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Blutspender besser prüfen

Bernd Riegert29. April 2015

Der Europäische Gerichtshof hält das Verbot, Schwule Blut spenden zu lassen, im Prinzip für zulässig, knüpft es aber an hohe Bedingungen. In der EU sind die Regelungen sehr unterschiedlich. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Symbolbild Blutspende
Bild: picture-alliance/Keystone/Martin Ruetschi

Geoffrey Léger meldete sich Anfang 2009 im Blutspendezentrum der französischen Stadt Metz, um Blut zu spenden. Auf dem Fragebogen, der ihm wie jedem anderen Blutspender vorgelegt wird, gab Léger an, eine sexuelle Beziehung zu einem Mann gehabt zu haben. Der zuständige Arzt lehnte Blutspenden von Geoffrey Léger als zu riskant ab, da der potenzielle Spender zu einer Bevölkerungsgruppe gehöre, in der infektiöse Krankheiten wie HIV verbreiteter seien als in anderen. Diese Risiko-Gruppen sind nach französischem Gesetz von Blutspenden auf Lebenszeit ausgeschlossen. Dabei kommt es im Einzelfall nicht darauf an, ob der mögliche Spender tatsächlich mit dem HI-Virus, Hepatitis oder einem anderen Erreger infiziert ist. Allein die sexuelle Orientierung reichte aus, um Léger auszuschließen.

Diskriminierung oder berechtigte Vorsicht?

Geoffrey Léger klagte gegen diese, wie er fand, Diskriminierung vor dem Verwaltungsgericht in Straßburg. Er berief sich auf ein europäisches Gesetz aus dem Jahr 2004, das für Blutspenden und deren Qualitätsprüfung eine Reihe von Kriterien aufstellt. Das Gericht in Straßburg sah sich nicht in der Lage, alleine zu entscheiden und legte dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) die Frage vor, ob die französischen Regeln zum Spender-Bann für Schwule mit europäischem Recht vereinbar sei. Nach sechs Jahren hat der EuGH nun geurteilt, salomonisch auslegbar: Im Prinzip, so die Richter der vierten Kammer des Gerichtshofes, kann ein generelles Blutspendeverbot für bestimmte Gruppen rechtens sein, und zwar dann, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, eine Ansteckungsgefahr auszuschließen. Bevor so ein einschneidendes Verbot ausgesprochen werde, müsse aber erst geprüft werden, ob nicht durch bessere Testverfahren der Blutspenden und eingehendere Prüfung des Verhaltens des Spenders, eine Gefahr ausgeschlossen werden könne. Dann sei ein Bann rechtswidrig, weil diskriminierend aufgrund der sexuellen Orientierung.

Luxemburg Europäischer Gerichtshof EuGH Schild
Luxemburg: Europäische Richter fordern Überprüfung der Regeln für BlutspendenBild: picture-alliance/dpa/T. Frey

Richter in Straßburg sind wieder am Zuge

Nun muss das Verwaltungsgericht in Straßburg sich erneut mit den Verhältnissen im französischen Blutspendewesen beschäftigen und dann ein Urteil im Fall Léger fällen. Die Vertreter des französischen Staates hatten vor Gericht argumentiert, in den Jahren vor Ablehnung Légers seien die meisten HIV-Infektionen in Frankreich bei schwulen Männern verzeichnet worden. Die Ansteckungsrate sei 200mal höher als bei Heterosexuellen.

Die Richter in Luxemburg blieben hinter den Empfehlungen des Generalanwalts zurück. Der hatte empfohlen, das lebenslängliche Verbot für schwule Blutspender ganz zu kippen. Es kommt nur in 20% der Fälle vor, dass die Kammer nicht den Empfehlungen des Generalanwalts folgt. Die Luxemburger Richter stellten klar, dass es kein Recht auf Blutspende an sich geben könne. Die Sicherheit der Empfänger einer Blutspende ginge auf jeden Fall vor. Das Blutspende-Verbot, das es auch in Deutschland, den Niederlanden und einigen anderen EU-Staaten gibt, dürfe aber nicht diskriminierend verhängt werden. Es gelte ja auch für andere "Risikogruppen" wie Drogenabhängige, Prostituierte, heterosexuelle Männer mit zahlreichen Sexualkontakten und Strafgefangene.

14_06_03 Rotes Kreuz
Geringes Restrisiko: Bei Blutspenden bleibt ein "diagnostisches Fenster"

Unterschiedliche Regeln in Europa

Durch das Urteil aus Luxemburg dürfte wieder neue Bewegung in eine schon lange anhaltende Debatte kommen. In Irland prüft Gesundheitsminister Leo Varadkar derzeit eine Abschwächung des Spendeverbots. "Ich sehe das aber nicht als Problem der Gleichberechtigung von Schwulen an", sagte Varadkar nach dem Urteil aus Luxemburg. "Die Entscheidung wird von den neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnissen geleitet sein". Irland hatte wie viele europäische Staaten Mitte der 1980er Jahre, als HIV-Aids seuchenhaft auftrat und Testmethoden unzuverlässig waren, den lebenslänglichen Blutspenden-Bann für Schwule erlassen.

