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Erst Katrina, jetzt Kürzungen

Gero Schließ8. März 2015

Geht es nach Präsident Obama, sollen die staatlichen Zuschüsse für College-Studenten erhöht werden. Louisianas Governeur will den Bildungsetat dagegen drastisch kürzen. Gero Schließ besuchte sie in New Orleans.

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Nunez Community College in New Orleans
Bild: DW/G. Schließ

"Was wäre Amerika ohne Bildung? Das gehört zu unserem Land. Das ist doch was Amerika ausmacht!", empört sich Tyron Braden. Er ist Student im ersten Semester des Nunez Community College in New Orleans und hat an diesem sonnigen Nachmittag Englischunterricht. Tyron versteht die Welt nicht. Auf der einen Seite hat Präsident Obama in seiner Rede zur Lage der Nation gerade erst zwei schulgeldfreie Jahre für Studenten von Community Colleges vorgeschlagen. Zur gleichen Zeit kündigt der republikanische Gouverneur des US-Bundesstaates Louisiana, Bobby Jindal, harte Kürzungen für den Bildungsetat seines Staates an. Betroffen davon wäre vermutlich auch Tyrons College.
Dessen Kanzler, Thomas Warner, rechnet gegenüber der Deutschen Welle vor, was die öffentlich diskutierten Kürzungen von 200 bis 300 Mio. Dollar bedeuten würden: Das wären bis zu 50 Prozent der Zuschüsse Louisianas. "Das hieße für die Community Colleges, dass wir bis zu sechs Institute verlieren würden. Das wäre schlimm." Damit müssten knapp die Hälfte der 13 Community Colleges in Louisiana schließen. "Das wäre verheerend, wir haben ein wirklich gutes Community College System aufgebaut", sagt er und berichtet von der Gründung dieser neuen College-Generation in den 90er Jahren, die insbesondere Kindern aus bildungsfernen Schichten für relativ wenig Studiengebühren den Einstieg in die sogenannte "höhere Bildung" leichter macht. Die rund 1200 Community Colleges in den USA bieten eine zweijährige, praxisnahe Ausbildung ähnlich den deutschen Berufsschulen. Der Abschluss ist ein Associate of Arts, auch der kleine Bruder des Bachelor genannt. Er berechtigt zum weiterführenden Studium an einer Hochschule. Die Community Colleges sind deswegen sehr beliebt in den USA. Einsparungen bei ihnen würden vor allem die unteren Schichten treffen. "Wenn du Bildung kürzt, kürzt du das Leben von vielen Menschen", warnt deswegen auch Warner.

Thomas Warner, der Kanzler des Nunez Community College in New Orleans (Foto: DW/Gero Schließ)
Die Hälfte der sechs Colleges in Louisana müssten schließen - Kanzler Thomas WarnerBild: DW/G. Schließ

Rund um die Uhr arbeiten für das Studium der Kinder

Tyron Braden fällt es schwer, sich das für Nunez vorzustellen. Der junge Afro-Amerikaner hat sich hier gerade erst eingelebt. Geradezu enthusiastisch erzählt er von seinen Kursen in Video- und Audioproduktion. Genau deswegen ist er aufs College gegangen. Er will später einmal ein Tonstudio betreiben und mit Bands Musik produzieren. Dafür bringt seine gesamte Familie heute finanzielle Opfer. "Meine Mutter, meine Tanten, meine Onkel und meine Großeltern, sie alle helfen mir", erzählt er stolz.

Tyron Braden, Student in New Orleans (Foto: DW/Gero Schließ)
Tyron Braden will später einmal als Musikproduzent arbeitenBild: DW/G. Schließ

