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Selfies aus der Sonne

Silke Wünsch5. August 2014

Sommer, Sonne, Strand und Meer - und ein breites Grinsen in die Kamera: In Ferienzeiten überschwemmen Urlaubsselfies das Social Web. Doch was ist schon ein Facebook-Gruß gegen eine echte Postkarte?

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Selfie Urlaub
Bild: william87/Fotolia

Früher notierte man sich Adressen ins Notizbuch. Und setzte sich spätestens nach einer Woche Urlaub ins Strandcafé, um Postkarten zu schreiben. Denn die kamen ja sonst immer später zu Hause an als man selbst. Früher gaben sich Postkartenfotografen und -hersteller auch noch Mühe, hübsche Motive zu finden. In Griechenland habe ich zig Postkarten gekauft, allein weil so schöne Bilder darauf waren. Und ich habe sie auch gerne verschickt. So etwas Schönes wollte ich den Daheimgebliebenen nicht vorenthalten. Bei meinen letzten Postkartenversuchen bin ich allerdings nur noch auf die übliche Urlaubsgruß-Massenware gestoßen, da verging mir das Schreiben gleich wieder.

Wie schön, dass es das Internet gibt. Und das immer günstigere Datenroaming. Und die tollen Handykamer… sorry, Smartphones und iPhones. Und zack! - habe ich ein Foto gemacht, es mit der Foto-App noch etwas bearbeitet – damit das Meeresblau noch ein bisschen blauer ist – ein paar Worte dazu geschrieben und in die große weite Facebook-Welt hinausgepostet. Jetzt weiß jeder, dass es mir gut geht, dass hier die Sonne scheint und ich einen tollen Urlaub habe. Das ist der Urlaubsgruß in seiner reinsten Form. Ich, hier, jetzt, alles super hier! Kein hässliches Kitschfoto mit dummem Spruch oder gar einer entblößten Blondine darauf. Kein Suchen mehr nach verlegten Adressen oder gar Postleitzahlen. Kein langes Nachdenken, was man denn jetzt schon wieder schreiben soll. Sondern ich, mein Motiv, mein Moment, mein Spruch. Gefällt mir.

Geliebter bunter Pappkarton

Daheim angekommen, finde ich auch in diesem Jahr wieder zwei bunt bedruckte Postkarten in meinem Briefkasten. Eine davon kann ich kaum lesen, der Absender hat irgendetwas dort hin gekrakelt, bis ich dann am unteren Ende der winzig klein beschriebenen Pappe den Namen entziffern und mich nun über Mannis umfangreichen Gruß aus Spanien freuen kann. Erheblich kürzer fasst sich Petra, die aus Griechenland folgenden Spruch schickt: "Wie immer: voll geil hier, trinke gerade einen Ouzo auf dich, Prost!"

Griechenland - Insel Korfu
Eine Postkarte bleibt länger am Kühlschrank hängen als in der Facebook-ChronikBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Mich rührt das. Denn sowohl Petra und auch Manni haben sich die Mühe gemacht, mir persönlich einen Gruß zu schicken. Mir. Und nicht der gesamten Facebook-Gemeinde. Jedesmal, wenn ich Postkarten von meinen Freunden bekomme, freue ich mich und bekomme ein schlechtes Gewissen, weil ich mittlerweile nur noch über digitale Medien grüße. Nach dem Gießkannenprinzip. Wer es anschauen will, der kann das tun, er kann es liken oder nicht. Wer nicht online ist, bekommt es nicht mit. Und irgendwann ist der digitale Gruß in der Timeline nach unten gerutscht und verschwunden.

Eine Postkarte aber kann ich aufbewahren, ja, auch die aus Österreich mit der kitschigen Sommeralm-Romantik und die aus Mallorca mit der barbusigen Schönheit am Strand. Oder auch die aus Tibet mit dem Kloster vor einem unglaublich eindrucksvollen Gebirgszug. Oder die mit der Luftaufnahme einer Bucht, die mein Sohn mir von seinem Besuch bei der Tante in Italien geschickt hat. "Riviera Ligure: Damit du siehst wie ich schreib :-) a b c d e f g h i j k l m o p q r s t u v w x y z, Tadaaaa! Liebe Mama und viele liebe Grüße!"

Silke Wünsch ist Redakteurin der Seite "Digitales Leben". Eines Tages wurde sie gefragt, ob sie diese Seite gerne betreuen möchte. Sie sagte: "Nun, ich bin bei Facebook und liebe hübsche Computer aus Cupertino, warum eigentlich nicht?" Und schon hatte sie den Job. An dieser Stelle schreibt sie über die schrägen Seiten des Digitalen Lebens, kommentiert das Treiben des Netzvolkes und wundert sich über die Skurrilitäten, die dieses komische Internet so spannend machen.

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Bild: DW / Christel Becker-Rau