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Roma und Bildung - raus aus der Sackgasse

Zoran Arbutina25. September 2013

Zur Minderheit der Roma gehören besonders viele junge Menschen unter 30. Doch ihre Bildungschancen sind schlecht: Eine Folge von Armut und Ausgrenzung.

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Roma-Kinder in einem Flüchtlingslager im Nordkosovo (Foto: Jens Kalaene)
Bild: picture alliance/ZB

Roma werden sowohl in ihren Herkunftsländern in Mittel- und Südosteuropa als auch in den westlichen Industrieländern ausgegrenzt und gehören zu den Ärmsten der Gesellschaft. Dabei "liegt die Integration von Roma im Interesse aller Mitgliedsstaaten der EU", betont Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und EU-Justizkommissarin. Als einen der Schlüssel für die gelungene Integration nennt sie den "ungehinderten Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt". Eine Investition in die Ausbildung der Roma sei eine Investition in die Zukunft, so Reding.

Dabei ist die fehlende Bildung nicht ein Problem der ethnischen Zugehörigkeit, sondern in der ersten Linie eine Folge der Armut, betont Barbara Lochbihler, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, auf der internationalen Konferenz "Zur Bildungssituation von Roma in (und aus) Südosteuropa: Anspruch und Wirklichkeit", die von der Südosteuropa-Gesellschaft in Kooperation mit der Deutschen Welle im Bonner Funkhaus der DW veranstaltet wurde.

Video-Botschaft von EU-Justizkommissarin Viviane Reding (Foto: DW)
Videobotschaft von EU-Justizkommissarin Reding auf der Roma-Konferenz im Funkhaus der DW in BonnBild: DW/A. Schottka

Erwachsenenbildung berücksichtigen

"90 Prozent der europäischen Roma leben unterhalb der Armutsgrenze und nur zehn Prozent aller europäischen Roma-Kinder besuchen eine weiterführende Schule", sagt Lochbihler: Der Zusammenhang zwischen Armut und mangelnden Bildungschancen müsse berücksichtigt werden. Außerdem wirke sich auch die fehlende Bildung der Eltern negativ auf die Kinder aus. "Es ist schwer, die Eltern über die Kinder zu erreichen und sie haben meistens kein Verständnis dafür, dass es ein zusätzlicher Wert für das Kind wäre, eine Grundbildung zu bekommen." Daher sei es sehr wichtig, dass man in Rahmen der EU-Förderprogramme für die Integration der Roma auch die Erwachsenenbildung berücksichtige.

Wie wichtig für den Bildungserfolg der Kinder die Unterstützung der Eltern ist, weiß auch Romeo Franz, Vorsitzender der Bildungs- und Kulturinitiative der Sinti und Roma in Deutschland, der für die Partei Bündnis90/Die Grünen in den Bundestag einziehen wollte. Er stammt aus einer deutschen Sinti-Familie, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg im bürgerlichen Milieu etabliert war, dann aber von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. "Ich hatte das große Glück, dass meine Großmutter die Schule abschließen konnte und eine Ausbildung anfing, bevor sie flüchten musste. Als meine Brüder und ich dann in den 1970er Jahren in die Schule gingen, hat uns unsere Großmutter bei den Hausaufgaben geholfen", erzählt Franz.

Romeo Franz (Foto: DW)
"Bildung ist abhängig vom sozialen Status", kritisiert Grünen-Politiker Franz

Als Aktivist für die Rechte der Sinti und Roma hat er auch mehrere Roma-Siedlungen in Serbien und Bulgarien besucht, die viele Roma verlassen, um nach Deutschland zu kommen. Die meisten leben dort in maroden Häusern, ohne Arbeit und ohne Krankenversicherung. In dieser Situation gebe es nur wenige Kinder, die zur Schule gehen würden, denn "die Bildung ist abhängig vom sozialen Status", so Franz. Das sei aber auch in Deutschland nicht anders: "Wir sehen, dass sehr viele Kinder, die in sozialen Brennpunkten leben, auf Lern- und Förderschulen gehen - und damit ist ihr Schicksal eigentlich schon besiegelt."

Verborgene Identitäten

Doch es gibt auch Roma, die trotz dieser schweren Umstände einen akademischen Abschluss haben. Zu einem besseren gesellschaftlichen Ansehen der Roma würden sie allerdings kaum beitragen, denn "die meisten verlassen ihre Community genauso wie ihren Herkunftsort", erklärt Ilona Tomova vom Zentrum für Bevölkerungsstudien der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia. Zum Beispiel in Bulgarien würden sie ihre Identität als Roma ablegen. Sie "werden zu Bulgaren oder zu Angehörigen der türkischen ethnischen Minderheit". Nur etwa ein Fünftel der Roma mit Studienabschluss in Bulgarien stehen zu ihrer Herkunft.

Auch Nizaqete Bislimi kennt diese Identitätsprobleme. Sie ist Ende der 1990er Jahre als 14-Jährige mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Sie wurden, wie viele andere Roma im Kosovo, von albanischen Nationalisten bedroht und mussten fliehen. Als abgelehnte Asylbewerber lebten die Familienmitglieder in Deutschland ständig mit der Angst, abgeschoben zu werden. Trotz vieler Hindernisse ging Nizaquete zur Schule, hatte gute Zeugnisse und wollte Jura studieren. Ihre Roma-Herkunft wollte sie dabei lieber nicht in den Vordergrund stellen: "Ich hatte schon genug Probleme mit meinem ungesicherten Status, und hatte genug damit zu kämpfen. Meine Freunde wussten, was ich bin, aber dass ich eine Romni bin, das habe ich erst in den letzten Jahren so offensiv gesagt, nachdem ich aufenthaltstrechtlich abgesichert war." Vorher hatte sie auf die Frage nach ihrer Herkunft nur geantwortet, sie komme aus dem Kosovo.

Nizaqete Bislimi (Foto: picture alliance)
Juristin Bislimi: "Erst in den letzten Jahren so offensiv gesagt, dass ich Romni bin"Bild: picture-alliance/dpa

Denn auch in Deutschland werden Roma oft gesellschaftlich abgelehnt und diskriminiert. Laut einer Studie der Universität Bielefeld sagen 40 Prozent der Deutschen, sie würden nicht in der Nachbarschaft von Sinti und Roma wohnen wollen. Und mehr als jeder Vierte forderte, Sinti und Roma sollten "aus deutschen Innenstädten verbannt werden". Eine wichtige Rolle in der gesellschaftlichen Meinungsbildung hätten dabei Medien, sagt Erik Bettermann, scheidender Intendant der DW: "Man kann sehr leicht bei Minderheiten mit Vorurteilen heute populistisch auftreten, aber die Medien müssen aufpassen, dass sie so objektiv wie möglich als Beobachter und Beschreibender die gesellschaftlichen Prozesse darstellen." Die Medien könnten Integration fördern, indem sie Information und Wissen vermitteln.