Wenn es wirklich zu den Kürzungen komme, müssten sich die Studenten und ihre Familien darauf vorbereiten, meint er, und für den Fall der Fälle Geld ansparen. Für den 22jährigen Alex Tran, der ebenfalls das erste Jahr in Nunez studiert, ist das nicht vorstellbar. Die Familie erhält staatliche Unterstützung, damit er und seine beiden Geschwister studieren können. "Meine Eltern arbeiten rund um die Uhr. Sie tun alles, um unser Leben zu finanzieren. Mehr kann ich ihnen nicht zumuten". Travis Tran, der namensgleich aber nicht verwandt ist, kann die Diskussion um Bildungskürzungen in Louisiana etwas entspannter verfolgen. Seine Eltern zahlen die College-Gebühren bereits jetzt schon aus eigener Tasche. 1700 Dollar sind es pro Semester. Doch das Geld ist gut angelegt, sagen beide. "Schulen sind wichtig für unsere Wirtschaft", findet Alex. "Es ist ein langfristiges Investment, wichtiger als kurzfristige Investitionen in die Unternehmen." Viele Politiker der südlichen Bundesstaaten der USA, allen voran Louisiana, scheinen weniger weitsichtig zu sein.

Alex Tran, Student in New Orleans (Foto: DW/Gero Schließ)
Alex Trans Eltern rackern für sein StudiumBild: DW/G. Schließ

Die Zuschüsse sind von 80 auf 40 Prozent gesunken

"Ich mache mir Sorgen um Louisiana", sagt David Bergeron, Bildungsexperte des Washingtoner Think Tanks "Center for American Progress" der Deutschen Welle. Bergeron hat nach den verheerenden Zerstörungen durch den Hurrikane Katrina 2005 viel in New Orleans und Umgebung gearbeitet. "Durch Katrina verloren viele Studenten ihren Studienplatz", erzählt er. Die Bildungslandschaft hat sich seitdem gerade erst wieder etwas erholt. Und nun drohten die neuen Kürzungspläne, die ein ohnehin unterentwickeltes Bildungssystem erneut zurückwerfen würden. "In Louisiana wurde niemals viel Geld in Ausbildung investiert", sagt Bergeron. Und mit den Jahren wurde es immer weniger, wie Thomas Warner vom Nunez Community College leidvoll erfahren musste. "Als ich 2001 Kanzler wurde, hat der Staat die Community Colleges auf einem Niveau von 80 Prozent gefördert. Heute sind wir bei 40 Prozent", zieht er bittere Bilanz.

Dabei hinken die Südstaaten der USA im Bildungsniveau dem Norden und Westen ohnehin hinterher, wie David Bergeron vom Center for American Progress ausführt: "Das Ausbildungssystem im Süden der USA hat sich lange nicht so gut entwickelt wie im Norden, Osten oder Mittleren Westen", sagt er. Das habe vor allem mit den wirtschaftlichen und sozialen Unterschieden zu tun. "Im Süden herrscht noch viel Armut und das hat Auswirkung auf die Fähigkeit der Schüler, sich Bildung anzueignen." Eine im November 2014 veröffentlichte Studie des "Southern Regional Education Boards" belegt Bergerons Analyse. Danach sind die meisten Südstaaten nicht nur im inneramerikanischen Vergleich zurückgefallen. Ihr Bildungsniveau liegt sogar noch unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten.

Kosten für Bildung sind explodiert

Aber es kommt noch schlimmer: Die Studie kann belegen, dass die Armut innerhalb der Familien im Süden weiter zugenommen hat, während die Kosten für Bildung, wie etwa für die Community-Colleges, seit 1994 dramatisch anstiegen. Sie erhöhten sich um sage und schreibe 194 Prozent, während die Teuerungsrate im gleichen Zeitraum um gut 50 Prozent zulegte.

In diesem Umfeld hat Präsident Obama jetzt seinen Vorschlag platziert, für das Community College die Studiengebühren zu erlassen. Kein Wunder, dass sich Studenten wie Tyron Braden darüber freuen: "Dass Obama zwei beitragsfreie Jahre vorgeschlagen hat, ist großartig. Das macht es für uns einfacher, wir müssen über Geld nicht nachdenken". Doch Kanzler Warner bleibt erst einmal skeptisch: "Der Vorschlag ist sehr allgemein. Der Teufel steckt im Detail. Wir müssen herausfinden wie das funktionieren soll", sagt er. Natürlich klinge es gut, dass die Studenten keine Gebühren für die ersten beiden Jahre bezahlen müssen. "Aber woher soll die Finanzierung kommen? Das ist die große Frage."