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Schuhladen, Bundeswehr, Apotheke

Marcel Fürstenau19. November 2014

Mitten in Berlin eröffnet Verteidigungsministerin von der Leyen einen sogenannten Showroom. Der Marketingvorstoß soll Nachwuchs in die Kasernen locken. Am ersten Tag kamen aber auch unerwünschte Gäste.

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Ursula von der Leyen eröffnet den Showroom der Bundeswehr in Berlin.
Bild: DW/M. Fürstenau

Das erste Manöver sorgt für Irritationen - jedenfalls bei den zahlreich aufgetauchten Journalisten. Die gieren nach spektakulären Bildern, stattdessen werden sie zunächst in die 4. Etage eines unauffälligen Bürogebäudes am Bahnhof Friedrichstraße geleitet. Die kurzfristig eingetroffene Einladung hatte mehr versprochen, als den schmucklosen Raum, in dem sich rund 30 Kameraleute, Fotografen, Zeitungsreporter und Hauptstadt-Korrespondenten drängen. Als dann noch das mitgebrachte technische Equipment abgegeben werden muss, fühlt sich mancher Kollege aufs Korn genommen. Die Geräte würden aus Sicherheitsgründen "abgespürt", heißt es. Anschließend bekäme man sie selbstverständlich zurück.

Es dauert dann noch ein Weilchen, bis Regierungsamtsrat Jörg Jankowsky die Lage entspannt. Der in Zivil erschienene Mann vom Karrierecenter der Bundeswehr klärt über Sinn und Zweck des Showrooms auf. Der ist im Erdgeschoss, wo sich nahe dem Boulevard Unter den Linden Schnellrestaurants, Bäckereien und Modegeschäfte aneinanderreihen. Mittendrin der schicke Bundeswehrshop, links ein Schuhladen, rechts eine Apotheke. Während nebenan Winterstiefel und Hustenbonbons verkauft werden, will die Armee kostenlose Informationen in eigener Sache an den Mann und die Frau bringen.

"Kein Werben für Sterben"

Als sich die Journalisten endlich vor dem neuen Geschäft einfinden, müssen sie sich weiter gedulden. Drinnen ist die Verteidigungsministerin zu sehen, dicht umringt von Zehntklässlern einer Berliner Schule. Die Jugendlichen sollen ungestört mit Ursula von der Leyen über den Arbeitgeber Bundeswehr reden können. Zeit für ein Foto mit der Politikerin muss natürlich auch sein. Als die Ministerin den Showroom schließlich verlässt, geht ihr Statement im Protestgebrüll der rund 20 Demonstranten unter. "Kein Werben für Sterben" skandieren die Bundeswehr-Gegner, darunter die Bundestagsabgeordnete Inge Höger (Linke).

Mit Protestplakaten und Sprechchören demonstrierten rund 20 Menschen gegen den Showroom der Bundeswehr.
Nicht nur Journalisten und Neugierige bekundeten ihr Interesse am Showroom der Bundeswehr.Bild: DW/M. Fürstenau

"Wir sind bewusst in die Mitte der Gesellschaft gegangen", sagt von der Leyen. Unter Hinweis auf die Sprechchöre auf der anderen Straßenseite verteidigt die Christdemokratin ihre Werbeoffensive. Es sei der Bundeswehr wichtig, "die Auseinandersetzung zu suchen". Die erste deutsche Verteidigungsministerin glaubt, dass die Vielfalt der Berufe in ihrem Haus auf junge Menschen "hochattraktiv" wirke. Die Bewerberzahlen würden steigen, insbesondere unter Frauen.

Gesucht: Nachwuchs für Marine und Ehrengarde

Doch auch wenn sich von der Leyen "auf dem richtigen Weg" wähnt - die Truppe hat erhebliche Rekrutierungsprobleme. Der Marine fehlen Matrosen, im IT-Bereich werden Experten gesucht, auch Bewerber für zivile Beamtenstellen könnte es mehr geben. Sogar das Berliner Wachbataillon benötigt "dringend" Nachwuchs, sagt Regierungsamtsrat Jankowsky. Vornehmste Aufgabe dieser Ehrengarde ist es, bei Staatsbesuchen für die Gäste aus aller Welt Spalier zu stehen.

Mit Hilfe des multimedialen Showrooms will die Bundeswehr mehr Tuchfühlung zur Zielgruppe erreichen. Man wolle "näher und besser" an gutes Personal rankommen, sagt Karriereberater Jankowsky. In Broschüren wird unter dem Slogan "Beruf trifft Berufung" für die Laufbahnen in den unterschiedlichen Truppenteilen geworben. Die Palette der Abschlüsse reicht vom mittleren technischen Dienst bis zum Bachelor in der Bundeswehrverwaltung.

Auf Bildschirmen flimmern Filme über Auslandseinsätze

"Wir bieten das ganze Produkt an", unterstreicht Jankowsky die Bandbreite. Wobei die Stoßrichtung stets dieselbe ist: "Wir. Dienen. Deutschland." Das in die Jahre gekommene Motto prangt über der Eingangstür und im Showroom selbst mit dezenter Hintergrundbeleuchtung an der Wand. Wer die Schwellenangst überwindet, wird von einem Kameraden in voller Kampfmontur begrüßt. Die behelmte Puppe steht rechts in der Ecke. Über Monitore flimmern kurze Filme über Auslandseinsätze der Bundeswehr. Zur Eröffnung zierte ein Standbild mit der Fregatte "Brandenburg" die digitale Leinwand.

"Wir. Dienen. Deutschland." So wirbt die Bundeswehr für sich und um Nachwuchs.
Das Motto ist allgegenwärtig. In der Einladung zur Showroom-Eröffnung heißt es: "Aktiv. Attraktiv. Anders."Bild: DW/M. Fürstenau

Fragen werden von uniformierten Bundeswehrangehörigen beantwortet, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Die Öffnungszeiten des Showrooms entsprechen denen der benachbarten Geschäfte: täglich außer Sonntag von 9 bis 20 Uhr. Chef der Informations- und Beratungsstelle ist Jürgen Klau. Als er sich 1984 für den Dienst an der Waffe entschied, tobte noch der Kalte Krieg zwischen Ost und West. Inzwischen blickt er auf neun Einsätze im Kosovo und Afghanistan zurück.

"Den Kampf um die klügsten Köpfe offensiv angehen"

Die Verwendung im Showroom könnte Klaus letzte vor der Pensionierung sein. Auf seiner Visitenkarte steht "Sachgebietsleiter Werbung, Planung und Entwicklung". Allein diese Bezeichnung zeigt, wie tiefgreifend die Veränderungen der Bundeswehr sind. In Zeiten der Wehrpflicht mussten sich junge Leute zwischen Kaserne und Zivildienst in sozialen Einrichtungen entscheiden. Heute müssen Karriereberater die vermeintlichen Vorteile eines Arbeitgebers anpreisen, der seine Truppen auch in gefährliche Missionen jenseits der deutschen Grenzen schickt. Regierungsamtsrat Jankowsky spricht es ohne Umschweife aus: "Wir müssen den Kampf um die klügsten Köpfe offensiv angehen." So formulieren es auch Headhunter, die Nachwuchs für private Unternehmen suchen.