1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schmidt-Chanasit: "Das geht überhaupt nicht!"

Gudrun Heise24. Oktober 2014

Das chinesische Unternehmen Sihuan Pharm soll mehrere Tausend Dosen seines Ebola-Mittels JK-05 nach Afrika geliefert haben. Jonas Schmidt-Chanasit äußerte sich im DW-Gespräch zunehmend fassungslos.

https://p.dw.com/p/1DbUj
Ebola Forschung in Peking (Foto: Imago).
Bild: Imago/Xinhua

Deutsche Welle: Herr Schmidt-Chanasit, wie schätzen Sie dieses Ebola-Medikament JK-05 aus China ein?

Jonas Schmidt-Chanasit: Das ist ganz schwer zu sagen. Uns liegen keinerlei Daten dazu vor, nur das, was wir aus der Presse entnehmen konnten oder die aus den Mitteilungen aus China. Es gibt aber keine frei verfügbaren und in der internationalen Wissenschaft anerkannten Publikationen, die durch ein Peer-Review-Verfahren - ein Qualitätsgutachten - gegangen wären. Insofern sind alle Daten, die jetzt kommuniziert werden sehr, sehr fraglich.

Nichtsdestotrotz kann man nicht ausschließen, dass das ein wirksames Medikament ist. Nur: Solange es keine validen Daten gibt, die frei zugänglich sind, kann man das auch nicht bewerten.

China hat sich in der Vergangenheit nicht hervorgetan im Bereich der Ebola-Virus-Forschung. Die Expertise liegt ganz klar in den USA, Kanada und Europa. Insofern ist es auch fraglich - wenn keine Erfahrung im Bereich der Ebola-Virus-Forschung vorliegt - dass solche Medikamente gut vorgetestet sind, damit sie auch am Menschen angewendet werden können. Da muss man sehr vorsichtig sein.

Ich glaube zum Beispiel nicht, dass China größere Tierversuche mit Affen durchgeführt hat, was durchaus wichtig wäre, um die Wirksamkeit und Nebenwirkungen zu überprüfen.

Es wird auch erwähnt, dass mehrere Tausend Dosen dieses experimentellen Medikaments in die Krisenregionen geschickt wurden...

Das ist ganz kritisch zu bewerten! Man kann dort nicht einfach Pillen verteilen. Das muss in Absprache mit der WHO erfolgen! Es heißt, sie wollen das erst einmal für ihr eigenes Personal haben - für den Notfall. Das geht, aber man kann auf keinen Fall anfangen, das (Medikament, Anm. d. Red.) den Menschen in Guinea, Sierra Leone oder Liberia zu geben. Das geht überhaupt nicht! Das ist abzulehnen! Dafür sind die Daten nicht vorhanden, die so etwas zulassen würden.

Von welchen Daten sprechen Sie?

Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Foto: BNI).
Jonas Schmidt-Chanasit: "JK-05 bei Menschen einzusetzen, ist ethisch überhaupt nicht zulässig."Bild: BNI

Erst einmal wollen wir die Tierversuchsdaten sehen, die es geben muss. Die gibt es bei den anderen Mitteln, zum Beispiel bei Favipiravir, bzw. T-705, das auch schon die klinischen Phasen durchlaufen hat. Bei JK-05 ist da ein ganz großes, schwarzes Loch. Wir wissen überhaupt nichts über dieses Medikament, und da verbietet es sich absolut, es jetzt beim Menschen einzusetzen. Das geht überhaupt nicht! Nein, das ist nicht in Ordnung!

Es gibt also tatsächlich keinerlei öffentlich verfügbaren Daten über das chinesische Ebola-Medikament JK-05??

Genau. Es wurde zusammen mit dem chinesischen Militär entwickelt und es gibt keine Daten, die mir vorliegen oder die in den wissenschaftlichen Datenbanken wären - an denen man wirklich sehen könnte, wie dieses Medikament getestet wurde. In einer Zellkultur? Oder wurden Affen infiziert und mit diesem Medikament behandelt? Oder wurde es im Mausmodell getestet? Das liegt alles nicht vor.

JK-05 ist wirklich ein absolut experimentelles Medikament, über das gar nichts bekannt ist und es ist ethisch überhaupt nicht zulässig, es bei Menschen einzusetzen. JK-05 war quasi eine geheime Entwicklung, von der niemand etwas wusste, bis die Chinesen gesagt haben "Wir haben dieses JK-05 zusammen mit dem Militär entwickelt".

So etwas muss in hochrangigen Journalen publiziert und der Wissenschaft zugänglich gemacht werden, damit überhaupt eine Bewertung erfolgen kann. Insofern ist es fernab jeder Realität, dieses Medikament in Westafrika einzusetzen.

Jonas Schmidt-Chanasit leitet am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin die Abteilung für Virologische Zentraldiagnostik.

Das Gespräch führte Gudrun Heise.