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Schutz für die Schutzlosen: der Nothelfer Georg

23. August 2014

Die katholische Tradition kennt die 14 Nothelfer: Heilige, die den Menschen beistehen sollen. Dieser Beistand ist heute keineswegs überholt, so jedenfalls die Meinung von P. Heribert Arens von der katholischen Kirche.

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Insel Rügen Reportage
Der heilige Georg, der Drachentöter (Kloster St. Jürgen, Insel Rügen)Bild: DW / Maksim Nelioubin

Hoch oben auf dem Rokokoaltar der Nothelfer in der Basilika Vierzehnheiligen – dem Ort meines Wirkens – sitzt der heilige Georg. Er schwingt mit erhobenem Arm seine Lanze. An seiner Seite liegt mit herunterhängendem Kopf ein Drache, in poetischer Sprache „ein Lindwurm“. Georg, der Drachentöter, wie er genannt wird, hat ihn mit seiner Lanze erstochen.

Meine persönliche Beziehung zum heiligen Georg stammt aus meiner Jugendzeit. Da war ich Sankt-Georgs-Pfadfinder. Das ist viele Jahre her. Aber unser Pfadfinderlied von damals klingt mir noch im Ohr:

„Als Knecht und als Ritter des Herrn, St. Jürg,
bist in die Gefahr du geritten,
hast ohne zu zagen den Lindwurm geschlagen
hast treu, wie ein Engel gestritten.“

Georg, so erzählt die Legende, die ihn bekannt gemacht hat, war ein tapferer Held. Eine Stadt war von einem bösartigen Drachen bedroht. Jeden Tag mussten die Menschen ihm ein Tier opfern. Schließlich, als es keine Tiere mehr gab, forderte er Menschenopfer. Als erste traf das Los die Tochter des Königs. Mit viel Wehgeschrei und Klagen wurde sie aus der Stadt verabschiedet. Weinend trat sie vor die Mauern der Stadt.

Wie zufällig – „von Gott geführt“, ergänzt die Legende – kam Georg vorbei. Er sah das ängstlich weinende Mädchen und erfuhr den Grund ihrer Tränen. „Weine nicht!“, sagte er, „Ich werde dir helfen.“ Und als der Drache auftauchte, durchbohrte er ihn im Namen des Kreuzes mit seiner Lanze. So zeigt sich der Nothelfer Georg als ein Mensch, der sich mutig und schützend vor eine junge Frau stellt, die Schutz braucht.

Wie viele Menschen gibt es in unserer Gesellschaft, die schutzlos sind? Sie brauchen Menschen, die sich vor sie stellen, die sich für sie einsetzen, die sie verteidigen, wenn andere über sie herfallen, um sie fertig zu machen. Da denkt man schnell an Menschen mit Zivilcourage, an Georgsmenschen wie Dominik Brunner, der vor einigen Jahren in München auf einem S-Bahnhof von zwei Jugendlichen zusammengeschlagen und ermordet wurde, nachdem er sich schützend vor Kinder gestellt hatte.

Es sind viele, die auf Schutz angewiesen sind wie die Königstochter in der Legende:

Da gibt es den Arbeiter, der für seine Arbeit unanständig niedrig bezahlt wird und dem der Rauswurf droht, wenn er den Schutz einer Gewerkschaft in Anspruch nimmt;

die Familie in Syrien, die nur noch fliehen kann, wenn sie überleben will, ist darauf angewiesen, dass ein anderes Land ihr schützendes Asyl gewährt und sie aufnimmt;

die Ehefrau, die von ihrem Mann geschlagen und misshandelt wird, flieht in den Schutz eines Frauenhauses;

das Kind ist dem „ehrenwerten Mann“ schutzlos ausgeliefert, der es missbraucht, anstatt es zu schützen;

der Flüchtling möchte aufatmen, weil er dem schutzlosen Ausgeliefertsein in seiner Heimat entkommen ist – und nun sieht er sich bei uns in der erwarteten Sicherheit Neonazis ausgeliefert. Er braucht engagierte Mitmenschen, die sich schützend vor ihn stellen.

Sie und viele andere sind Menschen, die einen heiligen Georg brauchen, der sie vor dem Bösen schützt, der sich vor sie stellt und der Macht des Bösen die Stirn bietet. Die Macht des Bösen: damit komme ich noch einmal zum Drachen. In China steht der Drache für das Glück. Da darfst du ihn nicht verfolgen oder gar töten. Ganz anders in unserem Kulturraum. Hier verkörpert der Drache das Böse wie in der Georgslegende.

Dieses Böse darf in unserer Welt nicht die Überhand gewinnen. Darum braucht es Menschen, die gegen das Böse angehen, die ohne Angst mit dem Bösen kämpfen.
Dazu braucht es Zivilcourage. Es braucht Menschen, die sich dem Bösen mutig entgegenstellen, die ihm die Stirn bieten, die sich vor Menschen stellen, die von der Bösartigkeit anderer bedroht sind.

Manchmal braucht es dazu eine Lanze wie beim heiligen Georg. Sonst aber ist es das Beste, dem Rat des heiligen Paulus zu folgen, der schreibt: „Überwinde das Böse durch das Gute!“. Anders gesagt: „Der einzig richtige Umgang mit dem Bösen ist: das Gute tun.“

Zum Autor:

Pater Heribert Arens OFM Geismar Kloster Hülfensberg
P. Heribert Arens ofmBild: Heribert Arens

P. Heribert Arens ist Franziskaner und lebt im Franziskanerkloster Vierzehnheiligen in Oberfranken. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Bücher, insbesondere zu Predigt und Spiritualität. Außerdem ist er Mitarbeiter bei der Zeitschrift „Der Prediger und Katechet“ und Mitglied im Kuratorium für den Deutschen Predigtpreis