen von Statistiken immer schwieriger machen.
"More than just numbers: Enhancing dialogue on taxes in Serbia" ist ein gemeinsames Projekt der DW Akademie und der GIZ. Bei der Maßnahme soll die Rolle der Medien in Governance-Prozessen bis Ende 2014 gestärkt werden. Finanziert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit.