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Ein kleines Paradies: Die Sächsische Schweiz

Isabelle Fabian10. Januar 2012

Das Elbsandsteingebirge südöstlich von Dresden zeichnet sich durch Felsen entlang des Flusses Elbe aus. Zwischen diesen schroffen Steinen kann man durch unberührte Landschaft wandern und rund 1100 Gipfel besteigen.

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Herbstlicher Fruehnebel zieht am Dienstagmorgen (07.09.10) in der Saechsischen Schweiz bei Rathen aus dem Elbetal heraus an den Gipfeln des Gebirges vorbei. Fuer die kommenden Tage sagen die Meteorologen eher regnerisches Wetter voraus. Foto: Norbert Millauer/dapd.
Sächsische Schweiz PanoramaBild: dapd

Im Kirnitzschtal scheinen die Uhren stehen geblieben zu sein. Eine ewig lang erscheinende Straße führt an alten Mühlen vorbei, von denen einige als Gasthäuser genutzt werden, wie mir mein Begleiter, der ortkundige Thorsten Kutschke erzählt. Am Beuthenwasserfall, der vier Meter in die Tiefe stürzt, beginnt unsere Wanderung. Thorsten Kutschke, mein Wanderführer und ich schnüren unsere Schuhe, und dann geht es einen festen Waldweg relativ schnell bergan. Wir kommen an Wegweisern vorbei. Sie führen zu den "Schrammsteinaussichten", dem "Kleinen Winterberg" oder zur "Hohen Liebe".

Ich finde jedoch keinen Hinweis auf den Klettersteig, den sich Thorsten Kutschke mit mir vorgenommen hat. Der 41jährige ist im Hauptberuf Fernsehmoderator. Schon als kleiner Junge war er mit seinen Großeltern im Elbsandsteingebirge unterwegs. Er kennt fast jeden Felsen und seine Besonderheiten: "Ich muss ungefähr fünf Jahre alt gewesen sein, da war ich mit meinem Opa am Falkenstein. Ein 80 Meter hoher Koloss. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man dort hoch klettern kann", erinnert sich der passionierte Kletterer. Dort habe die sächsische Klettergeschichte ihren Anfang genommen. Das habe ihn sehr beeindruckend.

Hinweisschilder für Wandertouren in der Sächischen Schweiz/ Elbsandsteingebirge (Foto: DW)
Wer die Wahl hat, hat die QualBild: DW

Stufen und Stahlbügel ohne Ende

Nach einem kurzen Anstieg von gut 15 Minuten stehen wir vorm Bloßstock, einem gewaltigen Felsen, so steil wie eine Wand. Beim genaueren Betrachten erkenne ich an diesem gelblich bis braunen Stein ein paar wenige Haken. – Der Bloßstock ist ein sehr anspruchsvoller Kletterfelsen mit Schwierigkeitsgrad 9. Darunter liegt jede Menge Sand, den der Regen vom Gestein ausgewaschen hat. Hier verlassen wir den ausgezeichneten Wanderweg. Ein Schild mit einem schwarzen Dreieck weist daraufhin, dass nun ein Klettersteig beginnt. Eine Holztreppe führt weiter nach oben. Es folgen Stufen aus Stein, rund und ausgetreten. 516 Stufen sind es bis zur Häntzschelstiege, erzählt Thorsten Kutschke. Er liebt diesen Ort. Mindestens ein Dutzend mal hat er den Klettersteig schon überwunden, deshalb traut er sich den Aufstieg auch ohne Sicherung zu. Ungeübten empfiehlt Kutschke, sich mit einem Klettersteigset zu sichern. Damit kann man sich an einem Stahlseil abwechselnd mit zwei Karabinern einhaken.

Mich kosten schon die ersten Schritte ein wenig Überwindung - trotz Sicherung. Aber der Profi muntert mich auf: "Wenn man diese Schlüsselstelle überwunden hat, schafft man auch den Rest." - Bis der erste Karabiner in das Sicherungsstahlseil eingehängt werden kann, muss ich mich an mehreren Eisenstahlbügeln entlang hangeln.

Angelegt wurde die Stiege in den 1960er Jahren von Rudolf Häntzschel: "Auch wenn das damals schon Landschaftsschutzgebiet war und man tunlichst nichts an den Felsen verändern sollte, hat der alte Häntzschel auf Schrottplätzen, Leitern, Stahlseile, Eisenstifte, alte Balken und Eisenbahnbohlen zusammengetragen", erzählt Thorsten Kutschke nicht ohne Bewunderung. Das Material habe sich Häntzschel hier hoch transportieren lassen, um dann illegal an den Felsen herum zu zimmern. Niemand habe sich letztendlich getraut diese Stiege wieder einzureißen.

