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Die EU-Flüchtlingspolitik geht auf Konfrontationskurs

Barbara Wesel29. April 2015

EU-Kommission und EU-Parlament marschieren gemeinsam für eine neue Migrations- und Flüchtlingspolitik. Aber entscheiden dürfen hier die Mitgliedsländer, und die haben bisher alle Reformen blockiert.

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Frankreich EU Parlament Jean-Claude Juncker
Bild: Reuters/V. Kessler

Jean-Claude Juncker zeigte vor dem Europaparlament ungewohnte Leidenschaft: Die Antwort der Regierungschefs auf die Flüchtlingskrise in der vorigen Woche sei unzureichend und man habe zum Thema genug "Betroffenheitslyrik" gehört. Er kündigte für Mitte Mai einen Vorschlag für eine neue Migrations- und Flüchtlingspolitik an: Neben mehr Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit, um die Probleme besonders in Subsahara-Afrika an der Wurzel zu bekämpfen, will er eine Quotenregelung für die Aufnahme von anerkannten Flüchtlingen in der EU einführen. Damit bricht Juncker ein Tabu, gegen eine solche proportionale Verteilung hatten bisher die Mitgliedsländer mit Zähnen und Klauen gekämpft. Großbritannien, Dänemark und andere hielten bisher die Tore fest geschlossen. Wir helfen gern, sie aus Seenot zu retten, aber dann sollen sie in Italien an Land gebracht werden und nicht Asyl in Großbritannien suchen, hatte Premier David Cameron noch beim Krisengipfel in Brüssel erklärt.

Kommissionschef Juncker führt den Kampf an

Man wird also abwarten müssen, wer nach den Wahlen neuer Regierungschef in London wird und dann mit am Tisch sitzt, wenn die Vorschläge der Kommission zum ersten Mal im Rat der Innenminister diskutiert werden. Schützenhilfe bekommt Jean-Claude Juncker dabei von einer Mehrheit der Abgeordneten im Europaparlament. Er zeigte sich hier so kämpferisch, dass er von Teilen der Abgeordneten immer wieder mit Applaus unterbrochen wurde. Kaum jemand setzte sich beredter für die Notwendigkeit ein, legale Möglichkeiten der Migration in Europa zu ermöglichen: "Wenn wir nicht die Türen ein wenig öffnen, werden die Menschen durchs Fenster kommen", rief er den Abgeordneten zu.

Frankreich Europa Parlament Debatte Seenotrettung Stelios Kouloglou und Kostas Chrysogonos
EU-Abgeordnete wollen eine neue FlüchtlingspolitikBild: DW/M. Luy

Quotenregelung für Flüchtlinge wäre Neuland

Die stimmten dann auch mit großer Mehrheit quer über die Fraktionen einer Resolution zu, mit der die Regierungen der Mitgliedsländer aufgefordert werden, die wesentlichen Vorschläge der EU-Kommission umzusetzen. "Keiner soll sich verstecken, wir brauchen eine solche Quote in der EU, um zu einer fairen Verteilung von Asylsuchenden zu kommen", sagte der Christdemokrat Elmar Brok. Ein Quantensprung für den langgedienten Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im EP. Er und Teile seiner Fraktion haben hier eine jahrelange Blockade aufgehoben. Sozialdemokraten wie Arne Lietz aus Sachsen-Anhalt begrüßen die neue Gemeinsamkeit: "Das Parlament geht mit dieser überparteilichen Einigung auf eine Quotenregelung einen Schritt in eine neue Richtung", lobt er. Zuhause in seinem Wahlkreis bemüht sich der SPD-Parlamentarier, das Bewusstsein der Bürger für die Nöte von Flüchtlingen zu öffnen und die "Willkommenskultur“ zu verbessern.

Legale Migration oder australische Lösung?

Wir müssen legale Wege der Migration öffnen, forderten viele Abgeordnete vor allem der Grünen, Liberalen und Linken Parteien. "Wir dürfen keine neuen Mauern bauen", sagte etwa die Grüne Ska Keller. Aber es war nicht alles eitel Einigkeit und Sonnenschein. Rechtspopulisten wie Nigel Farage von der britischen Ukip Partei und Marine Le Pen vom französischen Front National wollten für die EU die "australische Lösung". Man müsse die Flüchtlinge nicht in der EU an Land, sondern zurück in ihre Herkunftshäfen bringen, so Marine Le Pen. Und Farage wies darauf hin, dass Europa selbst schuld habe am Ertrinken der Menschen im Mittelmeer, denn man habe erst durch den Sturz von Gaddafi das Land zu einem gescheiterten Staat gemacht. Jetzt sei dort die Heimat der meisten kriminellen Menschenschmuggler.

Kampf gegen Schlepper als Prüfauftrag

Was übrigens den Kampf gegen diese Banden angeht, den sich die EU auch auf die Fahnen geschrieben hat, so fehlen weiterhin die Details. Viele der Redner besonders aus konservativen Parteien betonten, wie wichtig es sei, den Schleppern das Handwerk zu legen. Es fehlten aber die Vorschläge, wie das funktionieren könnte. Die Außenbeauftragte Federica Mogherini soll Vorschläge erarbeiten, doch über die Machbarkeit eines EU Militär- oder Polizeieinsatzes - etwa an den libysche Grenzen - gibt es bei der Mehrheit im Europaparlament wenig Illusionen.