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Bildung im Kosovo

Bahri Cani10. Mai 2013

Die Plagiatsvorwürfe gegen die ehemalige deutsche Bildungsministerin Annette Schavan und ihr Rücktritt haben im Kosovo eine Debatte über die Lage der Bildung im eigenen Land und Plagiate ausgelöst.

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Eine aufzeigende Hand im Unterricht (Foto: Rainer UNKEL)
Bild: picture alliance/APA/picturedesk.com

Sie sollen im Kosovo die Vorreiter sein und als Erste freiwillig ihre Doktorarbeiten überprüfen lassen: der kosovarische Bildungsminister Rame Buja und der Rektor der Universität Pristina, Ibrahim Gashi. Besonders laut wurde diese Forderung der Öffentlichkeit nach dem Rücktritt der ehemaligen deutschen Bildungsministerin Annette Schavan, der Anfang des Jahres der Doktortitel von der Universität Düsseldorf aberkannt wurde. Selbst die Abgeordneten der regierenden Demokratischen Partei von Rame Buja appellierten an den Bildungsminister, er solle seine Promotion überprüfen lassen.

In einem Gespräch mit der DW signalisierte er auch seine Zustimmung: "Ich bin bereit für die Nachprüfung meiner und anderer Doktorarbeiten. Den Fall der ehemaligen deutschen Bildungsministerin Annette Schawan sollten wir als Beispiel nehmen und hier diese Aktion starten."

Zu viele Doktortitel für ein so kleines Land

Offiziell sind seit dem Ende des Kosovo-Krieges 1999 im jungen Staat 416 Doktortitel vergeben worden: Kritiker meinen, dass das zu viel ist für ein Land mit einer Bevölkerung von weniger als zwei Millionen Einwohnern. Es gibt auch Vorwürfe, dass im Kosovo ein lukrativer Handel mit Dissertationen und anderen Abschlussarbeiten betrieben wird. Die kosovarische Presse berichtete Anfang März über Einzelpersonen und Organisationen, die Dissertationen und andere wissenschaftliche Arbeiten für andere Leute verfassen und sie verkaufen. Doch konkrete Beweise für solche Geschäfte liegen noch nicht vor.

Das Bildungsministerium habe von diesem Verdacht gewusst, sagt Minister Rame Buja. "Wir haben sofort einen Kontrollausschuss zur Überprüfung gegründet und zu diesen Personen und Organisationen geschickt. Es kam jedoch heraus, dass es sich hier nur um technische Hilfe beim Erstellen der Diplom- und Doktorarbeiten handelt."

Porträt von Rame Buja, Bildungsminister im Kosovo (Foto: DW/Cani)
Der kosovarische Bildungsminister Rame BujaBild: DW

An der Universität in der kosovarischen Hauptstadt Pristina haben die Studenten selbst eine Debatte über Plagiate und die Qualität des Studiums angestoßen. Einer der Kritikpunkte: An der Universität gibt es nicht genügend qualifizierte Lehrkräfte. Die Qualität der Lehre leidet vor allem unter dem rasanten Anstieg der Studierendenzahlen. 2003 gab es in Pristina noch rund 27.000 Studenten, heute sind es mehr als 100.000.

Probleme im Bildungsbereich haben historische Wurzeln

Außerdem würden "einige Professoren den Politikern hinterherlaufen, um ihnen Doktortitel zu verleihen", kritisiert Professor Dukagjin Pupovci, der an der Uni in Pristina unterrichtet. "Sie hoffen, dass sie oder ihre Kinder dann im Gegenzug von diesen Politikern begünstigt werden." Zwar glaube er nicht, dass es im Kosovo viele Plagiate gibt. Doch die Qualität der Abschlussarbeiten sei in den meisten Fällen schwach.

Die eher mangelhafte Qualität des Bildungssystems im Kosovo ist auch auf die Geschichte des jungen Staates zurückzuführen. Wegen des Konfliktes mit Serbien wurde in den 1990er Jahren unter den Kosovo-Albanern eine Art paralleles System eingeführt: Der Unterricht von albanischen Schülern und Studenten fand in Privatgebäuden und nicht selten sogar in Kellern statt, isoliert vom Unterricht der serbischen Bevölkerung. Albanische Schüler, Lehrer, Studenten und Professoren mussten oft nicht nur mit den schlechten Rahmenbedingungen leben, sondern auch mit den Schikanen der serbischen Polizei und Behörden.

Ansicht der Universität in Pristina, der kosovarischen Hauptstadt
Universität in PristinaBild: Mimoza Cika Kelmendi

Neue Software gegen Plagiate

Nach dem Ende des Kosovo-Krieges sei es die erste Herausforderung gewesen, die nötige Schulinfrastruktur aufzubauen. Da nun für die Kinder in fast jedem Dorf neue Schulgebäude entstanden seien, müsse nun mehr über die Qualität des Unterrichts gesprochen werden, fordert Buja. Seiner Meinung nach wird "die Stunde der Wahrheit" sehr schnell auch für die Doktortitel kommen.

"Wir haben eine Vereinbarung mit der österreichischen Regierung zur Digitalisierung der Promotionen unterzeichnet und in diesem Zusammenhang auch eine Software gegen Plagiate bestellt", sagt Bildungsminister Buja. "Diese wird bald installiert, und damit können wir alle Bücher, Diplome und Doktorarbeiten überprüfen." Mit dieser Software kann man feststellen, ob Fragmente einer wissenschaftlichen Arbeit aus anderen Quellen wörtlich übernommen wurden.

Im Kosovo und in anderen Ländern besteht immer noch der Verdacht, dass viele Diplome und Doktortitel nicht auf legalem Weg erworben wurden. Rame Buja hofft, dass mit dem neuen Überprüfungsverfahren auch die Kritik an der Qualität der Bildung im Kosovo abgemildert werden kann.