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Schwertransporter auf zwei Rädern

5. August 2009

Wenn Bernd Hoppe sein Fahrrad beladen will, braucht er dazu manchmal einen Mitarbeiter und einen Gabelstapler. Sein Fahrrad ist nicht so wie andere. Es kann LKWs Konkurrenz machen.

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Bild vom Cargo-Cruiser (Foto: dpa)
Hier gehen 250 Kilo drauf!Bild: picture-alliance/ dpa

Der Cargo Cruiser ist laut Straßenverkehrsordnung zwar ein Fahrrad, tatsächlich sieht das drei Meter lange Ding von vorne eher aus wie ein riesiges Ei mit Fenstern und von hinten wie ein silbergrauer Aktenschrank auf Rädern. Rein passt eine ganze Europalette mit 250 Kilo Ladung. Rund herum klebt bunte Werbung, auf dem Dach schimmert eine blaue Solarzelle, die den eingebauten Elektromotor mit Strom versorgt

Preisgekrönte Technik

Der Cargo-Cruiser im Straßenverkehr (Foto: Svenja Pelzel)
Schnittig, belastbar, schnellBild: DW

Vor allem für die moderne Technik wurden die Kurierfirma "Messenger" und ihr Cruiser erst kürzlich von Bundespräsident Horst Köhler ausgezeichnet, im Rahmen des Wettbewerbes "Deutschland – Land der Ideen". Neben Solarpaneele und Elektromotor hat das Gefährt 27 Gänge, Vorderachse, Räder und Lenker vom Motorrad, ein Gehäuse aus Glasfaserkunststoff, sowie eine Anlage zur Bremskraftrückgewinnung. 180 Kilo kommen so zusammen, plus Ladung. Trotzdem fährt Kurier Bernd Hoppe mit hohem Tempo auf dem Radweg an langen Autoschlangen vorbei. Einzelne Fußgänger werden freundlich zur Seite gehupt.

Männer sind begeistert

Seine erste Station ist das Filmmuseum am Potsdamer Platz. Hier holt Hoppe einige Filmrollen ab, soll sie zum Deutschen Historischen Museum bringen. Die schwere Kiste transportiert Hoppe auf seiner zusammenklappbaren Sackkarre zurück zum Fahrrad, verstaut alles im Kofferraum, wendet, radelt weiter. Er ist in Eile, der nächste Kunde wartet. Zum Glück stellt ihm heute kein Tourist eine Frage. "Vor allem ältere Männer drehen sich immer wieder nach dem ungewöhnlichen Gefährt um, blicken mir neugierig hinterher", erzählt Hoppe, während er heftig in die Pedale tritt.

Der Cargo Cruiser wird beladen (Foto: Svenja Pelzel)
Ganze Paletten können oft nur mit dem Gabelstapler aufgeladen werdenBild: DW

Auf dem Weg zum Museum liefert Hoppe gleich noch weitere Briefe und Pakete aus. Die nächsten Stationen sind Bundespressekonferenz, die Agentur Reuters, die Post, diverse Firmen. Langsam füllt sich der Laderaum. Zwei Stunden Fahren, Anhalten, Treppe hoch, ausliefern, abholen, Treppe runter. All das hat Bernd Hoppe mittlerweile schon hinter sich. Die Anstrengung ist ihm allerdings nicht anzumerken, ebenso wenig sein Alter. Hoppe ist 50, trägt eng anliegendes Sport-T-Shirt, Shorts und Radler-Turnschuhe und sieht aus wie ein gut trainierter 35jähriger Radprofi. Hart findet er seinen Job aus einem anderen Grund: "Heute werde ich 12 Stunden unterwegs sein, am Ende habe ich dann ungefähr 80 bis 90 Euro verdient. Reich werde ich damit nicht".

Konkurrenz für den LKW

Reich wird auch Olaf Lange mit seiner Firma "Dreiradbau" nicht. Er und seine zwei Mitstreiter montieren ein paar Kilometer weiter, im Osten von Berlin in einer kleinen Hinterhofwerkstatt den Cargo Cruiser. In der Werkstatt herrscht das sprichwörtliche kreative Chaos. Überall liegen Fahrrad-Einzelteile, hängen Drähte von der Decke, stapeln sich Werkzeug und Farbdosen. Mittendrin steht Lange in alter Arbeitskleidung, steckt seinen Wuschelkopf in eine halbfertige Fahrerkabine, schraubt an seiner neuesten Erfindung herum: dem Velotaxi mit großem Kofferraum. Auch die Idee, dem Cargo-Cruiser eine Solarzelle aufs Dach zu bauen, hatte der 40jährige Umwelttechniker hier in seiner Werkstatt.

Großauftrag gesucht

Kurier Hoppe in seinem Fahrrad-Laster (Foto: Svenja Pelzel)
Kurier Hoppe in seinem Fahrrad-LasterBild: DW

Bislang gibt es erst fünf Cargo Cruiser, zwei in Berlin und drei in Holland. In einer Kleinstadt wird dort gerade versuchsweise der Müll damit abtransportiert. Doch was so erfolgreich klingt, rechnet sich für Dreiradbau kaum. "Uns fehlt ein großer Auftraggeber", sagt Dirk Lange und zuckt resigniert mit den Schultern. Die vielen teuren Prototypen bringen ihn und seine zwei Leute langsam an den Rand ihrer Existenz. Letzte Hoffnung: die Kurierfirma "Messenger". Den LKW-Verkehr in Berlin und anderen deutschen Innenstädten wird der Fahrrad-Laster dauerhaft sicherlich nicht verdrängen, die eine oder andere Autofahrt aber überflüssig machen. Da ist sich Kurierfahrer Bernd Hoppe sicher.

Autorin: Svenja Pelzel

Redaktion: Daniel Scheschkewitz/ Marlis Schaum