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Saudi-Arabien im Windschatten der Arabellion

24. Dezember 2011

Die Auswirkungen des Arabischen Frühlings sind auch in Saudi-Arabien zu spüren. Die Herrscher in Riad versuchen die Unzufriedenen im Land mit kleinen Reformen zu besänftigen.

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Saudi-Arabiens König Abdullah (Foto: Peer Grimm)
Saudi-Arabiens König AbdullahBild: picture-alliance/ZB

Thomas Birringer erinnert sich noch ganz genau an den Beginn der Jasmin-Revolution in Tunesien und die Reaktionen in den Staaten der Golf-Region. Birringer, der das Regionalprogramm Golf-Staaten der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit Sitz in Abu Dhabi leitet, erlebte, dass die meisten Menschen in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Ereignisse in Tunis als etwas betrachteten, das weit weg in einem fernen Land geschah.

Dann kamen die Massenproteste in Ägypten und das böse Erwachen bei den Regierenden am Golf, als Mubarak aus dem Amt gefegt wurde. "Ägypten war das Fanal. In der Denkweise eines 80-jährigen Herrschers, der seit 50 Jahren im Amt ist, da kommt eine Bevölkerung, die plötzlich eigenständig agiert, überhaupt nicht vor." Die autokratischen Herrscher am Golf begriffen die Ereignisse in Ägypten damals als eine Verschwörung dunkler Mächte und ausländischer Interessen und wären bis heute kaum in der Lage, Verständnis für die Belange junger Menschen in ihren Ländern aufzubringen, meint Birringer.

Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit

Thomas Birringer (Foto: Thomas Birringer)
Thomas Birringer, Konrad-Adenauer-Stiftung (Büro Abu Dhabi)Bild: Thomas Birringer

Trotzdem wurden Reformen auf den Weg gebracht. Um etwas gegen die hohe Arbeitslosigkeit - besonders unter jungen Saudis - zu tun, wurden die Bestimmungen der so genannten "Saudisierung" der Wirtschaft verschärft. Denn schon seit langem gibt es heftige Kritik der einheimischen Bevölkerung an der hohen Zahl ausländischer Arbeitskräfte.

Andreas Hergenröther, Delegierter der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien mit Sitz in Riad, erklärt, wie die "Saudisierung" der Wirtschaft funktioniert: "Saudi-Arabien hat 28 Millionen Einwohner, davon sind 7 Millionen Ausländer, und es gibt eine relativ hohe Jugendarbeitslosigkeit, die laut 'International Labour Organisation' (ILO) zurzeit bei 31 Prozent liegt. Deshalb sind diese Saudisierungsregeln erlassen worden, die vorgeben, dass Unternehmen Quoten erfüllen müssen. Im Baubereich sind das fünf Prozent Saudis, im Produktions- und Montagebereich 15 Prozent, im Dienstleistungsbereich allgemein 30 Prozent und bei den Banken und Versicherungen sogar 50 Prozent." Für die Unternehmen in Saudi-Arabien ist das keine leichte Aufgabe, denn manch junger Araber sehe viele Arbeiten als eines Saudis unwürdig an, klagen besonders ausländische Unternehmer hinter vorgehaltener Hand.

In den Golfstaaten gebe es zwar mit Ausnahme von Bahrain kaum nennenswerte soziale Probleme, so Thomas Birringer. "Aber das neue Selbstbewusstsein der jungen Generation, die sich jetzt traut, ihre Probleme zu artikulieren, das sehen wir auch am Golf."

Saudische Schiiten demonstrieren in der Stadt Qatif am 9. März 2011 (Foto: AP)
Saudische Schiiten demonstrieren in der Stadt Qatif am 9. März 2011Bild: AP

Für den KAS-Experten Birringer ist allein schon wegen der großen Bevölkerung Saudi-Arabiens klar, dass das Herrscherhaus an weiteren Reformen nicht vorbeikommt: "Reformen sind nötig, wenn man das Land dauerhaft stabilisieren will. Und wenn sie nicht stattfinden oder nicht schnell genug stattfinden, dann ist wirklich die Stabilität des jeweiligen Landes in Gefahr." In Saudi-Arabien, so Birringer weiter, sei die Bevölkerung zum größten Teil äußerst konservativ, weshalb es klug sei, dass der König behutsam vorgehe. Doch der innenpolitische Druck durch unzufriedene Saudis, an denen der Ölboom bislang vorbeigegangen ist, und die hohe Arbeitslosigkeit zeigten, dass man sich mit den Reformen - etwa in der Wirtschaft - nicht ewig Zeit lassen dürfe.

Bildungsoffensive am Golf

Allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung mit einer immer größeren, häufig schlecht ausgebildeten jungen Bevölkerung muss die saudische Regierung alles daran setzen, das Bildungsniveau zu verbessern, meint Wirtschaftsvertreter Andreas Hergenröther: "26 Prozent des Staatshaushaltes gehen in den Bildungsbereich, das sind knapp 40 Milliarden US-Dollar." Geld spielt eben - fast - keine Rolle in Saudi-Arabien.

Doch wenn es um Machtbeteiligung geht, dann treten die saudischen Herrscher noch schneller auf die Bremse als andere Machthaber auf der arabischen Halbinsel. Dabei weiß niemand wirklich, wie es um die angeschlagene Gesundheit König Abdullahs steht, ob sein Nachfolger eher dem Reformflügel des Herrscherhauses angehören oder ein Hardliner sein wird. "Der Gesundheitszustand des Königs wird in Saudi-Arabien wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Man sieht ihn in den Medien immer nur von krankheitsbedingten Auslandsaufenthalten zurückkehren, nie aufbrechen", sagt Thomas Birringer.

Im Frühjahr kehrte König Abdullah überraschend aus Marokko zurück, als klar wurde, dass sich der Arabische Frühling immer weiter ausbreiten würde. "Offenbar war damals die Not so groß, dass der Regent dringend im Land gebraucht wurde", erinnert sich der KAS-Experte. Im Gepäck hatte der König damals bezeichnenderweise Geldgeschenke für seine Untertanen.

Noch liegt das Königreich im Windschatten der Arabellion. Doch, ob die Stabilität Saudi-Arabiens auch in Zukunft mit Geld garantiert werden kann - daran zweifeln viele Beobachter. Denn die jungen Menschen am Golf werden ganz genau verfolgen, wie die Entwicklung in den arabischen Nachbarländern weitergeht. Außerdem tragen Jahr für Jahr Millionen Pilger die Ideen des Arabischen Frühlings mitten hinein ins wahabitische Königreich - als Besucher der Pilgerstädte Mekka und Medina.

Autor: Thomas Kohlmann
Redaktion: Daniel Scheschkewitz