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Wahlkampf in Niedersachsen

Richard A. Fuchs20. Januar 2013

Die erste Landtagswahl 2013 könnte Weichen stellen für die Bundestagswahl im Herbst. Verlieren CDU und FDP in Niedersachsen, droht der Absturz im Bund. So wird der Wahlkampf in der Provinz zur Bundespolitik.

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Merkel und McAllister in Stadthagen (Foto: DW/Fuchs)
Bild: DW/Richard Fuchs

Als Angela Merkel in Stadthagen ankommt, geht über der Festhalle der 22.000-Einwohner-Stadt in Niedersachsen gerade die Sonne unter. Drinnen lässt eine Band bei der Wahlkampfveranstaltung von CDU-Spitzenkandidat David McAllister die Sonne noch einmal musikalisch aufgehen. Mit "Walking on Sunshine" werden die 1500 Anhänger in der bis auf den letzten Platz gefüllten Halle begrüßt. Die Kanzlerin Deutschlands ist in die niedersächsische Provinz gekommen, um kurz vor der Landtagswahl am Sonntag (20.01.2013) Werbung für ihren Kandidaten zu machen. Möglichst viele der 6,2 Millionen Wahlberechtigten gilt es zu motivieren, damit der jetzige Ministerpräsident David McAllister mit einer schwarz-gelben Landesregierung aus CDU und FDP weiterregieren darf. "Das ist ein richtiger Landesvater, wie man ihn sich vorstellt", lobt die Kanzlerin den 42-jährigen Sohn einer deutsch-schottischen Ehe, der seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2010 vom politischen Nachwuchstalent zum loyalen Hoffnungsträger der Bundeskanzlerin aufgebaut wurde.

"Merkels Mac"David McAllister wirkt siegesgewiss, als er zusammen mit seiner Kanzlerin das Podium der Wahlkampfveranstaltung betritt und einer Menge zuwinkt, die vereinzelt mit orangefarbenen Plakaten mit der Aufschrift "I'm a Mac" zurückwinkt. In der Menge sind viele Ältere, aber auch Jugendliche. Im Spalier hatten sie ihn und Merkel zuvor ans Rednerpult hinaufgeklatscht, zu Klängen einer schottischen Dudelsack-Hymne, in der McAllister als "sturmfest und erdverwachsen" gepriesen wird. Eigenschaften, die er jetzt im Endspurt vor der Wahl gut gebrauchen kann. Denn "Merkels Mac", wie ihn Zeitungen nennen, muss sich bewähren. Verliert er bei seiner ersten großen Wahl im Landtag in Hannover die Regierung, bedeutet das nichts Gutes für Angela Merkels Chancen, bei der Bundestagswahl im Herbst zusammen mit der FDP weiterhin schwarz-gelbe Regierungsarbeit zu machen.

CDU-Spitzenkandidat David McAllister am Rednerpult (Foto: DW/Fuchs)
Kämpft für sich und auch für Kanzlerin Merkel: David McAllister, CDUBild: DW/Richard Fuchs

"Genießen sie die heutige Veranstaltung, entspannen sie sich, sie sind bei den Siegern", beruhigt McAllister sich, die angereiste Kanzlerin und die eigentlich angesprochenen Journalisten zur Eröffnung. Wohl wissend, dass ihm ein Kopf-an-Kopf-Rennen gegen den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten Stephan Weil blüht. Im bisherigen Wahlkampf ging es hin und her: Lange deutete sich in Wahlumfragen ein Regierungswechsel an, lag die derzeitige Opposition von Sozialdemokraten und Grünen in der Wählergunst vorn. Zuletzt holte McAllister den Rückstand wieder auf, konnte wohl auch durch gut inszenierte Wahlkampfauftritte wie diesen bei vielen der noch 40 Prozent Unentschlossenen punkten.

"Wir wollen an die Spitze der 16 Bundesländer"

Überzeugen will der CDU-Spitzenkandidat in schwarzem Anzug, orangefarbener Parteikrawatte und adretter Scheitelfrisur vor allem durch die eigene Bilanz. Mal mit treuherzigem Lächeln, mal mit tiefernster Miene, zählt er minutiös die eigenen Erfolge für das Bundesland Niedersachsen auf. Weniger Schulden, wirtschaftliches Wachstum und ein stabiler Arbeitsmarkt gehören dazu. Ebenso wie eine um 50 Prozent reduzierte Schulabbrecherquote und weniger jugendliche Straftäter als früher. "Wir haben uns in den letzten zehn Jahren von einem Abstiegsplatz auf einen Platz im oberen Tabellendrittel der Bundesliga der 16 Länder entwickelt", sagt McAllister. Das sporne ihn an, mit der Opposition über Gesamtschulen, Studiengebühren, Schuldenhöchstgrenzen, Riesenmastställe und neue Stromtrassen zu streiten, verbunden mit dem Ziel: "Wir wollen an die Spitze der 16 Bundesländer, da gehören wir hin."In den Augen vieler Wähler macht der höfliche und lebensfroh wirkende McAllister seinen Job bislang gut. Seine Popularitätswerte sind hoch, was sich an diesem Abend in minutenlangem Applaus zeigt. Doch ob McAllister seine eigene Beliebtheit ins Ministerpräsidentenamt hievt, das ist noch nicht entschieden. Denn auch wenn die CDU mit rund 40 Prozent wie erwartet stärkste Kraft im Parlament in Hannover wird, reicht das nicht zum Wahlerfolg, wenn der Wunschkoalitionspartner, die FDP, schwächelt. Und noch kämpfen laut Wahlumfragen die Liberalen um den Wiedereinzug in den Landtag, drohen auszufallen. "Die FDP wird den Sprung in den niedersächsischen Landtag schaffen und das schafft sie aus eigener Kraft", nur diesen kleinen Vermerk hat McAllister an diesem Abend für den Wunschpartner übrig. Das ist allerdings mehr als die Kanzlerin, die über den Partner FDP schweigt.

