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Schinken trotzt der Rezession

Guy Hedgecoe/ M. Koch5. Februar 2013

Luftgetrockneter Schinken ist in Spanien ein Verkaufsschlager. Die Läden sind zum Bersten gefüllt, die Vielfalt lässt Touristen staunen. Was aber ist das Besondere daran? Und was will das "Iberische Schweine-Manifest"?

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Symbolbild zu "Essen Spanien Jamon Schinken" (Foto: Fotolia/Phranc)
Bild: Fotolia/Phranc

Wer ein spanisches Delikatessengeschäft betritt, macht eine beängstigende Erfahrung - und der Laden von José Jimenez im Madrider Stadtteil Moncloa ist da keine Ausnahme. "Jamon Iberico", also geräucherter Schinken von der iberischen Halbinsel, so weit das Auge reicht: Kleine Stücke gestapelt auf dem Verkaufstresen, die größeren Portionen im Schaufenster - und von der Decke hängen Schweinebeine.

Es gibt zwar auch andere Produkte wie Käse, Chorizo - eine würzige feste Schweinewurst - sowie weitere Schinken-Arten und Räucherlachs. Aber der unbestrittene Star im Angebot ist der iberische Rauchschinken. Die verwirrende Vielzahl von Sorten, Herstellern und Preisen stellt den Delikatess-Novizen vor eine schier unlösbare Aufgabe.

Der Feinkostladen von Jose Jimenez in Madrid von außen. (Foto: DW/Guy Hedgecoe)
Joses Laden hat sich zwischen vielen Groß-Ketten behaupten könnenBild: DW/G. Hedgecoe

Welche Sorte soll ich kaufen und wie viel davon? Ist der Schinken zu 90 Euro pro Kilogramm wirklich so viel besser als der für 15 Euro?

José versteht diese Überlegungen und versucht, seine Kunden zu beruhigen. Er berät sie ohne Druck und betont, bei einer so großen Auswahl an traditionellem "jamon iberico" sei Vertrauen das Wichtigste: "Wer dem Verkäufer vertraut, wird wiederkommen. Die Leute sind ja nicht dumm", sagt er der DW.

Jose Jimenez in seinem Feinkostladen in Madrid (Foto: DW/Guy Hedgecoe)
Jose betreibt sein Geschäft seit mehr als 30 JahrenBild: DW/G. Hedgecoe

Eine lange Reise

José Jimenez' Geschäft in Madrid ist weit entfernt von der Heimat der Schinken, den Wäldern in den ländlichen Regionen Andalusiens und der Extremadura im Westen und Süden Spaniens. Dort werden die schwarzen Iberischen Schweine, aus denen der traditionelle Schinken gemacht wird, in Kork- und Steineichenhainen gehalten und mit Eicheln gemästet. Dieser Prozess wird sorgfältig überwacht. Die Tiere werden später sogar auf abschüssiges Gelände getrieben, damit ihre Beine vor dem Schlachten noch kräftiger werden. Das Fleisch wird dann bis zu vier Jahre lang an der Luft getrocknet, ehe es in die Bars, Restaurants und Delikatess-Läden kommt. Serviert wird es als kleiner Snack zu einem Glas Bier oder Wein oder als Teil eines Hauptgerichts.

José ist überzeugt, dass Kunden schon bald nicht mehr so leicht mit billigem und qualitativ minderwertigem Schinken getäuscht werden können. Im Dezember veröffentlichte eine Gruppe von Lobbyisten landesweit das "Iberische Schweine-Manifest", in dem sie die Regierung auffordern, neue Bestimmungen zu erlassen. Angesichts der hohen nationalen Bedeutung des traditionellen Schinkens für Spanien erfuhr das Manifest umfassende Berichterstattung in den Medien und löste intensive Diskussionen aus.

Schinken in einem spanischen Feinkostladen in Madrid. Zugeliefert am 30.1.2013 durch Joanna Impey. Der Fotograf - Guy Hedgecoe - ist DW-Korrespondent in Madrid. Aufgenommen am 29.01.2013 in Madrid. Copyright: DW/Guy Hedgecoe
Eine Frage der Reinheit: Die spanische Regierung will Schinken genauer klassifizierenBild: DW/G. Hedgecoe

Die Regierung bereitet derzeit eine Reihe von Normen für die Herstellung des spanischen Schinkens vor. Das bisherige System zur Kategorisierung des Fleisches gilt als sehr kompliziert und soll vereinfacht werden. Außerdem sind strengere Qualitätsstandards vorgesehen. Besonders wichtig ist den spanischen Produzenten eine klare Kennzeichnung, die deutlich macht, ob der Schinken von reinrassigen oder gekreuzten Iberischen Schweinen kommt.

José und seine Kollegen begrüßen die neuen Regeln, die ihrer Ansicht nach lange überfällig waren und von denen vor allem die seriösen Verkäufer profitieren würden.

Schinken boomt

Direkt vor Josés Tür ist die Krise der spanischen Wirtschaft allgegenwärtig. Selbst im bürgerlich geprägten Stadtteil Moncloa sitzen Bettler an den Straßenkreuzungen, und viele Läden stehen leer. Für José hingegen laufen die Geschäfte überraschend stabil.

Das deckt sich mit den landesweiten Zahlen der Schinken-Industrie: Als Spanien 2011 bereits tief in der Krise steckte, steigerte dieser Sektor seine Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent. Die Zahlen für das vergangene Jahr sind ähnlich gut.

Jose Jimenez bei der Arbeit in seinem Feinkostladen in Madrid (Foto: DW/Guy Hedgecoe)
Joses Geschäfte liefen auch während der Rezession gutBild: DW/G. Hedgecoe

Während José sorgfältig ein 30 Zentimeter langes Tranchiermesser schärft, sinniert er über die drei Jahrzehnte, in denen er sein Geschäft schon führt. Madrid - und Spanien als Ganzes - haben sich in der Zeit stark verändert. Aber der Appetit auf den salzigen "jamon iberico" ist so groß wie eh und je.