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Spenden für Al Kaida

9. August 2011

Das Land gilt als strategischer Verbündeter der USA. Gleichzeitig waren die meisten Attentäter von 9/11 saudischer Herkunft, genauso wie viele Spendengelder zur Finanzierung von Al Kaida.

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Symbolbild: Dollarzeichen und die Spitze eines Turms (Foto: DW/fotolia)
Bild: DW / fotolia

Als der frisch gekürte US-Präsident Barack Obama im Juni 2009 zum Auftakt seiner ersten Nahost-Reise in Riad Station machte, sparte er nicht mit Lob für das saudische Königshaus. Beide Länder seien "nicht nur wirtschaftliche, sondern auch strategische Partner", ließ ein betont freundschaftlich gestimmter Obama den alternden Saudi-König Abdullah wissen und rühmte höflich dessen "Weisheit und Zuvorkommenheit".

Glaubt man den von Wikileaks veröffentlichten geheimen US-Dokumenten, kam Obamas Außenministerin Hillary Clinton noch im selben Jahr zu einer weitaus weniger schmeichelhaften Einschätzung: "Es ist eine permanente Herausforderung, saudische Offizielle davon zu überzeugen, die von Saudi-Arabien ausgehende Finanzierung des Terrorismus als eine strategische Priorität zu behandeln", schrieb Clinton demnach verärgert in einem Regierungsmemo. Die Kritik gipfelte in der Feststellung: "Gelder aus Saudi-Arabien sind die bedeutendste Finanzierungsquelle von sunnitischen Terrorgruppen weltweit."

Verbündeter mit zwei Gesichtern

Die Widersprüchlichkeit der Äußerungen von Obama und Clinton ist geradezu typisch für das komplexe Verhältnis beider Länder zueinander. Auf der einen Seite ist Saudi-Arabien nicht nur der wichtigste Öl-Lieferant der USA im Nahen Osten. Die Amerikaner schätzen Saudi-Arabien auch als strategischen Gegenpol zum wachsenden iranischen Einfluss und als ein Land, das sich mit diplomatischen Initiativen an der Suche nach regionalen Konfliktlösungen beteiligt. Andererseits gibt es in Saudi-Arabien viel von dem, was die USA in anderen Ländern scharf kritisieren: Menschenrechtsverletzungen, fehlende Religionsfreiheit, Medienzensur, keine Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das meiste davon basiert auf der herrschenden Staatsideologie des Wahhabismus, die als eine der radikalsten Islam-Auffassungen gilt. Viele Experten hat es deshalb kaum verwundert, dass die meisten Attentäter vom 11. September saudischer Herkunft waren.

Der saudische Kronprinz Abdullah Ibn Abdelasis (2.v.l.) vor zerstörten Häusern nach einem Selbstmordanschlag in Riad (Foto: dpa)
Riad 2003: Auch Saudi-Arabien ist vom Terror betroffenBild: picture alliance/dpa

König Abdullah versucht zwar vorsichtig, Reformen anzustoßen. Aber zwischen dem Wahhabismus und der Ideologie von Al Kaida gebe es zahlreiche Übereinstimmungen, meint Guido Steinberg, Terror- und Islamismusexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Dies führe dazu, dass "immer wieder junge Saudis auf Grundlage dessen, was sie in den saudi-arabischen Schulen und Universitäten gelernt haben, ins extremistische Spektrum abrutschen". Die Führung in Saudi-Arabien wolle diese Nähe zwischen der eigenen Staatsideologie und der Ideologie von Al Kaida jedoch nicht wahrhaben, sagt Steinberg.

Koffer voller Geld

Am schwersten wiegt der Vorwurf der Terrorfinanzierung. Ob tatsächlich die meisten Spendengelder für Al Kaida aus Saudi-Arabien und den anderen reichen Golfstaaten stammen, ist zwar nicht nachweisbar. Experten wie der für das Hamburger Magazin "Der Spiegel" arbeitende Publizist Yassin Musharbash gehen jedoch davon aus, dass Kuriere aus Saudi-Arabien regelmäßig "Geldsummen im fünfstelligen Bereich" in Koffern nach Afghanistan oder Pakistan transportieren, die dort dann in Terrorcamps oder Trainingslagern landeten.

Porträt von Guido Steinberg
Islamwissenschaftler Guido Steinberg

Allerdings seien dafür keine offiziellen saudischen Stellen verantwortlich: "Es geht um ein unübersehbares Geflecht von Wohltätigkeitsorganisationen, die zum Teil bewusst missbraucht werden, ohne dass sie das wissen", meint Musharbash. Jedoch müsse davon ausgegangen werden, dass es in den Behörden Einzelpersonen gebe, die bewusst ein Auge zudrückten, so der Al-Kaida-Experte. "Wenn man sich vorstellt, wie viele Reisebewegungen es allein durch die hohe Zahl an Arbeitsmigranten zwischen Saudi-Arabien und Pakistan gibt", ergänzt sein Kollege Steinberg, dann sei es ohnehin "beinahe unmöglich", diese Geldflüsse zu verfolgen und auszutrocknen.

Die saudische Spendenfreudigkeit für militante Gruppen hat Tradition und geht auf die 1980er-Jahre zurück, als reiche Golfaraber mit hohen Geldsummen den Kampf der sogenannten Mudschaheddin gegen die sowjetischen Besatzungstruppen in Afghanistan unterstützten. Osama bin Laden spielte dabei eine Schlüsselrolle, bevor er in den 1990er-Jahren endgültig mit dem saudischen Königshaus brach. Damals, so Terrorexperte Guido Steinberg, hätten die Mudschaheddin durchaus auch Unterstützung von offizieller saudischer Seite erhalten. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 seien jedoch viele halbstaatliche Organisationen wie die "Al-Haramein-Stiftung" von den Behörden geschlossen worden, "weil dort zumindest indirekt Geld an terroristische oder militante Organisationen geflossen ist". Nicht nur amerikanischer Druck habe bei den Saudis zu einem Umdenken geführt, sondern auch die Tatsache, dass ihr Land seit 2003 selbst zum Anschlagsziel wurde. Selbst eine absichtliche passive Unterstützung sei heute "nicht mehr nachweisbar", meint Steinberg. Die offizielle Politik der Saudis sei hier "insgesamt eindeutiger“ geworden. Umstritten bleibt jedoch, ob die bestehenden Kontrollmechanismen ausreichen.

Terrorspenden auch aus Europa

Geld für Anschläge erhält Al Kaida jedoch nicht nur von wohlhabenden Spendern aus Saudi-Arabien und der Golfregion. Mit Hilfe des Internets und persönlicher Netzwerke sammle das Terrornetzwerk weltweit Gelder unter seinen Anhängern, berichtet Yassin Musharbash. Auch in Europa. Eine zusätzliche Finanzierungsquelle hat ein Al-Kaida-Ableger in der Maghreb-Region entdeckt: Dort entführen Militante vorzugsweise ausländische Bürger, um Lösegelder zu erpressen.

Autor: Khalid El Kaoutit
Redaktion: Rainer Sollich / Daniel Scheschkewitz

Porträt von Yassin Musharbash (Foto: DW-TV)
Experte Yassin Musharbash