H. Salzwedel und seine Enkelin Sophia aus der Nähe von Stadthagen (Foto: DW/Fuchs)
Großvater und Enkelin: Familie Salzwedel will für McAllister stimmenBild: DW/Richard Fuchs

Für Großvater H. Salzwedel und seine Enkelin Sophia aus der Region Stadthagen ist das kein Wunder: "An der Schwäche der FDP könnte das Projekt Wiederwahl letztlich scheitern", sagt Salzwedel und macht kein Geheimnis daraus, dass in seinen Augen der CDU-Spitzenkandidat McAllister auch sehr gut in einer Großen Koalition mit den Sozialdemokraten vorstellen könnte.

Liberale wollen Fels in der Brandung für Leistungsträger bleibenDamit das nicht wahr wird, kämpfen die Liberalen etwa eine Stunde später selbst um ihre politische Zukunft. Im Kongresszentrum in der mittelalterlichen Stadt Celle haben sich etwa 300 Interessierte eingefunden, um liberalen Spitzenpolitikern zu lauschen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle und Gesundheitsminister Daniel Bahr sind gekommen, um den bei vielen unbekannten FDP-Spitzenkandidaten Stefan Birkner zu unterstützen. So soll der zuletzt leichte Aufwärtstrend in Wahlumfragen stabilisiert werden. Der Hornbrillenträger Birkner hat dafür sein Rezept. Er plädiert in beinahe übertriebener Sachlichkeit für die "best-funktionierendste Koalition", die Niedersachsen je gesehen habe. CDU und FDP hätten "vertrauensvoll, unaufgeregt, lösungsorientiert, verlässlich und berechenbar" zusammengearbeitet. Birkner weiß allerdings, dass dieselbe bürgerliche Regierungskonstellation im Bund nach der Wiederwahl 2009 im Streit unterzugehen drohte. "Das ist natürlich auch ein Vorbild für unsere Kollegen in Berlin, so wie auch diese Landtagswahl für Berlin am Ende eine Signalwirkung hat, in welche Richtung es in Deutschland geht", gibt der Provinzpolitiker deshalb seinen Parteifreunden als Mahnung mit auf den Weg.Mal sachlich, mal aufbrausend und mal nachdenklich versuchen sowohl der liberale Gesundheitsminister wie auch der Außenminister, den Zuhörern zu vermitteln, warum die FDP für die wirtschaftlichen Leistungsträger in Deutschland die letzte Bastion sei. "Es muss einen Unterschied machen, ob man morgens aufsteht oder ob man morgens liegen bleibt", sagt Wahlkampfhelfer Westerwelle und wettert auch noch gegen rot-grüne Pläne für Gesamtschulen und Einheitsrenten. "Ich bin strikt dagegen, dass wir alles gleichmachen wollen, egal ob man sich angestrengt hat im Leben, in der Schule oder im Beruf." Leistung müsse sich für Leistungsträger lohnen, ist Westerwelles Fazit. Dabei blickt er ins Publikum, in dem allerdings weniger die Leistungsträger von heute denn die grauhaarige Wirtschaftselite früherer Jahre sitzt. Kein Wunder, dass Gesundheitsminister Daniel Bahr für sein Plädoyer für eine Beibehaltung der nach Arbeitsleistung gestaffelten Rentenhöhe den wohl größten Applaus des Abends erntet.

FDP-Außenminister Guido Westerwelle (Foto: DW/Fuchs)
"Leistung muss sich lohnen": FDP-Außenminister Guido WesterwelleBild: DW/Richard Fuchs
Außenminister Westerwelle und FDP-Spitzenkandidat Birkner (Foto: DW/Fuchs)
Parteifreunde: Außenminister Westerwelle (Mitte) kämpft für FDP-Spitzenkandidat BirknerBild: DW/Richard Fuchs

Zu diesem Zeitpunkt ist Angela Merkel schon auf ihrer nächsten Wahlkampfveranstaltung. Mit ihrem Hoffnungsträger McAllister tritt sie in Hildesheim auf. Ungewiss, ob sie dort ein Wort über die Koalition mit der FDP verliert.