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Serben im Kosovo: Der Konflikt bleibt

Peter Geoghegan, Mitrovica / glh23. November 2013

Die Stadt Mitrovica im Kosovo ist zweigeteilt: Im Norden leben Serben, im Süden Albaner. In Mitrovica kann man sehen, wie schwierig das Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen bis heute ist.

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Hausfassade in Mitrovica (Foto: DW)
Bild: DW/B. Slavkovic

Zu Zeiten des kommunistischen Jugoslawiens war Mitrovica eine wohlhabende Stadt. Die Trepca-Mienen in den Außenbezirken waren einer der größten Industriekomplexe des Landes. Mitrovica war Heimat für Albaner, Serben, Bosnier, Türken und andere ethnische Minderheiten.

Heute steht der Name Mitrovica für Trennung. Seit dem Ende des Kosovokrieges 1999 teilt der Fluss Ibar die Stadt. Er trennt die hauptsächlich albanische Bevölkerung im Süden von den Serben im Norden.

Nach gewaltsamen Unruhen während der Wahl Anfang November fanden Mitte November in Nord-Mitrovica Neuwahlen statt. Die Wahl gilt als Gradmesser für das Abkommen von Brüssel, das zwischen Serbien und dem Kosovo im April geschlossen wurde.

Der Vertrag sieht die Eingliederung der serbischen Minderheit im Norden der Albaner-Republik vor. Im Gegenzug erhalten die Serben dort eine weit gefasste Autonomie. Viele der rund 20.000 ethnischen Serben im Norden Mitrovicas stehen jedoch jeglichen Änderungen des Status Quo skeptisch gegenüber.

Bürgermeisterkandidat Oliver Ivanovic sitzt in seinem Büro (Foto: DW)
Bürgermeisterkandidat Oliver Ivanovic will zunächst einmal die Straßen reparierenBild: DW/B. Slavkovic

"Eine große Mehrheit der Menschen ist gegen eine enge Verbindung mit Pristina", sagt Oliver Ivanovic, Kandidat für das Amt der Bürgermeisters von Nord-Mitrovica. "Pristina ist aber da, wir können diese Tatsache nicht vernachlässigen. Wir sind Teil des Kosovo, solange der Kosovo zu Serbien gehört."

Serbischer Widerstand gegen das Kosovo

Vor fünf Jahren erklärte sich das Kosovo unabhängig. Bis heute weigern sich sowohl Serbien als auch die große Mehrheit der rund 40.000 Serben, die im Nordkosovo leben, das Land anzuerkennen. "Kein Serbe erkennt die Unabhängigkeit des Kosovos an", sagt Ivanovic. "Wir müssen mit dieser unerfreulichen Tatsache leben. Aber die Serben werden hier nicht weggehen, denn es gibt keine Alternative."

In den letzten 14 Jahren hat sich der Nordkosovo isoliert vom Rest des Landes entwickelt. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sind ethnische Serben. Hier wehen serbische Flaggen und Schilder proklamieren auf Kyrillisch und Englisch: "Das hier ist Serbien". Es gibt serbische Schulen, serbische Gerichte und ein serbisches Gesundheitssystem - finanziert von Belgrad.

Die fast eineinhalb Jahrzehnte der Isolation fordern ihren Tribut. Autos, viele ohne Nummernschilder, verstopfen die Bürgersteige. Der Rechtsstaat ist schwach. Ob Benzin oder Waffen - der illegale Handel floriert. "Recht und Gesetz auf die Straßen zu bringen, bedeutet die Straßen und Parkplätze zu reparieren", sagt Ivanovic. "Unser Kampf für mehr Recht und Ordnung beginnt mit dem Parken. Man muss den Menschen klar machen, dass sich die Dinge ändern. Dass sich Mitrovica ändert."

Unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Kulturen

Für die Teilung der Stadt zahlen die Bewohner einen hohen sozialen Preis, sagt Sinisa, ein serbischer Grundschullehrer, der seinen Nachnamen nicht nennen will. "Vor dem Krieg war die Stadt gut organisiert. Alle Einrichtungen waren über die ganze Stadt verteilt. Aber durch die Teilung der Stadt haben wir hier im Norden nur noch das Krankenhaus. Alle anderen Einrichtungen - zwei Stadien, die Sporthalle, das Gesundheitszentrum, der Bahnhof - liegen im Süden."

Gedenkstätte für Serben, die im Kosovokrieg starben. (Foto: DW)
Die Erinnerung ist noch nicht verblasst: Während des Kosovokrieges starben viele SerbenBild: DW/B. Slavkovic

Eine vereinte Stadt wie vor dem Krieg lehnt Sinisa trotzdem ab: "Ich will nicht integriert werden. Ich bin zufrieden mit dem Leben hier. Unsere Nachbarn können kommen, wir können zusammenarbeiten. Aber abends sollen sie wieder in ihren Teil der Stadt verschwinden. Wir sind unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Kulturen."

Der Handel sei die beste Möglichkeit, Albaner und Serben zusammenzubringen, sagt Niall Ardill, ehemaliger Wirtschaftsdozent an der Universität von Nord-Mitrovica. Erst kürzlich hat er eine Studie über den privaten Sektor des Nordkosovos fertig gestellt.

"Die Geschäftswelt hier ist fortschrittlicher als die Politik", sagt er, während er auf der Brücke über den Ibar steht, die den Norden mit dem Süden verbindet. Noch heute, zwei Jahre nachdem die kosovarische Polizei 2011 versuchte, den Grenzverkehr zu kontrollieren, blockieren Betonblöcke und Geröll hier die Fahrbahn.

Vielen fehlt das Geld

Rund 30 Prozent der Firmen im Nordkosovo haben Handelsbeziehungen zum Süden. Aber doppelt so viele hätten gerne welche. "Wir haben herausgefunden, dass Firmen, die Geschäfte mit dem Süden machen, davon profitieren", sagt Ardill.

Das größte Hindernis für mehr Handel sei nicht die Politik, sondern die Leistungsfähigkeit der Unternehmen: "Viele Arbeitsabläufe sind veraltet. Und das ist etwas, wo Investoren und internationale Geldgeber draufschauen."

Im Stadtviertel Bosniak Mahala in Nord-Mitrovica betreibt Artan Maxhuni - ein ethnischer Türke - ein kleines Bekleidungsgeschäft. Die Probleme seines Ladens ständen in Zusammenhang mit den allgemeinen Wirtschaftsproblemen, sagt Maxhuni. "Die wirtschaftliche Situation im Kosovo ist schlecht, wirklich sehr schlecht. Überall, nicht nur in Mitrovica. Aber hier in Mitrovica ist es besonders schlimm. Ich habe serbische Kunden, das ist kein Problem, aber die Menschen haben kein Geld."

Auf der anderen Seite des Flusses in Süd-Mitrovica versucht Aferdita Syla, Geschäftsführer von Community Building Mitrovica, den Austausch zwischen beiden Teilen der Stadt zu stärken. "Im Juli haben wir mit 40 Kindern - 20 aus dem Norden und 20 aus dem Süden - einen Ausflug gemacht", erinnert Syla sich. "Als sie sich zum ersten Mal trafen sagten sie 'Wow, die sind ja normal'. Sie hatten so lange keinen Kontakt miteinander, dass sie dachten, die anderen sind keine Menschen."

Aber in einer geteilten Stadt ist es einfacher, Kontakte herzustellen als zu halten. "Sie haben keinen täglichen Kontakt, das ist das Problem", sagt Syla. "Wir müssen die Brücke einfach häufiger überqueren."