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Sangay: Kampf für Sache Tibets geht weiter

Gabriel Dominguez, Roma Rajpal-Weiss 13. Juni 2014

Der Ministerpräsident der international nicht anerkannten tibetischen Exil-Regierung in Indien, Lobsang Sangay, will Tibet stärker in den internationalen Fokus rücken. Im DW-Interview erläutert er seinen Ansatz.

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Tibets Premierminister im Exil Lobsang Sangay (Foto: Picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Die Mutter des chinesischen Präsidenten Xi Jinping war Buddhistin, sein Vater unterhielt freundschaftliche Beziehungen zum Dalai Lama. Hat sich das aus Ihrer Sicht in einer veränderten Haltung der chinesischen Führung gegenüber den Minderheiten und insbesondere den Tibetern niedergeschlagen?

Nach uns vorliegenden Informationen sollen seit geraumer Zeit innerhalb der chinesischen Führung Diskussionen über die Minderheitenfrage stattfinden. In jüngster Zeit sollen in diese Diskussionen Beiträge von Experten zu Minderheiten und zu den Tibetern eingeflossen sein. Dennoch erkennen wir bislang noch keine veränderte Einstellung der chinesischen Führung, ebenso wenig wie eine Abkehr von der Politik der Unterdrückung in Tibet.

Chinas wachsender weltpolitischer Einfluss wird auch von der tibetischen Exilgemeinde registriert. So wird der Dalai Lama von immer weniger Regierungschefs empfangen. Arbeitet die Zeit für China?

Die chinesische Regierung übt auf verschiedene Regierungen dahingehend Druck aus, Seine Heiligkeit den Dalai Lama nicht zu empfangen. Dazu gehört, dass Peking Falschinformationen über die Zentrale Tibetische Verwaltung (die tibetische Exilregierung in Indien, Red.) und ihren "mittleren Weg" verbreitet.

Demgegenüber besteht bei der Bevölkerung weiterhin Interesse an Tibet. Für uns ist es wichtig, dass wir uns um ein größeres öffentliches Bewusstsein für die Sache Tibets und um stärkere Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft bemühen. Die Zeit arbeitet nicht für China, denn auch nach 60 Jahren chinesischer Besatzung geht die dritte Generation von Tibetern auf die Straße, um gegen die chinesische Hardliner-Politiker zu demonstrieren. Und das, obwohl diese Menschen doch die Nutznießer der Wohltaten sein sollen, die Peking für die Tibeter angeblich bereitstellt.

Die Ablehnung der chinesischen Politik und die Proteste dagegen gehen weiter. Gemeinschaftsgefühl und Solidarität zwischen Tibetern innerhalb und außerhalb Tibetes waren nie stärker als heute. Insofern wird der Kampf für die Sache Tibets nicht aufhören.

Chinas Außenminister hält sich in diesen Tagen zu Gesprächen mit dem neuen indischen Ministerpräsidenten Modi in Neu Delhi auf. Könnte eine stärkere Annäherung zwischen Indien und China den Status der tibetischen Exilregierung in Dharamsala gefährden?

Nein. Indien hat in seiner Tibet-Politik und im Verhältnis zu den Tibetern stets Kontinuität gezeigt, unabhängig davon, wer jeweils an der Regierung war. Wir gehen davon aus, dass das auch unter Narendra Modi nicht anders sein wird. Ich hoffe, dass der chinesische Außenminister das indische Modell der Einheit in Vielfalt zu würdigen weiß, denn dieses Modell ist die Grundlage für die staatliche Einheit des vielsprachigen Vielvölkerstaates Indien. Von einer vergleichbaren Politik Pekings gegenüber den Tibetern würden beide Seiten, China und Tibeter, profitieren.

Was genau erwarten Sie von der chinesischen Regierung?

Wir hoffen, dass die Regierung unter Xi Jinping ihren Hardliner-Ansatz überprüft und einen liberaleren Kurs gegenüber den Tibetern einschlägt. Ich hoffe, dass Präsident Xi Jinping den Dialog als einzigen Weg zur friedlichen Lösung der Tibet-Frage akzeptieren wird.

Inwieweit sind Sie zu Kompromissen mit Peking bereit?

Genau darum geht es bei der Politik des "mittleren Weges." Unser Ziel ist das Ende der Unterdrückung in Tibet. Wenn Tibet echte Autonomie im Rahmen der chinesischen Verfassung gewährt wird, werden wir keine Abspaltung von China anstreben.

Wie hat sich die jahrzehntelange chinesische Herrschaft auf Tibet ausgewirkt?

Die chinesische Herrschaft in Tibet war und ist durch politische Unterdrückung, gesellschaftliche Diskriminierung, wirtschaftliche Benachteiligung, Umweltzerstörung und kulturelle Assimilierung gekennzeichnet. Dies alles wird durch die chinesische Migration nach Tibet verstärkt, die bei der tibetischen Bevölkerung massive Ablehnung hervorruft.

Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass es zu einer Wende in der chinesischen Tibet-Politik kommen wird?

Früher oder später muss China einsehen, dass seine Politik der harten Hand nicht funktioniert. Die rund 130 Selbstverbrennungen der letzten Jahre – die wir nicht billigen – sollten der chinesischen Regierung die deutliche Botschaft vermittelt haben, dass es höchste Zeit ist, dass es zwischen den Gesandten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und den Vertretern der chinesischen Regierung zu einem Dialog kommt.

Ist die Politik der harten Hand, die die chinesischen Behörden in Xinjiang verfolgen, mit derjenigen in Tibet vergleichbar?

Ja. Vom Beginn der Besatzung an bis zum heutigen Tag ist die Behandlung der Tibeter und der Uiguren ähnlich gewesen. 60 Jahre Unterdrückung haben kein Ergebnis gebracht. Es ist Zeit, dem Ansatz des "mittleren Weges" eine Chance zu geben, für die Würde des tibetischen Volkes, für Harmonie mit China und für den Frieden.