1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Saudi-Arabiens auserwählte Islamisten

Jannis Hagmann17. Dezember 2013

Das saudische Königreich gilt als streng konservativ, die Herrschaft der Königsfamilie als islamisch legitimiert. Vor den Islamisten der Muslimbruderschaft aber fürchten sich die Saudis und fördern dafür Salafisten.

https://p.dw.com/p/1AbbM
Pilger in Mekka Saudi-Arabien
Bild: DW/Almakhlafi

Ausgerechnet Saudi-Arabien gab sich im Sommer als vehementer Widersacher der Islamisten und bester Freund der Säkularen. "Lasst die ganze Welt wissen", sagte König Abdullah, als das ägyptische Militär die Muslimbruderschaft entmachtete, "dass die Menschen und die Regierung Saudi-Arabiens unsere Brüder in Ägypten in ihrem Kampf gegen Terrorismus, Extremismus und Aufruhr unterstützen." Der Vorwurf des Extremismus richtete sich an die Muslimbruderschaft, die wohl einflussreichste islamistische Bewegung überhaupt. Der neuen säkularen Führung Ägyptens dagegen griffen die Saudis prompt mit fünf Milliarden Dollar Soforthilfe unter die Arme. Dabei gilt das Königreich als größter Unterstützer islamistischer Bewegungen weltweit - ein Widerspruch?

Seit in den 70er-Jahren das Öl die Staatskassen der Saudis zu füllen begann, setzt das Königreich seine enormen finanziellen Mittel ein, um Verbündete im Ausland zu fördern. "Die Unterstützung islamistischer Bewegungen ist für Saudi-Arabien seit Jahrzehnten ein inhärenter Teil der Außenpolitik", sagt Anna Sunik, Politikwissenschaftlerin am GIGA-Institut für Globale und Regionale Studien. "Das dient nicht nur einer Verstärkung der regionalen Führungsrolle, sondern hat auch innenpolitische Gründe." Die Königsfamilie, die über die beiden heiligen Stätten Mekka und Medina herrscht, legitimiere sich eben auch über ihr Engagement für Muslime im Ausland.

Saudische Privatleute als Geldgeber

Im Jemen unterstützten die Saudis die aufkommende islamistische Bewegung, in Indien finanzierten sie religiöse Einrichtungen zur Verbreitung ihrer Lehre und in Afghanistan verhalft der Golfstaat den Taliban nicht nur zur Herrschaft, sondern erkannte sie auch diplomatisch an, als sie 1997 ihr Islamisches Emirat errichteten. Die Islamische Universität in Medina holt ausländische Studenten ins Land und über Organisationen wie die Islamische Weltliga unterstützt Riad weltweit Moscheen und Bildungseinrichtungen, an denen die wahhabitische Lehre gelehrt wird, ein streng konservativer Islam saudischer Prägung.

Wo sind Wahhabiten und Salafisten besonders aktiv

"Jegliche Drittmittel", erklärt Saud al-Zaid von der Freien Universität Berlin mit Blick auf Ägypten, "die nicht aus der ägyptischen Wirtschaft stammen, kommen ausnahmslos aus dem Golf. Islamisten haben keine anderen Geldquellen als den Ölreichtum." Allerdings sei die saudische Regierung längst nicht immer direkt in die Verteilung der Petrodollar involviert. Oft träten wohlhabende Privatleute oder Wohltätigkeitsorganisationen als Geldgeber auf.

Wahhabiten stützen Salafisten

Profiteure sind vor allem salafistische Strömungen, die vom saudischen Wahhabismus als beeinflusst gelten. Ihre Anhänger orientieren sich an der Frühzeit des Islam und versuchen, ihr Leben nach dem Vorbild des Propheten Muhammad zu gestalten. Mit ihrer gesellschaftlich-reformistischen Agenda geht meist eine apolitische Orientierung einher. Viele Salafisten kritisieren daher politisch-aktivistische Gruppen wie die Muslimbrüder, die etwa über Wahlen an Einfluss gewinnen wollen.

Die saudische Königsfamilie legitimiert ihre Herrschaft auch mit dem Wahhabismus.
Die saudische Königsfamilie legitimiert ihre Herrschaft auch mit dem Wahhabismus.Bild: picture-alliance/dpa

Das erklärt auch den Argwohn, mit dem die saudische Regierung die Muslimbrüder beäugt, deren Erfolge an den Wahlurnen die Grundpfeiler ihrer autoritären Herrschaft in Frage stellen könnten. Doch nicht schon immer war die Feindschaft mit der Bruderschaft so ausgeprägt, im Gegenteil: "Zu Beginn nahm gerade Saudi-Arabien viele der Muslimbrüder auf, die aus Ägypten vertrieben wurden oder geflohen sind", sagt Sunik in Hinblick auf die Unterdrückung islamistischer Strömungen in vielen arabischen Staaten der 50er- und 60er-Jahre.

Religion als Diener von Machtinteressen?

Eine ideologische Liebesheirat allerdings war die Liaison mit den Brüdern auch damals nicht. Das Band, das beide zusammenhielt, war ein gemeinsamer Feind: der Kommunismus. Die anti-monarchische Stoßrichtung des links-nationalistischen Pan-Arabismus in Republiken wie Ägypten oder Syrien war mit der pro-westlichen, auf Stabilität bedachten Haltung der Golfmonarchie kaum vereinbar. In den oppositionellen Muslimbrüdern sahen die Saudis einen natürlichen Verbündeten; der Feind ihres Feindes wurde zum Freund.

Doch die regionalpolitische Konstellation änderte sich. Anwar Sadats Friedensvertrag mit Israel verankerte Ägypten 1979 fest im westlichen Lager. Auch mit der stabilen, drei Jahrzehnte währenden Herrschaft Hosni Mubaraks konnten die Saudis bestens leben. Die Muslimbrüder auf der anderen Seite wagten es, im Golfkrieg 1990/91 das saudische Herrscherhaus für seine Zusammenarbeit mit den USA anzuprangern, und begannen in Ägypten schließlich, dem autoritären Regime Mubaraks mit Forderungen nach Demokratisierung entgegenzutreten. Endgültig besiegelt zu haben scheint die Feindschaft zwischen Saudis und Muslimbrüdern nun die Unterstützung des Militärputsches in Ägypten.

Anwar Sadat wurde 1981 von Islamisten ermordet.
Anwar Sadat wurde 1981 von Islamisten ermordet.Bild: AP

Salafistische Nour-Partei weckt Interesse

Mit Interesse blicken Beobachter jetzt auf das Verhältnis der Saudis zu Ägyptens Salafisten, die sich in den Parlamentswahlen nach der ägyptischen Revolution überraschend als zweitstärkste Kraft im islamischen Lager behaupten konnten. "Die salafistische Nour-Partei ist momentan die interessanteste politische Gruppierung", sagt Saud al-Zaid. "Es ist die Partei, die die kritischsten und auch intellektuell interessantesten Stimmen hervorbringt."

Hartnäckig hält sich das Gerücht, die Nour-Partei werde von Saudi-Arabien finanziert, was sowohl die Regierung in Riad als auch die Partei zurückweisen. Auch al-Zaid glaubt nicht an direkte Finanzhilfen aus Riad. Allerdings, vermutet er, kämen bei den Salafisten wieder private Geldgeber ins Spiel: "Es würde mich nicht wundern, wenn die saudische Bevölkerung mehr als glücklich ist, sie zu unterstützten", sagt er. Denn ideologisch stünden die ägyptischen Salafisten den in Saudi-Arabien verbreiteten gesellschaftlichen Normen durchaus nah.