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"SCO bedeutend für Zentral- und Südasien"

Zhu Erning13. September 2013

In Bischkek, Kirgistan, findet derzeit das Gipfeltreffen der Shanghaier Kooperationsorganisation (SCO) statt. Dem Bündnis komme immer mehr Gewicht zu, meint Enrico Fels von der Uni Bonn.

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Enrico Fels von Center for Global Studies an der Universität Bonn (Foto: privat)
Enrico Fels von Center for Global Studies an der Universität BonnBild: Enrico Fels

Deutsche Welle: Welche Bedeutung hat die SCO als Regionalorganisation? Sie rückt nur einmal im Jahr, beim Gipfeltreffen ihrer Mitglieder, in den Blick der Öffentlichkeit.

Enrico Fels: Die SCO bringt fast alle Länder Zentralasiens sowie die Großmächte China und Russland zusammen. Dass bedeutende Länder wie Indien, Pakistan oder Iran als Beobachterstaaten vertreten sind, ebenso wie Afghanistan und Mongolei, erhöht ihr geopolitisches Gewicht zusätzlich. 2005 suchten die Amerikaner um Aufnahme nach, was allerdings abgelehnt wurde. Gerade die gute Zusammenarbeit zwischen Moskau und Peking ist bemerkenswert, die Bedeutung der SCO für die positive Entwicklung der chinesisch-russischen Kooperation wurde im Westen lange unterschätzt. So ist es im Rahmen der SCO und ihrer Vorläuferformate gelungen, alle Grenzstreitigkeiten in der Region beizulegen und die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in Zentralasien gemeinsam anzugehen. Deshalb hat auch die Regierung Afghanistans in den letzten Jahren verstärkt die Zusammenarbeit mit der SCO gesucht und ist seit 2012 Beobachterstaat.

Kann sich die SCO zum Gegengewicht zur NATO entwickeln?

Militärisch spielt die SCO bisher nur eine geringe Rolle - sie ist kein Gegenstück zur NATO. In der Region übernimmt dies eher die CSTO ("Collective Security Treaty Organization" mehrerer Ex-Sowjetrepubliken und Russlands - Red.) Die großen jährlichen Militärmanöver - "Friedensmissionen" genannt - dienen vor allem der Vertrauensbildung und Interoperabilität zwischen den Streitkräften der Mitglieder. Auch gibt es bisher keine gemeinsam Militärstruktur, keine einheitlich implementierte Sicherheitspolitik oder gar eine umfassende SCO-Strategie. Dennoch sollte der Wille zur militärisch-strategischen Kooperation insbesondere zwischen Moskau und Peking nicht verkannt werden - denn diese ist ein wichtiger Aspekt angesichts der Rivalität beider Länder mit Washington.

Kurzstreckenraketenstartbei Manöver in Kasachstan (Foto: Xinhua)
Gemeinsame Manöver Chinas mit zentralasiatischen Staaten 2010 in KasachstanBild: picture alliance/landov

Welche Rolle spielt die SCO für die wirtschaftliche Integration der Region?

Die SCO spielt die Rolle eines Diskussionsforums und Vermittlers - auf den SCO-Gipfeltreffen wurden in der Vergangenheit zahlreiche Geschäfte insbesondere in den Bereichen Energie, Infrastruktur und Finanzkooperation vereinbart, welche die regionalen Volkswirtschaften stärker miteinander verkoppeln. Diese sind jedoch oft bilateral. Dennoch: Ohne die SCO wären die wirtschaftlichen Vereinbarungen wesentlich langsamer oder gar nicht erfolgt - und in starker Konkurrenz zwischen den beiden SCO-Schwergewichten China und Russland. Dank der SCO erlebt Zentralasien daher trotz aller regionalen Probleme eine wirtschaftliche Blüte.

Welches sind die Probleme, die einer Stärkung der SCO nach innen und außen im Wege stehen?

Aus institutioneller Sicht muss das SCO-Sekretariat in Peking gestärkt werden und mehr Finanzen sowie Kompetenzen zur Verfügung bekommen. Hier steht man noch am Anfang, will man die SCO als Institution zu einem eigenständigen Faktor in der globalen und regionalen Politik machen. Zudem muss die weitere regionale Verflechtung der SCO-Länder auch in Bereichen jenseits von Politik, Militär und Wirtschaft vorangetrieben werden. Es hapert vor allem an finanziellen Mitteln, um den teilweise pompösen Ansprüchen der Politiker auch tatsächlich Substanz zu geben.

