1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rote Rosen für die Unabhängigkeit

Hans-Günter Kellner24. April 2014

Kataloniens Regierungschef Artur Mas möchte am 9. November die Bevölkerung über eine Loslösung von Spanien abstimmen lassen - und riskiert damit den offenen Verfassungsbruch. Ein Dialog mit Madrid scheint kaum möglich.

https://p.dw.com/p/1BnkF
Rosen in Plastikhüllen mit den katalanischen Farben (rot und gelb) und einem Stern
Bild: DW/Kellner

Die Blumenstände tauchen die Plaça de Catalunya im Zentrum Barcelonas in dunkles Rot. Von hier, von Katalonien aus zog der Brauch, sich zum 23. April rote Rosen und Bücher zu schenken, in die Welt. Doch längst sind die Rosen auch zum Beweis politischer Überzeugung geworden. Sie sind eingewickelt in eine Folie, die entweder mit den gelb-roten Farben der katalanischen Fahne bedruckt ist - oder sogar mit einem zusätzlichen Stern, der für die Forderung nach Unabhängigkeit steht.

Am 9. November dürften die Katalanen ja wohl darüber abstimmen, ob sie die Unabhängigkeit wollen oder nicht, erklärt Roger Fernández an seinem Rosenstand in Barcelona die Rosen mit der Unabhängigkeitsflagge. Er warnt aber auch: "Die Leute haben große Hoffnungen. Aber an große Veränderungen glaube ich nicht. Wir wissen ja, wie das wirtschaftliche System funktioniert."

Gegen die Verfassung

Ob tatsächlich abgestimmt wird, ist jedoch mehr als zweifelhaft. Das spanische Verfassungsgericht hat eine Abstimmung über die Unabhängigkeit bereits als Verstoß gegen die demokratische Verfassung bewertet. Die garantiert den Regionen zwar den Schutz ihrer Autonomierechte. Aber sie spricht auch von einem unteilbaren Spanien, dessen Souverän zudem alle Spanier seien, nicht nur ein Teil von ihnen wie etwa die Katalanen.

Tag des Buches in Katalonien
Rosen ohne die katalanischen Farben verkaufen sich weniger gutBild: DW/Kellner

Das spanische Parlament hat darum Anfang des Monats ein katalanisches Unabhängigkeitsreferendum abgelehnt. Trotzdem hält Kataloniens Regierungschef Artur Mas an seinem Vorhaben fest. Er werde die Volksbefragung am 9. November abhalten. Sei dies nicht auf Grundlage der spanischen Gesetze möglich, wolle er sich vom katalanischen Regionalparlament dazu legitimieren lassen.

"Gut für Katalonien und gut für Spanien"

Mas betont, eine solche Volksbefragung sei rechtlich nicht bindend. Allerdings wolle er, sollte sich eine große Mehrheit für eine Loslösung aussprechen, mit Spanien darüber verhandeln. Auch die Europäische Union solle dann eine Rolle spielen. Sie solle vermitteln, um eine Lösung zu finden, die "gut für Katalonien, gut für Spanien und auch gut für Europa ist", sagt Mas.

Um seinem Plan Nachdruck zu verleihen, hat Mas zum Tag des Buchs internationale Medienvertreter in seinen Regierungspalast im Zentrum Barcelonas eingeladen. Die spanische Presse sieht das als Versuch, den Konflikt mit Madrid auf eine internationale Bühne zu heben. Doch die meisten EU-Staaten halten den Streit eher für ein innerspanisches Problem, sagen den Katalanen, sie sollten sich mit der spanischen Regierung einigen. Mitglieder der EU-Kommission haben zudem wiederholt erklärt, ein unabhängiges Katalonien werde nicht automatisch Mitglied der Europäischen Union sein, eine Aufnahme bedürfe der Zustimmung aller EU-Partner, auch der Spaniens.

Tag des Buches in Katalonien Artur Mas
Artur Mas hält die Frage nach der Ablösung nicht nur für ein innerspanisches ProblemBild: DW/Kellner

Dritter Vorschlag: Spanien als Föderalstaat

Keine der Konfliktparteien verweigert sich offiziell einem Dialog. Doch Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy fordert, Mas solle vor Verhandlungen auf das Referendum verzichten, schließlich müsse er die Verfassung seines Landes respektieren. Der Katalane will hingegen nur mit Madrid verhandeln, wenn es dabei um das Referendum geht. Schließlich hätten 80 Prozent der Abgeordneten des Regionalparlaments für die Befragung gestimmt. So stehen die Forderungen beider Seiten den Gesprächen im Weg.

Doch nicht jeder in Katalonien mag dem nationalistischen Kurs folgen. Die katalanischen Sozialisten etwa fordern eine Verfassungsänderung. Aus Spaniens Staat der 17 „Autonomen Gemeinschaften“, die meist bilateral mit der spanischen Regierung über ihre Kompetenzen und Finanzierung verhandeln, solle ein echter Föderalstaat nach deutschem Vorbild werden, aus dem Senat eine Regionalkammer. Doch dieser Lösungsvorschlag klingt kompliziert, er geht zwischen den einfachen Antworten der Regierungen in Madrid und Barcelona unter.

Wen interessiert's?

Während Artur Mas zum Tag des Buchs in seinem Regierungspalast Werbung für seine Abspaltungs-Pläne macht, bewerben an jeder Ecke Autoren bei Verlagsständen ihre Bücher. Darunter auch der katalanische Philosophieprofessor Manuel Cruz. In seinem neuesten Werk analysiert er seine Heimat. Der Titel: "Eine in sich gekehrte Gemeinschaft".

Tag des Buches in Katalonien
Autor Cruz spricht von einer "schlimmen Nabelschau"Bild: DW/Kellner

In Katalonien drehe sich alles schon sehr lange fast ausschließlich um die Frage der Unabhängigkeit, erklärt Cruz sein Buch. "Und die Leute sind überzeugt, dass sich die gesamte Menschheit für uns interessiert. Hier wird eine schlimme Nabelschau betrieben." Artur Mas habe allen europäischen Regierungen Briefe geschickt. Kaum eine habe geantwortet. "Aber wer das regionale Fernsehen schaut, gewinnt den Eindruck, die ganze Welt würde auf uns blicken. Wir schauen uns immer nur selbstzufrieden an und sind immun für jede Kritik", sagt der Philosoph.

Auch Blumenverkäuferin Merche verweigert sich dem Sog, zu dem die Sezessionsbewegung geworden ist. Sie verkauft auch dieses Jahr keine Blumen mit dem Stern, "weil ich nicht für die Unabhängigkeit bin", sagt sie. Auch wenn sie dabei harte Einbußen hinnehmen muss. Früher habe sie zum Tag des Buchs mindestens 500 Rosen verkauft. Heute seien es höchstens noch 100, sagt sie.