In Großbritannien ist das Blutspende-Verbot für Schwule inzwischen abgeschwächt worden. Sie dürfen spenden, wenn sie 12 Monate lang keinen Sex mehr mit einem Mann hatten. Die USA wollen nach Angaben der zuständigen Behörde eine ähnliche Regelung noch in diesem Jahr einführen. In einigen europäischen Staaten wie Schweden, Italien oder Polen gibt es solche Einschränkungen nicht. Dort sind Blutspenden auch von Männern, die mit Männern Sex haben, zulässig.

Änderungen auch in Deutschland?

Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck hatte sich bereits vor dem Urteil des EuGH dafür ausgesprochen, auch in Deutschland stärker zu differenzieren. Eine sexuelle Identität oder länger zurückliegender homosexueller Geschlechtsverkehr seien "sicherlich kein Risiko, das man ausschließen muss", sagte Beck der Nachrichtenagentur dpa. Der Gesundheitsminister des Saarlands, Andreas Storm (CDU), tritt schon seit zwei Jahren dafür ein, die Richtlinien für die Zulassung von Blutspendern zu ändern. Auf seine Anregung hin prüfte die Bundesärztekammer und sprach sich letztlich für eine Lockerung der Bestimmungen aus. Im Bundesgesundheitsministerium wollte man das Urteil aus Luxemburg analysieren und dann befinden.

Politiker Volker Beck (Grüne
Grünen-Politiker Beck: Verhalten nicht OrientierungBild: picture-alliance/dpa

Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes werden alle Blutspenden auf HIV und andere schwere Infektionskrankheiten untersucht. Allerdings gibt es auch heute, trotz verbesserter Testmethoden, keine absolute Sicherheit. Es bleibt ein so genanntes "diagnostisches Fenster" von bis zu 16 Tagen. Das heißt eine frische Infektion kann in der Blutspende erst nach dieser Zeit nachgewiesen werden. In manchen Einzelfällen können die diagnostischen Fenster auch viel größer sein. Der Europäische Gerichtshof schreibt dem Verwaltungsgericht in Frankreich nun vor, zu prüfen, ob es geeignete wissenschaftliche Methoden gibt, um im konkreten Fall des Klägers Légers ein "diagnostisches Fenster" auszuschließen. Auch müsse per Fragebogen oder Gespräch geklärt werden, ob ein riskantes Sexualverhalten des Klägers ausgeschlossen werden könne. Dann wäre ein dauerhaftes Spender-Verbot unverhältnismäßig.

Europäischer Schwulenverband sieht positive Zeichen

Die europäische Vereinigung von Lesben, Schwulen und Transsexuellen (ILGA) begrüßte in Brüssel das Urteil. Mit dem Grundtenor, dass ein Bann eine Diskriminierung darstellen könne und die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden müsse, sei man einverstanden, erklärte ILGA-Europe. "Ein Stigmatisierung hat mit einer ordnungsgemäßen Organisation des Blutspende-Wesens nichts zu tun", sagte die ILGA-Expertin Sophe Aujean. "Die möglichen Blutspender werden eher verantwortungsvoll handeln und im Zweifelsfall kein Blut spenden, wenn die nationalen Gesundheitsbehörden erklären, dass sie sich nicht mit der sexuellen Orientierung, sondern den tatsächlichen Sexualpraktiken der Kandidaten beschäftigen. Und sie müssen die wirklichen Risiken erläutern."

Blutspender

Frankreich will Fragebogen ändern

Der Lesben- und Schwulenverband forderte die französischen Gesundheitsbehörden auf, den lebenslangen Bann für Blutspender zu überdenken und vor allem das möglicherweise riskante Verhalten von Spendern zu prüfen, egal ob sie homo-, hetero- oder bisexuell seien. Die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine hat bereits reagiert, und zwar schon vor dem Urteil. Sie kündigte schon vor zwei Wochen an, dass der Fragebogen für Blutspender so abgeändert und präzisiert werden solle, dass künftig Homosexuelle nicht mehr grundsätzlich vom Spenden ausgeschlossen würden. Schon bald könnte Geoffrey Léger einen neuen Versuch starten, Blut zu spenden. Voraussetzung wäre: er hatte nur geschützten Sex und kann das gegenüber den französischen Behörden glaubhaft machen.