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Alles unter Kontrolle

Christoph Hasselbach19. März 2012

EU-Kommissar Barnier will unregulierte Finanzinstitute unter Aufsicht stellen. Doch das sei kein Feldzug gegen eine wachsende Branche, versichert er. Ihm geht es um Transparenz und Recht.

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Michel Barnier (Foto:dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Michel Barnier kämpft seit seinem Amtsantritt als Binnenmarktkommissar gegen den Ruf in der angelsächsischen Welt an, ein typisch interventionistischer Franzose zu sein. Da er für den gesamten Bereich der Finanzmarktregulierung zuständig ist, hat ihn speziell die Londoner City zu ihrem Lieblingsfeind erklärt. Umso mehr bemüht sich Barnier um Fairness, so auch gegenüber den sogenannten Schattenbanken. "Ich klage nicht die Akteure oder die Fonds an, die in diesem Parallelsektor arbeiten. Sie können bei der Diversifizierung der Finanzierungsquellen nützlich sein. Ich habe also hier keinen Krieg gegen dieses System zu führen." Er wolle nur, dass auch die Schattenbanken wie alle anderen der Regulierung und Transparenz unterworfen seien.

"Selbstregulierung funktioniert nicht"

Barniers Zauberformel, die er immer wieder zitiert, lautet: Kein Markt, kein Marktteilnehmer und kein Finanzprodukt soll unreguliert bleiben. Von daher stellt diese Initiative auch nur eines der vielen Puzzlesteine in seinem großen Mosaik namens Finanzmarktregulierung dar. Nach Barniers Angaben machen die Schattenbanken weltweit 25 bis 30 Prozent des gesamten Finanzgeschäfts aus und wachsen gerade in Europa rasant. Und sie seien sehr erfinderisch, sich der Aufsicht zu entziehen. Auf der anderen Seite bieten sie aber ähnliche Produkte an wie gewöhnliche und damit regulierte Banken. Die Folge ist ein höheres Risiko und - auch das betont Barnier immer wieder -, dass bei einem Scheitern Steuerzahler für Banken einstehen müssen statt Banken für Banken.

ARCHIV - Blick auf das Londoner Geschäfts- und Banken viertel Canary Wharf (Archivfoto vom 16.06.2009). Der Aufschrei am Finanzplatz London ist gewaltig. Der Kuschelkurs der britischen Regierung mit der wichtigsten Industrie im Land soll vorbei sein. Wer einen Bonus von mehr als 25 000 Pfund (derzeit rund 27 700 Euro) bekommt, dem nimmt der Staat die Hälfte weg. So sehen es die Banker. Sie fürchten um ihr eigenes Geld. Das Ausmaß ihrer Aufregung stimmt misstrauisch. Und einiges deutet darauf hin, dass von beiden Seiten viel heiße Luft kommt.EPA/ANDY RAIN +++(c) dpa - Bildfunk+++
Licht und Schatten auf dem Londoner BankenviertelBild: picture-alliance/dpa

Selbstregulierung? Der Franzose winkt ab. "Ich kann nicht recht glauben, dass Selbstregulierung ausreicht. Jedenfalls habe ich bei den Finanzmärkten beobachtet, dass Selbstregulierung nicht funktioniert." Der Kommissar beruft sich bei seiner Initiative auch auf Beschlüsse der G20. Dass viele davon bisher Schall und Rauch geblieben sind, ficht ihn nicht an. Er beansprucht eine Vorbildfunktion für die EU. "Ich habe kein Problem damit zu sagen, dass Europa beim Umgang mit Schattenbanken an der Spitze stehen will. An der Spitze zu stehen heißt aber nicht, allein zu stehen."

Langer Gesetzgebungsprozess

Noch steht ein Gesetzgebungsprozess zur Regulierung von Schattenbanken ganz am Anfang. Barnier geht es zunächst einmal darum, mehr über die Funktionsweise der Branche und "die versteckten Kanäle der Kreditvermittlung", wie es in seinem Grünbuch zu dem Thema heißt, herauszubekommen. Dazu sollen die Europäische Zentralbank, die nationalen Notenbanken und die neugeschaffenen EU-Aufsichtsbehörden beitragen. Erst dann soll es um die Ausgestaltung konkreter Regeln gehen. Bis diese inkraft sind, rechnet Barnier mit ein, zwei Jahren.

Das ist eine lange Zeit, verglichen mit der Schnelligkeit der Märkte, gibt der Kommissar zu, aber so sei eben Demokratie. Und dann kommt nochmal der Hinweis, dass er es sich nicht leicht machen will. "Ich finde, es wäre nicht recht, die Tür zuzuknallen und zu sagen: 'Ihr seid alle schuldig'. Wir eröffnen eine Diskussion. Aber es wird auch keine falsche Rücksichtnahme geben." Gerade die Londoner City wird aber wohl die lange Diskussionsphase nutzen, um die Gesetzgebung in ihrem Sinne zu beeinflussen.