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Giftbombe Schiffsanstrich

Brigitte Osterath10. März 2014

In den Anstrichen von Schiffen stecken pure Gifte. Trotzdem haben die umweltgefährlichen Substanzen in der EU jetzt weiter Schonfrist - vermutlich, weil es bisher kaum Alternativen gibt.

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Schiffe im Nord-Ostsee-Kanal (Foto: Carsten Rehder/dpa).
Alle Schiffe - ob Luxusyacht oder Containerschiff - benutzen umweltgefährliche SchiffsfarbenBild: picture-alliance/dpa

Im Meerwasser dauert es nur wenige Tage - schon ist aus der heißgeliebten Motoryacht ein künstliches Korallenriff geworden: Muscheln und Seepocken überwuchern den Schiffsrumpf und bremsen das Schiff bei seiner Fahrt. Gerade bei Containerschiffen ist das ein teures Problem, denn der Bewuchs erhöht den Treibstoffverbrauch. Die Kosten gehen Schätzungen zufolge jedes Jahr in die hunderte Millionen Euro.

Daher greifen Reedereien- und auch private Yachtbesitzer - zu Schiffsfarben mit Antifoulings, die vor Bewuchs schützen. Das sind nichts weiter als giftige Biozide, also Chemikalien, die alle Wasserorganismen in der Nähe des Schiffsrumpfs abtöten. Die Anstriche sind absichtlich so konzipiert, dass sie sich nach und nach abtragen - sie umgeben das Schiff mit einer hochhiftigen Schutzschicht, deren umweltgefährliche Substanzen folglich auch ins übrige Gewässer entweichen und sich im Sediment anreichern.

Und das werden sie auch weiterhin - zumindest für die nächsten zehn Jahre. Denn die EU-Kommission hat die Frist, bis zu der sie alle Produkte auf dem Markt prüfen wollte, um weitere zehn Jahre - auf den 31.12.2024 - verschoben. "Solange es keine Alternative gibt, werden die Produkte auch nicht verboten", sagt Ulf Jacob von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).

Bewachsene Schiffsschraube (Foto: Achim Scheidemann dpa/lnw).
Seepocken und Muscheln haften bombenfest am Bootsrumpf - auch an der Schraube.Bild: picture-alliance/dpa

Marktführer Kupfer

Ursprünglich wollte die EU bis zum 14. Mai 2014 alle auf dem Markt verfügbaren Antifouling-Anstriche bewerten. Denn die neue europäische Biozidrichtlinie besagt, dass alle Wirkstoffe registriert und zugelassen werden müssen - auch die schon vorhandenen sind jetzt zu prüfen.

Marktführer bei den Antifoulings sind Kupfer und Kupferverbindungen. Sie sind Umweltschützern ein Dorn im Auge: Die giftigen Substanzen reichern sich in der Umwelt an.

Allerdings: "Die Kunden stehen drauf", sagt Christoph Strakeljahn, technischer Leiter und Bootsbauer bei Nauticare, einem Unternehmen, das Bootslacke importiert und vertreibt. Würden Kupferverbindungen in Schiffsanstrichen verboten, müssten die zurzeit bestverkauften Produkte vom Markt. "Das lassen die Unternehmen nicht mit sich machen", sagt Strakeljahn.

Unterwasserwaschanlagen für Boote

Insider glauben, die biozidfreie Zukunft gehöre äußerst dünnen, harten und abwaschbaren Beschichtungen. Sie waren auch das große Thema auf der Wassersportmesse "Boot" 2014 in Düsseldorf. Die Idee dahinter: Statt den Bewuchs zu verhindern, lässt man ihn zu und entfernt ihn regelmäßig, zum Beispiel mit Unterwasserrobotern oder - analog zum Auto - in Bootswaschanlagen. Im günstigsten Fall wäscht sich der Bewuchs beim Fahren durch das vorbeiströmende Wasser sogar selbst ab.