Klettern in der DDR

Kletterführer Thorsten Kutschke auf der Haentzschelstiege im Elbsandsteingebirge/ Sächsische Schweiz (Foto: DW)
Immer nach oben schauen: Thorsten KutschkeBild: DW

Das Klettern war nach dem Zweiten Weltkrieg bei den politischen Machthabern der DDR verpönt. Da das Erklimmen der Felsen in der Region aber eine lange Tradition hatte, schrieben passionierte Bergsteiger 1957 einen Brief an den obersten Sekretär der Staatspartei SED mit dem Hinweis, dass der Bergsport auch zu Charakterstärke und moralischen Qualitäten erziehe. – Die Affensteine, zu denen die Häntzschelstiege gehört, waren besonders beliebt bei den Bergsportlern. Woher die Affensteine ihren Namen haben, kann sich Thorsten Kutschke auch nicht erklären. Vermutlich aber weil man sich hier beim Klettern gebückt bewegt, wie ein Affe und weil die bizarren Felsformen, mit viel Fantasie betrachtet, aussehen wie Affenköpfe. – In der Sächsischen Schweiz hat jeder Fels seine Bedeutung. Der "Kuhstall" erhielt seinen Namen, weil bei schlechtem Wetter dort Kühe untergestellt wurden", erklärt Thorsten Kutschke.

Boofen – Eine Besonderheit in der Sächsischen Schweiz

Der untere Teil der Stiege ist geschafft. Wer nicht schwindelfrei ist, kann den Klettersteig verlassen und auf halber Höhe um die Affensteine herumwandern. Wer sich ein wenig auskennt, findet eine versteckte Boofe, einen Felsüberhang, in der es sich Übernachten lässt. Früher sind die Leute mit der Bahn hier rausgefahren und haben dann in der Natur geschlafen. Heute sind freie Übernachtungsstellen markiert. Boofen gehört in Sachsen zum einfach Klettern dazu.

Auf halber Höhe der Häntzschelstiege verrät mir Thorsten Kutschke noch ein Geheimnis. Am Horizont ist schwach ein Hügel zu erahnen – der Rosenberg. Diesen Berg soll Caspar David Friedrich in seinem Bild "Wanderer über dem Nebelmeer" festgehalten haben.

Kamin und Langes Horn – atemberaubend schön

Der obere Teil der Häntzschelstiege beginnt mit einem schmalen Durchstieg, "Kamin" genannt. Mein Bergführer schiebt sich durch den schmalen Felsspalt, mit Rucksack auf dem Rücken fast ein Unding. Kaum Sonnenlicht fällt hier hinein. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, erblicke ich eine Leiter, die mehrere Meter nach oben führt. Dann folgen wieder unzählige Eisenbügel, an denen wir uns über der Felsspalte entlanghangeln. 160 Höhenmeter haben wir beim Aufstieg der Häntzschelstiege überwunden.

Zwei Kletterer sitzen auf dem Gipfel der "Lokomotive", einem Berg aus der Felskette des Elbsandsteingebirges (Foto: AP)
Zwei Kletterer auf einem BergBild: AP

Der 240-Grad-Panoramablick auf dem Plateau, dem "Langen Horn", entschädigt uns allemal für die Mühsal. Von der "Schrammsteinkette", dem "Falkenstein", über den "Lilienstein" bis hin zur "Festung Königstein", wo einst August der Starke residierte, kann ich sehen. – Die Gipfelrast mit Brötchen und Knackwurst rundet mein Wohlgefühl ab. Frisch gestärkt können wir den Abstieg wagen.

Wer noch Lust auf mehr Abenteuer hat, der kann die "Zwillingsstiege" bezwingen. Wir entscheiden uns für den Weg durch die "Wilde Hölle" zurück ins Tal. Es geht durch wildromantische Schluchten und vorbei an kleineren Felsen. Am Ende der Tour weiß ich, dass ich wieder hierher kommen werde.

Isabelle Fabian am "Kamin", einer engen Passage am Haentzschelstieg im Elbsandsteingebirge (Foto: DW)
DW-Reporterin Isabelle Fabian am Kamin, der nicht rauchtBild: DW