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Schäfer: "Ein Gigantenspiel"

Axel Ringewaldt2. November 2013

Winfried Schäfer, Fußball-Nationaltrainer von Jamaika, spricht im DW-Interview über den 20. Jahrestag des "Wunders vom Wildpark" - und warum er seine Mission auf der Karibikinsel gerne fortsetzen würde.

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Winfried Schäfer (Foto: Axel Ringewaldt)
Bild: DW/Axel Ringewaldt

DW: Herr Schäfer, am 2. November jährt sich das "Wunder vom Wildpark" zum 20. Mal. Man taufte Sie anschließend "Winnie Wahnsinn". Werden Sie noch darauf angesprochen?

Winfried Schäfer: Na klar, so ein Ereignis vergessen die Leute nicht. Der kleine KSC hat den großen FC Valencia, damals Tabellenführer in Spanien, mit 7:0 aus dem Stadion geschossen. Damit sind wir ins UEFA-Cup-Achtelfinale eingezogen. Edgar Schmitt hat an diesem Abend vier Tore erzielt. Es war die Geburtsstunde des "Euro-Eddy". Es war ein Gigantenspiel. Mit soviel Power, Motivation und diesem Publikum, es war einfach sensationell.

Beim Karlsruher SC waren Sie sehr erfolgreich, noch heute gelten Sie in der Stadt als Held.

Naja, wenn man einen toten Klub zum Leben erweckt und bis ins Halbfinale des Europapokals führt, das vergessen die Leute nicht. Das war richtig harte Arbeit, da waren Calli [Anm. d. Red.: Carl-Heinz] Rühl dran beteiligt und Roland Schmider und noch viele andere. Es war echte Zusammenarbeit, nichts wurde hinter dem Rücken des anderen vereinbart. Einfach traumhaft.

So einen Edgar Schmitt könnten Sie hier bei den Reggae Boyz auch gut gebrauchen, oder?

In der Tat müssen wir vor dem Tor noch effizienter werden. Zuletzt gegen die USA waren wir 70 Minuten besser. Der Ball lief gut in den eigenen Reihen, aber unser Problem ist der Final Pass und die Wucht, dann das Tor zu machen. Und wenn du kein Tor machst, kannst du auch kein Spiel gewinnen. Aber wie wir uns seit dem ersten Training nach meinem Amtsantritt bis hin zum letzten WM-Qualifikationsspiel gegen die Honduras verbessert haben, das macht einfach Spaß.

Sie haben die WM-Qualifikation mit Jamaika letztendlich verpasst. Waren drei Monate Zeit bei vier verbleibenden Spielen doch zu knapp bemessen?

Im Grunde bin ich nur ein Spiel zu spät gekommen. Hätte ich in Honduras schon auf der Bank gesessen, hätte ich die Spieler bereits gekannt. Das noch größere Problem aber war, dass Jamaika den Gold-Cup [Anm. d. Red: kontinentales Turnier für zur Ermittlung des Fußballmeisters von Nord-, Mittelamerika und der Karibik] verpasst hat. Dadurch hatten die anderen Mannschaften wesentlich mehr Spielpraxis.

Wie hat man Sie hier in Jamaika aufgenommen, wie waren Ihre ersten drei Monate auf der Insel?

Sensationell gut. Ob nun von Spielern, Funktionären oder den Fans. Das Umfeld hier merkt, dass ich viel arbeite und dass ich auch schon einiges bewegt habe. Ich schaue mir die Vereine an und deren Nachwuchsarbeit und das wird sehr honoriert.

Kamerun, Thailand, nun Jamaika - Sie scheinen ein Faible für Entwicklungsländer zu haben.

Ich könnte ja jetzt sagen, Spanien hat einfach noch nicht angerufen. Aber ich kann gut auf Menschen eingehen und trainiere gerne im Ausland. Ich versuche, mir den Respekt in einer fremden Kultur zu erarbeiten. Zunächst muss man natürlich die Spieler für sich gewinnen. Wenn sie merken, dass ich ihnen in ihrer Entwicklung helfen will und sie dann auch besser werden, erkennen sie das an.

Disziplin, Organisation oder die Sprache - Was sind die größten Herausforderungen hier?

