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Schwierige Nachbarn

Sabine Kinkartz10. Februar 2014

In Berlin wird der Schweizer Volksentscheid für eine Begrenzung der Zuwanderung mit Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen. Die Bundesregierung hätte sich ein anderes Ergebnis gewünscht. Jetzt warnt sie vor den Konsequenzen.

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Die Schweizer Botschaft und das Bundeskanzleramt in Berlin (Foto: DW)
Bild: DW/S. Kinkartz

Bundesregierung distanziert sich vom Votum der Schweizer

Am Tag nach dem Volksentscheid in der Schweiz gibt es auch in Berlin mehr Fragen als Antworten. Die Bundesregierung reagiert ähnlich überrascht und konsterniert auf das Ergebnis, wie der Rest der Europäischen Union. "Wir haben eine solche Entscheidung, die demokratisch in der Schweiz zustande gekommen ist, zu respektieren und genau das tun wir", sagt Regierungssprecher Steffen Seibert. "Es ist aber durchaus auch so, dass das Ergebnis aus unserer Sicht erhebliche Probleme aufwirft."

Welche das genau sind, und was sich in Zukunft am Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz ändern wird, das ist konkret noch nicht absehbar. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mahnt aber bereits, der größte Verlierer werde am Ende die Schweiz selbst sein.

Mit 50,3 Prozent haben die Eidgenossen am Sonntag knapp für die Initiative "Gegen Masseneinwanderung" gestimmt. Das Referendum sieht vor, dass die Regierung innerhalb von drei Jahren jährliche Quoten für die Einwanderung einführen muss. Damit muss die Schweiz wohl das seit mehr als zehn Jahren geltende Abkommen mit der EU über den freien Personenverkehr neu aushandeln.

Bundesregierung distanziert sich vom Votum der Schweizer

Freizügigkeit ist ein hohes Gut

"Alle vier Grundfreiheiten, die Personenfreizügigkeit, der freie Verkehr von Dienstleistungen, Waren und Kapital, das bildet eine Einheit, das hängt zusammen", umreißt der deutsche Regierungssprecher die Dimensionen und macht damit klar, dass eine Aufkündigung der Personenfreizügigkeit selbstverständlich Folgen für die wirtschaftlichen Beziehungen und Abkommen haben werde. "Die Freizügigkeit ist für Deutschland ein hohes Gut, das hat die Bundeskanzlerin immer wieder betont", fügt Seibert warnend hinzu.

Die EU ist für die Schweiz der mit Abstand wichtigste Handelspartner. 2013 lieferten die Eidgenossen Waren im Wert von 90 Milliarden Euro oder 55 Prozent der Ausfuhren in die Länder der Gemeinschaft. Für die Schweizer Importeure hat der EU-Markt eine noch wichtigere Bedeutung. Im vorigen Jahr kauften sie Güter aus der EU für 108 Milliarden Euro – dies sind 74 Prozent der gesamten Einfuhren. Deutschland ist unter den EU-Staaten der wichtigste Handelspartner für die Schweiz. Fast ein Fünftel aller Exporte gehen an den Nachbarn, knapp 30 Prozent aller Einfuhren kommen von dort.

Die Bundesregierung hätte sich gewünscht, dass der Volksentscheid anders ausgegangen wäre. Doch nun muss die Politik mit dem Scherbenhaufen leben und umgehen. "Es ist jetzt, nach dieser Volksabstimmung an der Schweizer Regierung, auf die EU zuzugehen und ihr darzulegen, wie sie mit diesem Ergebnis umzugehen gedenkt und die EU-Institutionen werden dann die politischen und die rechtlichen Konsequenzen des Votums sorgfältig zu prüfen haben", formuliert der Regierungssprecher betont diplomatisch. "Unser Interesse muss es doch sein, das Verhältnis der Schweiz zur EU so eng wie möglich zu bewahren."

Direkte Demokratie in Deutschland?

Ulrich Schmid zum Votum der Schweizer

Der Ausgang der Volksabstimmung in der Schweiz stößt in Deutschland aber nicht nur auf Ablehnung. Für die europakritische Partei Alternative für Deutschland (AfD), die bei der Bundestagswahl 2013 den Einzug ins Parlament nur knapp verfehlte, hat sie sogar Vorbildfunktion. "Unabhängig vom Inhalt des Schweizer Referendums ist auch in Deutschland ein Zuwanderungsrecht zu schaffen, das auf Qualifikation und Integrationsfähigkeit der Zuwanderer abstellt und eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme wirksam unterbindet", fordert AfD-Sprecher Bernd Lucke. "Auch dafür sollten gegebenenfalls Volksabstimmungen ermöglicht werden, wenn die Altparteien das Problem weiter ignorieren."

Für die Bundesregierung steht dieses Thema aber nicht zur Debatte. "Deutschland ist eine bewährte repräsentative parlamentarische Demokratie", betont Regierungssprecher Seibert. "Volksabstimmungen sind kein Thema für diese Bundesregierung."