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Russische Kehrtwende in Syrien

Daniel Scheschkewitz20. März 2012

Russland ändert seine Haltung zu Syrien und will unter bestimmten Bedingungen einer UN-Resolution zustimmen. Kofi Annans diplomatische Mission erhält damit Rückenwind, meint Daniel Scheschkewitz.

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Symbolbild Kommentar (DW-Grafik)

Der Druck auf Russland war offenbar zu groß geworden. Seit Wochen stand das Land wegen seiner Blockadehaltung und dem unbeirrten Festhalten am skrupellosen Alleinherrscher Baschar al-Assad in der internationalen Kritik. Von Vasallentreue zum letzten Diktator im Nahen Osten war die Rede, und davon, dass Russland in diesem Konflikt auf der falschen Seite der Geschichte stünde.

Gebetsmühlenartig hatte sich Russlands Außenminister Lawrow die berechtigten Vorwürfe seiner westlichen Amtskollegen immer wieder anhören müssen. Beim Treffen mit seiner US-amerikanischen Amtskollegin Hillary Clinton bei der Sicherheitskonferenz im Februar in München soll es sogar laut geworden sein. Doch steter Tropfen höhlt den Stein. Nun hat sich Russland eines Besseren besonnen und die Unterstützung einer Syrienresolution angekündigt, falls die internationale Staatengemeinschaft auf ein Ultimatum an Assad verzichtet. In der Folge einigte sich der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch (21.03.2012) auf eine gemeinsame Erklärung, in der Syrien zur Umsetzung eines internationalen Friedensplans aufgefordert wird.

Moskaus späte Einsicht

Eine fulminante Kurskorrektur, auch wenn sie mit dem Bemühen um Gesichtswahrung verbunden ist. Einen Blankoscheck für eine vom Völkerrecht sanktionierte Militärintervention in Syrien wird Russland auch in Zukunft kaum ausstellen. Für die Lösung der Syrienkrise könnte dies trotzdem einen wichtigen Durchbruch bedeuten. Zum ersten Mal hat Kofi Annan als Sonderbeauftragter nun die volle Rückendeckung der internationalen Staatengemeinschaft. Der UN-Sicherheitsrat wird auch völkerrechtlich wieder handlungsfähig.

DW-Redakteur Daniel Scheschkewitz (Foto: DW/Per Henriksen)
DW-Redakteur Daniel ScheschkewitzBild: DW

Das ist vor allem im Hinblick auf seine Schutzverpflichtung gegenüber der syrischen Zivilbevölkerung von großer Bedeutung und kommt zu einem Zeitpunkt, da sich die humanitäre Lage im Lande zuspitzt. Schon sind mindestens 200.000 Syrer im Lande auf der Flucht vor der täglichen Gewalt. Geschätzt 30.000 Menschen sind bereits über die Grenzen geflohen. Ein Erfolg oder Scheitern der Mission Annans hängt an einem seidenen Faden und könnte für viele Menschen lebensentscheidend sein. Assad hatte bislang im Vertrauen auf die stillschweigende Unterstützung durch den Verbündeten Russland nur verbale und rein taktische Zugeständnisse gemacht. Jetzt kann er sich nicht mehr hinter dem breiten Rücken Moskaus verstecken. Er wird sich in zentralen Punkten bewegen müssen.

Rückenwind für Annans Friedensplan

Ein Waffenstillstand und das Ende der unmittelbaren militärischen Gewalt gegen Zivilisten in den Rebellenhochburgen gehören ebenso dazu, wie der ungehinderte Zugang für das Internationale Rote Kreuz, um Verletzte aus den Kampfgebieten zu bergen. Dies sind die Kernpunkte des bisher unveröffentlichten Annan-Plans. Sollte sich Assad in diesen Punkten nicht entscheidend bewegen, wird ihn Russland schon bald fallenlassen. Das ist schon heute absehbar. Dann wird ihm auch das aus Russland angehäufte Waffenarsenal nicht mehr lange weiterhelfen, zumal Saudi-Arabien längst mit der gezielten Aufrüstung sunnitischer Kämpfer in Syrien begonnen hat. Dies ist eine fatale Entwicklung. Auch die Arabische Liga muss nun ihrerseits dafür sorgen, dass diese Waffenlieferungen unterbleiben, damit der syrische Bürgerkrieg nicht weiter angeheizt wird.

Startschuss für diplomatischen Marathon

Dazu wäre bei einem Treffen der Arabischen Liga in der kommenden Woche in Bagdad Gelegenheit. Da soll dann auch darüber gesprochen werden, auf welche Grundlage eine neue Beobachter-Mission in Syrien gestellt werden müsste, damit sie die Umsetzung der Annan-Pläne wirksam überwachen kann. Die UNO und Kofi Annan stehen ersten am Anfang eines möglicherweise langen diplomatischen Marathons. Moskau hat nun den Weg für dieses Rennen freigemacht.

Am Ziel muss der Beginn eines glaubhaften politischen Reformprozesses stehen. Dazu wird sich auch die Opposition in Syrien auf ein einheitliches Vorgehen einigen müssen. Davon ist man allerdings noch weit entfernt. Annan wird auch hier das Gespräch suchen müssen. Damit Syriens Bürgerkrieg nicht zu einem Flächenbrand wird, der auch auf den Libanon übergreift, müssen alle diplomatischen Kräfte gebündelt werden. Die Aufgabe der russischen Blockadehaltung kann da nur hilfreich sein.