Rock Around The Clock

Mitte der 1950er Jahre war ich, wie man damals sagte, ein "Halbstarker". Also zwischen 14 und 16 Jahre alt und gegen alles, was sich meiner Meinung nach in den Weg stellte. Gerade in der ehemaligen DDR, in der ich aufwuchs, wurde die aufmüpfige Jugend kritisch beäugt.

Musik und Aufbegehren, das war auch zu dieser Zeit eine gegebene Kombination. Die Musik war das Ventil gegen alles und jeden. Da kam es wie gerufen, dass über den großen Teich, aus den USA, eine neue Musikrichtung nach Europa schwappte, der "Rock'n'Roll". In Rhythmus, Instrumentierung, Interpreten und Texten besaß er alles, was diesem Drang nach Explosion Ausdruck verleihen konnte. Für uns junge Leute in der Ostzone brachte in dieser Zeit ein gewisser Bill Haley die musikalische Wende: Mit wilden Zuckungen und Verrenkungen sowie explosivem Toben war diese Musik ideal zum Protestieren gegen das Staatssystem. Haley war, zumal zur gleichen Zeit auch noch Elvis Presley auftauchte, der musikalische Ausdruck eines unsortierten und durchaus undifferenzierten Protestgefühls. "Wir sind dagegen!". Ein Sound also, der vieles auf einfache Weise kanalisierte – und uns dabei glücklich machte.

Wie es auch immer gelang, zu einer Platte des ja offiziell verbotenen Rock’n’Roll zu kommen, weiß ich heute nicht mehr so genau. Jedoch, eines schönen Tages, kam ich über diverse "Beziehungen" zu einer kleinen schwarzen Schelllackscheibe der Firma "Brunswick" . Sie ahnen es: Es war "Rock Around The Clock", gespielt von "Bill Haley and his Comets". Wie viele tausend Mal sie heiß lief auf den Plattentellern, kann ich nicht mehr sagen. Es gab nur eins: Wir rockten nach diesem Stück, natürlich hinter strikt geschlossenen Türen und Fenstern, meist in Kellern - wie Verschwörer...

Bis es auf einmal – die Platte ging ja ständig auch von Hand zu Hand – einen Knacks im Schellack gab. Wie von einem Stück abgebissenem Kuchen verlor die "Brunswick" einen entscheidenden Teil ihrer gerillten Rundung und war ab sofort nicht mehr abspielbar. Noch Wochen danach gab es echte Trauer um das nie mehr auflegbare gute Stück. Heute erinnert sie mich immer noch, sicherheitshalber gerahmt, an die wilden Zeiten – und den Sound meiner Jugend...

Einsendung: León Wolfgang aus Deutschland
Bearbeitung: Kerstin Boljahn

Rock and Roll beschreibt eine amerikanische Musikrichtung, die in den 1950er und frühen 1960er Jahren entstand und vor allem als Ausdruck der Jugend-Rebellion gesehen wurde. Der Rock n Roll spaltet die Gesellschaft, das Establishment reagiert geschockt auf die jungen Wilden und ihr neues Lebensgefühl und fürchtet ein unmoralisches, sittenverderbendes Leben. Doch der Rock and Roll setzte sich durch, eine neue Musik-Ära entstand.