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Schießen lernen mit 17

Greta Hamann26. Januar 2014

Gut tausend minderjährige Soldaten dienten bei der deutschen Bundeswehr allein im Jahr 2013. Linken-Politiker und Nichtregierungsorganisationen kritisieren die Anwerbung und fordern: Kein Wehrdienst unter 18.

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Bundeswehr Schießausbildung. (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die deutsche Bundeswehr hat ein Problem: Seitdem die Wehrpflicht im Jahr 2011 abgeschafft wurde, marschieren neue Soldaten nicht mehr von allein in die Kaserne. Um das sich anbahnende Nachwuchsproblem zu lösen, gibt die Bundeswehr viel Geld für die Neurekrutierung von Soldaten aus.

Und dabei werden auch gezielt Jugendliche angesprochen, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben. Ob an Schulen, bei Jugendmessen, auf Twitter, Youtube oder Facebook: Die Bundeswehr ist da, wo die jungen Menschen sind. Sie wartet auf mit abenteuerlich anmutenden Actionvideos unterlegt mit heroischer Musik oder stellt junge Soldatinnen und Soldaten in der Ausbildung in aufwendig produzierten Videoreportagen vor: "Ich will einen Beruf ausüben, der ganz was anderes ist als jeder andere, wo jemand sagt 'cool, da arbeitest du'", sagt eine junge Offiziersanwärterin in einem der zahlreichen Youtube-Videos beispielsweise.

"Maßnahmen der Nachwuchsgewinnung entsprechen dem Zeitgeist"

"Unsere Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung müssen dem Zeitgeist entsprechen, wir wollen Jugendliche ansprechen", sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums der DW. "Dabei ist es aber nicht unser Ziel, den Soldatenalltag zu verschönern."

Screenshot YouTube-Kanal der Bundeswehr
Abenteuerlich und jung will die Bundeswehr auf Youtube wirkenBild: YouTube

Die Abschaffung der Wehrpflicht sei kein Grund dafür, dass auch Minderjährige angesprochen würden, sagte die Sprecherin weiter. "Das ist nichts Neues und passiert so eigentlich schon seit es die Bundeswehr gibt." Jugendliche entschieden sich schon vor ihrem 18. Geburtstag für einen bestimmten Beruf, deswegen müsse man sie in ihrer Findungsphase ansprechen, so die Ministeriumssprecherin.

"Keine Kinder in die Armee" fordert das Deutsche Bündnis Kindersoldaten

Mit 17 Jahren schießen lernen - das Deutsche Bündnis Kindersoldaten prangert das schon seit über zehn Jahren an: "Kinder sind Kinder bis sie 18 Jahre alt sind. Und in diesem Alter sollten sie geschützt werden vor Dingen, die ihre Persönlichkeit negativ beeinflussen können", sagt Günter Haverkamp im Interview mit der DW. Mit dem gemeinnützigen Verein "Aktion Weißes Friedensband" gehen er und seine Kollegen in Schulen und klären unter anderem darüber auf, wie das Leben und Arbeiten als Soldat ist.

"Ich erinnere mich noch an meine eigene Zeit als Wehrdienstleistender, damals war ich 20", sagt Haverkamp: "Mit 18 Jahren - geschweige denn noch jünger - hätte ich das psychisch und physisch nicht hingekriegt." Wenn er nun an die Schulen ginge, nachdem die Bundeswehr bereits da gewesen war, erzählt Haverkamp, glänzten die Augen der Jugendlichen regelrecht, wenn sie von dem Besuch der Soldaten erzählten. "Die Bundeswehr schickt gut aussehende nette Menschen in die Schulen, die dann Eindruck machen. Die sagen nichts Schlechtes über die Arbeit als Soldat."

Offener Brief an Bundeskanzlerin Merkel

Haverkamp und das Aktionsbündnis forderten im November 2013 in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel, dass die Bundeswehr nicht alleine an Schulen gehen darf, sondern immer auch weitere Ansprechpartner mitkommen: "Wir fordern an Schulen und in anderen Bereichen eine ausgewogene Beschäftigung mit der Thematik 'Frieden und Bundeswehr'. Das Thema Friedenserziehung sollte einen festen Platz in den Curricula und bei der Lehrerausbildung haben."

Bundeswehr Infotruck von innen. Zwei Personen informieren sich. (Foto: Denise Hülpüsch dpa/lrs)
Die Bundeswehr wirbt gezielt bei jungen Menschen für den WehrdienstBild: picture-alliance/dpa

Außerdem bemängelt das Bündnis, dass die Bundesregierung gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoße. Diese verbietet die obligatorische Rekrutierung und den Einsatz Minderjähriger als Soldaten. Sie dürften demnach nicht "unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen". Allerdings gibt es eine Ausnahme: Staatliche Streitkräfte dürfen auch Freiwillige ab 16 Jahren anwerben. Auf diese Ausnahmeregelung bezieht sich auch das Bundesverteidigungsministerium und macht sich frei von jeglichen Anschuldigungen, gegen geltendes Völkerrecht zu verstoßen.

Partei "Die Linke" wirft Bundesregierung "Doppelmoral" vor

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes forderte aber schon 2008 die Bundesregierung auf, das Mindestalter anzuheben. Darauf eingehen will die Regierung nicht. Gleichzeitig setzt sich Deutschland international aktiv gegen den Einsatz von Kindersoldaten ein.

Katrin Kunert, Verteidigungsexpertin der Partei "Die Linke" wirft dem Staat in einem Zeitungsbereicht wegen dieser Praxis gar eine "Doppelmoral" vor. Auch Politiker von SPD und Grünen haben sich gegen den Einsatz Minderjähriger in der Bundeswehr ausgesprochen.

Das Verteidigungsministerium will jedoch weiter an seiner Anwerbestrategie festhalten und bestätigte der DW, dass unter 18-Jährige bereits an der Waffe ausgebildet werden. Allerdings würden diese in keinen Auslandseinsatz geschickt. Minderjährige können in Deutschland nur unter bestimmten Bedingungen in den Wehrdienst gehen: So müssen ihre Erziehungsberechtigten dem Eintritt in die Bundeswehr zustimmen.