Dünnschichtlack auf Wassersportmesse Boot 2014 (Foto: Rainer Dückerhoff).
Biozidfreier Dünnschichtlack macht ein Boot bürstentauglichBild: Rainer Dückerhoff

Auf der Bootsmesse stellte Bernd Christof, Ingenieur und Gründer des Unternehmens International Port Technology, eine Unterwasserwaschanlage für Boote vor - und dazu passend einen Lack, der sich abwaschen lässt. Das erfordert eine völlig andere chemische Zusammensetzung: Die meisten der heutigen Bootsanstriche sind nicht für das Abwaschen geeignet, da sie Substanzen nach und nach ins Wasser abgeben sollen. Wer heutzutage einen Schiffsrumpf, der mit einem Antifouling angestrichen ist, abbürstet, wäscht die gesamte Beschichtung mitsamt Bioziden runter - der Bootsrumpf ist nackt und ungeschützt. Bei Dünnschichtlacks ist das anders.

Abwartende Zurückhaltung

Bei den Sportbootbesitzern hält sich die Begeisterung darüber, dass sie demnächst ihr Boot alle paar Wochen oder Monate waschen sollen, noch in Grenzen. "So etwas ist natürlich mehr Aufwand", sagt Jacob von der DBU. "Es ist viel bequemer, man hat ein Antifouling drauf."

Strakeljahn meint, auch die Lackindustrie habe für die Idee der Unterwasserreinigung wenig übrig: "Meine Kunden bekommen Pickel bei dem Gedanken." Derzeit müssen Sportboote regelmäßig aus dem Wasser, um den abgefahrenen Antifouling-Anstrich zu erneuern. "Da hängt ein Folgegeschäft dran." Außerdem müssten Bootswaschstraßen erst mal gebaut werden - und das kostet.

Unterwasser-Waschanlage für Boote (Foto: Rainer Dückerhoff).
DW-Reporterin Brigitte Osterath auf der Wassersportmesse "Boot": Bernd Christof führt eine Unterwasserwaschanlage vorBild: Rainer Dückerhoff

Das Problem mit der Haihaut

Eine andere biozidfreie Alternative gab es einige Zeit auf dem Markt, ist aber bereits wieder verschwunden: die künstliche Haihaut.

Ihre sandpapierartige Haut lässt Haie schnell vorankommen und schützt sie gleichzeitig vor Krankheiten und Verletzungen. Lackentwickler wollen solche Mikrostrukturen im Anstrich nachbauen - dann könnten Schiffe kraftstoffsparend, mit weniger Reibung, fahren und sich nebenbei vor Bewuchs schützen, so die Hoffnung.

Antonia Kesel vom Bionik-Innovations-Centrum Bremen hat eine solche Beschichtung entwickelt. Diese enthält viele kleine Glaskügelchen, die die Unebenheiten in der Haihaut nachahmen sollen. Das Lack- und Kunststoffunternehmen Vosschemie hatte Kesels Anstrich eine Zeit lang im Programm, für Sportbootbesitzer zum Selbstauftragen. Aber inzwischen "ist dieses kostspielige Projekt dem Rotstift zum Opfer gefallen", sagt Michaela Horns von Vosschemie. Der Absatz sei zu gering gewesen.

Solange es günstigere, biozidhaltige Mittel auf dem Markt gebe, könne sich ein Produkt wie ihres nicht durchsetzen, sagt Kesel. Insider munkeln hingegen, die Beschichtung habe nicht funktioniert. Kesel entwickelt ihre Beschichtung jetzt für Handelsschiffe weiter: Dafür muss der Lack maschinell aufspritzbar sein - und sehr viel günstiger als bisher.

Anstecker "Antifouling - nein, danke!" (Foto: Rainer Dückerhoff).
Der Trend geht zu biozidfreien Bootsanstrichen - hofft dieser Herr jedenfallsBild: Rainer Dückerhoff

Die Branche neigt nicht zur Revolution

Bisher sieht es nicht so aus als gäbe es das perfekte Produkt, das Boote vor Bewuchs schützt und demnächst den Markt für Bootslacke erobert. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die Branche sehr konservativ ist. Constanze Fürle, Biologin bei Limnomar, einem unabhängigen Labor für Forschung rund um Seen und Meere, drückt es so aus: "Wer in einer Schiffswerft sagt: 'Wir haben da etwas Neues', bekommt zu hören: 'Da hinten ist der Ausgang'."

Nur ein strengeres Gesetz werde die Entwicklung von biozidfreien, umweltverträglichen Schiffsanstrichen vorantreiben, meinen einige. "Wenn die Restriktionen weitere Kreise ziehen, kann man auch mit Alternativen am Markt erfolgreich sein", sagt Jacob. Das wird aber frühestens im Jahr 2024 so weit sein.