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Saubere Energie aus dem Untergrund

9. März 2010

Die Erde ist ein Backofen: 99 Prozent des Planeten sind heißer als 1000 Grad Celsius. Diese Erdwärme kann zur umweltfreundlichen Stromerzeugung genutzt werden. Auch arme Länder profitieren davon.

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Vulkan (Quelle: Fotolia)
Im Erdinneren geht es heiß her: Vulkan auf SumatraBild: Nika - Fotolia.com

Die alten Römer wussten, was gut ist. Heiße Quellen, aus denen schwefelhaltiges Wasser sprudelte, bauten sie zu Thermalbädern aus – eine Art Wellness-Oase für die Reichen und Mächtigen der Antike. Auch ihre Nachfahren machten sich die Tatsache zu Nutze, dass es im Erdinneren heiß her geht: In Italien entstand 1913 das erste Kraftwerk, das aus Erdwärme Strom produzierte und damit eine neue Form der Energieerzeugung bereitstellte: Geothermie.

Heute wird die Geothermie in zahlreichen Ländern der Erde genutzt. Besonders einfach geht das dort, wo die vulkanische Aktivität hoch und die Erdkruste dünn ist. Durch mehrere Kilometer tiefe Bohrungen in den Boden wird mehr als 200 Grad Celsius heißer Dampf freigesetzt, den man in speziellen Kraftwerken leicht in Strom umwandeln kann. Betrieben wird diese "Tiefe Geothermie" zum Beispiel in Neuseeland, auf den Philippinen und an der Westküste der USA.

Saubere Energie - weltweit

Geothermie-Kraftwerk (Quelle: Europäische Union)
Das erste Geothermiekraftwerk entstand in ItalienBild: European Union

Ein warmes Klima ist für die Nutzung von Erdwärme allerdings kein Muss: Das kühle Schweden ist bei der Beheizung von Gebäuden mit Wärmepumpen im internationalen Vergleich ganz vorne mit dabei. Bei dieser so genannten oberflächennahen Geothermie werden bis zu 400 Meter tiefe Löcher gebohrt, in denen rohrförmige Wärmetauscher abgesenkt werden, die die Erdwärme an die Oberfläche befördern.

Experten gehen davon aus, dass rein theoretisch der weltweite Energiebedarf mit Erdwärme dauerhaft gedeckt werden könnte. Und das äußerst umweltschonend: "Im Betrieb ist Geothermie hundertprozentig clean", sagt Stefan Dietrich vom Bundesverband Geothermie (GtV). In vielen Ländern Europas wird die Geothermie deshalb staatlich gefördert. Das ist auch notwendig: Generell ist die geographische Ausgangslage in Mitteleuropa eher schwierig, weil die zur Stromerzeugung notwendigen hohen Temperaturen erst in großer Tiefe erreicht werden.

Island: Beheizte Straßen

Ohne politische Förderung ist die Wirtschaftlichkeit von Geothermie in Mitteleuropa noch nicht gegeben", sagt Horst Kreuter von der NGO International Geothermal Association (IGA). Kreuter gibt sich zuversichtlich, dass die Unterstützung nicht dauerhaft gebraucht und die Geothermie zukünftig rentabel wird.

Baum vor dramatischem Wolkenhimmel (Quelle: dpa)
Geothermie ist umweltschonend - in Kenia steht ein Kraftwerk im Hell's Gate NationalparkBild: picture-alliance/dpa

Als Paradebeispiel für Einsatz und Rentabilität von Erdwärme gilt Island: Über die Hälfte des Energiebedarfs der Insel wird daraus gewonnen. Auch die benötigte Elektrizität kommt zu rund einem Fünftel aus Geothermie-Kraftwerken. Die Erdwärme ist so günstig, dass sogar einige Straßen der Hauptstadt Reykjavik im Winter beheizt werden.

Indonesien: Hoffnung auf günstigen Strom

Wie Island ist auch Indonesien eine Vulkaninsel. Das Land verfügt über sehr gute geologische Voraussetzungen für die Nutzung von Geothermie zur Stromerzeugung. Dennoch hat nur knapp die Hälfte aller Indonesier überhaupt Zugang zu Elektrizität, häufig gibt es Stromausfälle. Gerade für arme Länder eröffnet Erdwärme eine Aussicht auf billige, für alle Einwohner zugängliche Energie. Noch ist in Indonesien jedoch Strom aus Kohlekraftwerken günstiger als Strom aus Erdwärme.

"Die Geothermie kann einen signifikanten Beitrag zur Bekämpfung der Versorgungsprobleme leisten", sagt Thorsten Schneider von der KfW Entwicklungsbank, die den Bau eines Kraftwerkes in der indonesischen Provinz Aceh unterstützt. Ein großer Vorteil der Geothermie gegenüber Solar- und Windkraft bestehe darin, dass sie sehr zuverlässig Energie liefert und nicht von Wetterschwankungen beeinträchtigt wird. "Zudem würde durch das Kraftwerk der CO2-Ausstoß Indonesiens um rund 230.000 Tonnen pro Jahr reduziert werden", so Schneider.

Kenia: Erdwärme statt Wasserkraft

Warnschild vor Dampf, der aus einem Erdloch aufsteigt (Quelle: Susanne Henn)
Achtung, heiß: Diese Quelle auf Island liefert 180 Liter kochendes Wasser - pro Sekunde.Bild: Susanne Henn

Wo tektonische Platten aufeinander treffen, die auf dem heißen, flüssigen Gestein unter der Erdkruste schwimmen, ist die Erdbebengefahr hoch. Gerade in solchen Regionen finden sich jedoch oft optimale Bedingungen für die Nutzung von Geothermie.

So auch in Kenia, durch das sich der Ostafrikanische Grabenbruch zieht. Das Land ist weitgehend von Wasserkraft abhängig, aufgrund von Dürreperioden werden jetzt verstärkt alternative Energiequellen gesucht. Erdwärme ist eine Antwort: In Kenia gibt es mittlerweile acht Geothermie-Kraftwerke, unter anderem das Olkaria Kraftwerk im Hell's Gate Nationalpark nordwestlich von Nairobi.

Viele Chancen, wenig Risiken

"In Entwicklungsländern, die kein flächendeckendes Stromnetz haben, ist Geothermie überaus sinnvoll", sagt Stefan Dietrich. "Ein großer Vorteil der Erdwärme gegenüber herkömmlichen Energiequellen wie Atom- und Kohlekraftwerken liegt in ihrer Dezentralität" – die Länder wären weniger stark abhängig von großen Zentralkraftwerken oder riesigen Stromnetzen.

Bei aller Zukunftsfähigkeit und Umweltverträglichkeit ist aber auch die Geothermie nicht völlig risikofrei: Zu befürchten ist, dass die Bohrungen besonders in geographisch sensiblen Regionen Erdbeben auslösen können. "Wenn der Mensch im Untergrund aktiv wird, gibt es Risiken", bestätigt Horst Kreuter. "Bei der Geothermie sind sie aber sehr gering."

Autorin: Nele Jensch

Redaktion: Ranty Islam