Die schlechte Finanzlage der meisten "SCO-Universitäten", die mit ihren länderübergreifenden Forschungen eigentlich den Integrationsprozess vorantreiben und die regionale Kooperation untermauern sollen, ist in dieser Hinsicht ein trauriges Beispiel. Die zögerliche Reaktion der SCO auf die Krise in Kirgistan im Jahr 2010 hat zudem gezeigt, dass es innerhalb der SCO immer noch Misstrauen insbesondere unter den politischen Eliten der zentralasiatischen Staaten gibt. An dieser Stelle muss mehr Vertrauen geschaffen werden.

Afghanistan hat Beobachterstatus bei der SCO, mit der Aussicht auf offizielle Mitgliedschaft. Welche Rolle kann die SCO in Afghanistan nach dem Abzug der westlichen Truppen spielen? Welche Rolle kommt dabei China zu?

Die größte regionale Herausforderung ist die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan. Hier muss sich die SCO stärker einbringen, um das Übel des islamistischen Terrors und der daraus resultierenden Instabilität von Teilen Zentralasiens an der Wurzel zu packen. Auch eine stärkere Kooperation mit der ISAF wäre dafür ins Auge zu fassen - selbst wenn von westlicher Seite Vorbehalte bestehen sollten. Beide Seiten müssen aufeinander zugehen, die Probleme in Afghanistan können nur im Verbund gelöst werden. Das erfordert allerdings Zugeständnisse Washingtons bezüglich der Sicherheitsinteressen der beiden SCO-Schwergewichte Peking und Moskau.

Präsident Xi Jinping mit seinem iranischen Amtskollegen Rohani in Bischkek (Foto: EPA)
China - hier Präsident Xi Jinping (r) mit seinem iranischen Amtskollegen Rohani in Bischkek - wird eine größere Rolle innerhalb der SCO zukommenBild: picture-alliance/dpa

Auch in Brüssel gibt es zunehmend Stimmen, die für eine Zusammenarbeit von EU und NATO mit der SCO werben. Die stärker werdende Kooperation zwischen UN und SCO im Bereich der Drogenbekämpfung hat hier Vorbildcharakter.

Mit dem Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan wird auch China mehr Verantwortung für die Stabilität in dem SCO-Beobachterstaat übernehmen müssen. Über die SCO ist ein solche Engagement im Verbund mit allen betroffenen Nachbarstaaten möglich, koordiniert etwa durch das Anti-Terrorzentrum der SCO in Taschkent.

Pakistan strebt die Mitgliedschaft in der SCO an. Wie wird sich das auf das Verhältnis der beiden Länder vor dem Hintergrund extremistischer Bedrohungen auswirken?

Als regionale Ordnungsmacht, welche von islamistischen Aktivitäten in Xinjiang betroffen ist, wird die Volksrepublik auch den Druck auf Pakistan erhöhen müssen, gegen die Ausbildungslager für Terroristen in den Stammesgebieten vorzugehen. Angesichts der SCO-Devise der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von Mitgliedern und Beobachterstaaten wird dies eine Herausforderung sein, welche mit Sicherheit für heiße Diskussionen zwischen beiden Seiten sorgen wird - die China aber auch aus Eigeninteresse führen muss. Sollte Pakistan, gemeinsam mit Indien und Afghanistan, demnächst tatsächlich Vollmitglied der SCO werden, wird viel an Pekings diplomatischem Geschick hängen, um Islamabad zu einem stärkeren Vorgehen gegen die Taliban und andere Terrorgruppen zu bewegen.

China ist das wirtschaftliche Schwergewicht innerhalb der SCO. Wie kann es seine Kraft möglichst gewinnbringend für alle Seiten einbringen?

Aufgrund seiner wirtschaftlichen Dynamik wird die Volksrepublik auch künftig die treibende Kraft bei der Schaffung von Prosperität in Zentralasien bleiben. Peking muss helfen, die Wettbewerbsfähigkeit zentralasiatischer Firmen zu verbessern und Arbeit für die Menschen vor Ort schaffen. Dass chinesische Firmen häufig eigene Fachkräfte mitbringen, ohne die lokalen Arbeiter weiterzubilden, sorgt nicht nur für Unmut, sondern behindert auch eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung jenseits des Rohstoffexports.

Zentral ist zudem der Anschluss der Region an die Weltwirtschaft. China wird hier aufgrund seines Know-hows und Kapitals gefragt sein. Die schrittweise Wiederbelebung der historischen Seidenstraße seitens Pekings ist hierfür von zentraler Bedeutung. So wurde im Juni dieses Jahres eine Eisenbahnroute eingeweiht, welche die chinesische Industriemetropole Chongqing mit Duisburg verbindet und Gütertransporte in 15 Tagen möglich macht - dreimal schneller als über den Seeweg. Die neue Strecke ist ein zentrales Teilstück der sogenannten "Eurasischen Landbrücke", welche in naher Zukunft Rotterdam mit Lianyungang am Gelben Meer verbinden soll und den Transport von Gütern zwischen Europa und Asien zusätzlich beschleunigen wird.