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Roboter lernen wie Kinder

Lydia Heller22. August 2012

Damit Roboter effektiv eingesetzt werden können, müssen sie bisher noch aufwändig programmiert werden. Jetzt suchen Informatiker nach Wegen, ihnen das Lernen beizubringen.

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Forschungsroboter ICub (Foto: Jochen Lübke dpa/lni)
Bild: picture-alliance/dpa

Lars Schillingmann sortiert Spielzeugbecher. In einem abgedunkelten Raum des Roboter-Foschungslabors "Research Institut for Cognition and Robotics" der Universität Bielefeld (CoR-Lab) sitzt der Informatiker an einem Tisch, umgeben von Monitoren, auf denen Programmcode läuft und Grafiken flimmern. Er stapelt Becher in Becher in Becher.

"Schau mal!", sagt er langsam und artikuliert zu seinem Gegenüber, während er die Becher nacheinander in die Höhe hebt: "Der rote Becher kommt in den gelben und der gelbe in den blauen." "Rot!, Gelb!, Blau!", sagt daraufhin eine Computerstimme. Lars Schillingmanns Gegenüber scheint verstanden zu haben. Es ist ICub, ein Forschungsroboter. Groß wie ein Kindergartenkind, mit weißem Plastikkopf, Kulleraugen und Pausbäckchen, mit Beinen, Armen und Händen – speziell entwickelt, um die Entwicklung von Wahrnehmung zu erforschen.

Forscher Lars Schillingmann mit Roboter ICub (Foto: Universität Bielefeld / CITEC) Wann wurde das Bild gemacht?: 2011 Wo wurde das Bild aufgenommen?: CoRLab, Universität Bielefeld Bildbeschreibung: Bei welcher Gelegenheit / in welcher Situation wurde das Bild aufgenommen? Wer oder was ist auf dem Bild zu sehen? Diplom-Informatiker Lars Schillingmann im Experiment mit Forschungsroboter ICub, Zuordnungsexperiment: ICub verfolgt Bewegungen und Handlungsbeschreibungen von L. Schillingmann, um sie später selbstständig zu wiederholen.
Welcher Becher hat welche Farbe und in welchen anderen Becher soll er gestapelt werden?Bild: Presse Universität Bielefeld/CITEC

Forschungsroboter ICub: auf Lernen programmiert

Über Kameras sieht ICub, was ihm gezeigt wird. Über Mikrofone kann er hören, was gesagt wird. Dabei ist der Roboter so programmiert, dass er auf Veränderungen reagiert, auf Bewegung etwa oder auf eine Änderung der Stimmstärke. Schillingmann zeigt auf eine der Grafiken: "Hier sieht man, welche Hinweise ICub auswertet. Er registriert, wenn sich etwas in dem Bildausschnitt, den er wahrnehmen kann, verändert. Zum Beispiel erkennt er, was bunt ist und wohin sich das Bunte bewegt. Und er achtet darauf, wann ich zu sprechen beginne und wann ich wieder aufhöre."

Dabei gelte: Je mehr Veränderungen der Ausgangssituation gleichzeitig auftreten, desto interessanter ist es für den Roboter und desto eher wird er die registrierten Signale miteinander verknüpfen. Auf diese Weise lernt er nach und nach, von Menschen ausgesendete visuelle und akustische Informationen selbstständig in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen.

Programmieraufwand erschwert flexiblen Einsatz von Robotern

Bereits seit 2007 arbeiten Informatiker des CoR-Lab zusammen mit Ingenieuren und Neurowissenschaftlern, Psychologen und Linguisten an der Entwicklung von Maschinen, die sich an menschliches Verhalten anpassen und von Menschen lernen können. Denn: Je allgegenwärtiger Roboter am Arbeitsplatz oder im Haushalt würden, desto notwendiger werde es, dass sie flexibel mit den Menschen interagieren könnten. Zwar werde inzwischen eine ganze Reihe verschiedener Modelle von Haushalts- oder Servicerobotern getestet, effektiv einsetzbar seien diese allerdings zumeist nicht, betont Sven Behnke, Professor für praktische Informatik an der Universität Bonn.

Er selbst entwickelt zusammen mit Studenten den Haushalts-Service-Bot Cosero – und kennt dessen Grenzen. "Auf den Roboter-Weltmeisterschaften letztes Jahr hat Cosero beispielsweise einen Pfannkuchen gebacken", erzählt Behnke. Der Roboter habe eine Flasche mit Eierteig gegriffen, eine Kochplatte eingeschaltet, auf der eine Pfanne stand und den Teig in die Pfanne gegossen. "Aber das ist ein starr programmierter Handlungsablauf, der viele Dinge voraussetzt: Zum Beispiel, dass es da genau so eine Kochplatte gibt und nicht irgendeine andere." Insofern sehe das zwar schön aus und zeige, was möglich wäre, es sei aber von einer Anwendung noch weit entfernt.

Zuhören und Nachmachen: Roboter sollen lernen wie Kinder

Am CoR-Lab Bielefeld dagegen sollen Grundlagen für die Entwicklung eigener kognitiver Fähigkeiten von Robotern erforscht werden. "Die Menschen, die in Zukunft mit Robotern zu tun haben, werden nicht alle Robotik-Experten sein", sagt Lars Schillingmann. "Wenn wir also wollen, dass Roboter verschiedene Sachen machen können, ohne dass wir sie vorher programmieren müssen, müssen wir einfache Methoden finden, wie wir dem Roboter etwas beibringen können."

Forschungsroboter ICub (Foto: Universität Bielefeld / CITEC)
Forschungsroboter ICubBild: Presse Universität Bielefeld / CITEC

Man könne die Roboter so programmieren, dass sie das erkennen können, was alle Menschen natürlich können: nämlich sprechen und vormachen. ICub lerne deshalb im Prinzip so, wie Kinder von Erwachsenen lernen: durch Zuhören und Nachmachen, Scheitern und Probieren. Aufbau und Ablauf des Becher-Experiments basieren auf kognitionswissenschaftlichen Studien zum Lernverhalten Dreijähriger.

Der Forschungsroboter hat inzwischen die nächste Aufgabe gelöst: Er hat sich nicht nur gemerkt, welcher Becher welche Farbe hat und in welcher Reihenfolge sie gezeigt wurden. Sondern er konnte fast fehlerfrei wiedergeben, welcher Becher mit welcher Farbe in welchen anderen Becher mit welcher anderen Farbe einsortiert wurde.

Er konnte also Gegenstände, Farben und Zielorte zuordnen, nachdem sie ihm gezeigt wurden. Langfristig soll aber auch dieser Schritt überflüssig werden. Dann soll ICub Bewegungen ausführen und Handlungen vornehmen, weil er die Handlungsanweisung verstanden hat. "Das hier sind die ersten Grundlagen dafür, damit der Roboter aus dem, was ich sage und erkläre, einen Sinn für sich erzeugen kann", so Schillingmann. Aber später könne es einmal genauso einfach sein, mit Robotern zu kommunizieren wie mit Menschen.