Mit der Disziplin ist das ja überall gleich. Wenn du nicht aufpasst, tanzen dir die Jungs auf der Nase herum. Ob in Deutschland, in Thailand oder bei Real Madrid. Aber die Jungs wissen, was Disziplin heißt. Vor allem die, die in England spielen. Ich kann mich nicht beschweren. Die Spieler versuchen das umzusetzen, was ich vorgebe, wir machen das gemeinsam. Ich bin ein Trainer, der sehr viel mit den Spielern redet.

Als Trainer in Thailand sagten Sie einmal, sie möchten nicht mehr "tomorrow, tomorrow" hören. Ist die Mentalität hier ähnlich?

Das ist hier besser. Thailand war "tomorrow, maybe". Hier versucht man zumindest, etwas hinzukriegen. Das hat mit dem zusätzlichen Freundschaftsspiel auf die Schnelle zwar nicht geklappt. Aber es wurde zumindest ernsthaft versucht. Sicher muss man auch hier immer noch einmal nachhaken. Die Organisation von Verbandsseite ist aber ansonsten okay.

Edgar SCHMITT (re) jubelt mit Valerij SHMAROV nach seinem Treffer zum 5:0.
Historische Partie: der Karlsruher SC schlägt Valencia 1993 mit 7:0, "Euro-Eddy" (r.) schießt vier ToreBild: picture-alliance/Augenklick/GES-Sportfoto

Wie muss man sich Ihren Rhythmus vorstellen, wie oft und wie lange sind Sie in Jamaika?

Ich war eigentlich die ganze Zeit hier auf der Insel, bin nur ab und zu mal für kurze Zeit in die Heimat geflogen. Und jetzt nach der WM-Qualifikation müssen wir mal sehen, wie das weitergeht. Wir haben zunächst gesagt, wir machen erst einmal diese vier Monate. Und wenn wir uns mögen, machen wir danach weiter und wenn nicht, dann eben nicht.

Würden Sie denn gerne weitermachen?

Natürlich müsste sich noch einiges ändern. Wenn wir oben mitspielen wollen, müssen wir auch hier im Land den Fußball verbessern. Wir müssen mehr Jugendarbeit machen. Letztens habe ich ein Spiel gesehen, das war wirklich gut, da waren gute Spieler dabei. Denen müssen wir die Möglichkeiten geben, sich weiter zu verbessern. Grundsätzlich aber: Ja.

Wie gut kommen Sie mit dem Klima zurecht, der schwülen Hitze?

Damit habe ich kein Problem. Ich muss nur aufpassen mit dem Sonnenbrand. Aber Gott sei dank ist es nicht so schwül wie in Thailand.

Haben Sie sich Jamaika schon anschauen können?

Ich bin ein bisschen herumgekommen. Ich war in Saint Elizabeth, Saint Catherine und in den Blue Mountains; übrigens sehr zu empfehlen! Aber ich war noch nicht an den Orten, von denen man sagt, da musst du unbedingt mal hin.

Gibt es denn schon einen ähnlichen Kult um Ihre Person wie einst in Karlsruhe?

Nein, das nicht. Aber die Menschen sind unheimlich nett hier. Da ich mich nicht in meinem Zimmer einschließe, sondern oft draußen unterwegs bin, werde ich schon des Öfteren erkannt und bekomme viel Feedback von den Einheimischen.

Herr Schäfer, Hand aufs Herz: Kingston oder Karlsruhe?

Derzeit Kingston, ganz klar. Hier ist mein Job und ich identifiziere mich immer mit dem Ort, an dem ich arbeite. Obwohl ich Karlsruhe und den KSC natürlich nie vergessen werde.

Winfried "Winnie" Schäfer wurde als Spieler deutscher Meister und UEFA-Pokal-Sieger mit Borussia Mönchengladbach. Mit Kickers Offenbach gewann er den DFB-Pokal. Als Trainer führte er unter anderem den Karlsruher SC in der Saison 1993/94 ins Halbfinale des UEFA-Pokals. 2002 gewann er als Nationaltrainer von Kamerun die Afrikameisterschaft und erreichte 2003 das Finale des Confed Cups. Kamerun ist damit die erste und einzige afrikanische Mannschaft, die je ein FIFA-Finale erreichen konnte. Seit Juli 2013 ist Schäfer Nationaltrainer von Jamaika.

Das Interview führte Axel Ringewaldt.