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Musik

Richard Wagner und Leipig

Silke Bartlick28. Februar 2013

Leipzig hat nie ein besonders inniges Verhältnis zu Richard Wagner gehabt. Nun, aus Anlass seines 200. Geburtstags, besinnt sich die Stadt ihres berühmten Kindes.

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Thomaskirchhof mit Thomaskirche, Leipzig, Sachsen, Deutschland
Bild: picture alliance/Bildagentur Huber

Zum Auftakt wird Bitterkräutersuppe mit Flusskrebsen und Croutons serviert, ein Gericht, das so oder ähnlich schon vor 200 Jahren auf der Karte des "Gasthauses zum roten und weißen Löwen" stand. Es folgen Geflügel und Allerlei sowie abschließend Bierschaum mit Baiserbröseln. 30 Euro kostet das dreigängige Wagner-Menü im Restaurant Weinstock am Leipziger Markt. Es schmeckt nicht nur außerordentlich gut, sondern ist auch die perfekte Einstimmung für einen Stadtspaziergang auf Richard Wagners Spuren.

Musikstadt

Leipzig ist Messe-, Handels- und Universitätsstadt. Und Leipzig ist stolz auf seine musikalischen Traditionen, galt im 19. Jahrhundert sogar als Hauptstadt der Romantik. Der weltweit bekannte Thomanerchor feierte 2012 sein 800-jähriges Bestehen, Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn-Bartholdy sowie Robert und Clara Schumann haben hier eigene Museen.

Leipzig, Thomaskirche / Radierung 1820 Leipzig, Thomaskirche (Chor 14.Jh., Langhaus 1482-96, 1723-50 Wirkungsstaette von J.S.Bach). - 'Die Thomaskirche von der Allee- seite'. - Radierung, koloriert, unbez., um 1820. Leipzig, Mus.fuer Gesch.d.Stadt Leipzig. E: Leipzig / St Thomas church / Etching Leipzig, St Thomas church (choir from 14thc., nave from 1482-96, J.S. Bach worked here from 1723-50). - 'Die Thomaskirche von der Allee- seite' (St Thomas church from the boulevard). - Etching, coloured, unsigned, c. 1820. Leipzig, Mus.fuer Gesch.d.Stadt Leipzig.
Leipzig 1820Bild: picture-alliance/akg-images

Richard Wagner wurde in Leipzig geboren, er ging dort zur Schule, wurde in Harmonielehre ausgebildet und führte in Leipzig erste Kompositionen auf. Damit hat die Stadt freilich nie offensiv geworben, man tat sich schwer mit diesem berühmten Kind. Wagner sei bekanntermaßen ein Pumpgenie gewesen und habe seine Schulden nie zurückgezahlt, sagt Stadtführerin Brigitte Haage-Hussein. "Und in einer Kaufmannsstadt kann man nichts Schlimmeres machen als nicht ordentlich mit Geld umgehen". Hinzu kam der unkonventionelle Lebenswandel des Komponisten. Dass er mit seiner zweiten Frau schon vor der Hochzeit zwei Kinder gezeugt hat, habe man im kleinkarierten und sehr moralischen Leipzig nicht akzeptieren können.

Richard ist Leipziger

Jetzt, zu Wagners 200. Geburtstag, möchte sich die Stadt seiner endlich würdig erweisen und wirbt unter dem Slogan "Richard ist Leipziger…" für zahlreiche Veranstaltungen, ein neues Wagner-Museum und eine Spurensuche in Leipzig und Umgebung. Die kann man ganz individuell angehen, mit dem aufwändig hergestellten Faltprospekt "Wagner Wege in Leipzig" in der Hand oder im Rahmen eines thematischen Spaziergangs, der keineswegs nur zu Wagner, sondern auch in die wechselvolle Geschichte Leipzigs führt.

Gedenktafel am Haus Brühl 3, die daran erinnert, das Richard wagner hier geboren wurde. Foto: Silke Bartlick, November 2013
Gedenktafel am Haus Brühl 3Bild: DW/S. Bartlick

Die Straße "Brühl", erzählt Stadtführerin Brigitte Haage-Hussein, sei um 1813, als Richard Wagner hier im Haus Nr. 3 geboren wurde, die längste Straße der Stadt gewesen, mit vielen Gaststätten, Herbergen und Pferdeställen. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Aber an der glänzenden Fassade der Nummer 3, hinter der sich Teile eines neuerrichteten Shopping-Centers verbergen, erinnert eine Tafel daran, dass sich hier einst das "Gasthaus zum roten und weißen Löwen " befand, über dem Richard Wagner am 22. Mai 1813 das Licht der Welt erblickte.

Wo alles begann

Nur einen guten Steinwurf entfernt wohnten seine Großeltern, und ganz in der Nähe stand das Komödienhaus, Leipzigs erster fester Theaterbau, der 1817 zum Stadttheater umgebaut worden war. Der junge Richard Wagner ging dort ein und aus, hier brillierten seine Schwestern Rosalie und Luise als Schauspielerinnen, und hier begeisterte ihn die Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient 1829 als Fidelio derart, dass Wagner beschloss, Musiker zu werden.

Das Leipziger Traditionslokal "Coffe Baum", aufgenommen am 24.05.2005. Das zu den ältesten Gasthäusern Deutschlands zählende Lokal, das 1694 entstand, war 1998 nach siebenjähriger Pause wiedereröffnet worden. In den zurückliegenden Jahren war der "Kaffeebaum" für knapp acht Millionen D-Mark saniert worden. Foto: Thomas Schulze +++(c) dpa - Report+++
Traditionslokal Coffe BaumBild: picture-alliance/ZB

Spaziert man auf Wagners Spuren durch Leipzigs historisches Zentrum, dann nehmen Stadttore und -mauern, die längst nicht mehr existieren, Kontur an; man taucht ein in die Gepflogenheiten der Händler im 19. Jahrhundert und begegnet dem Philosophen Friedrich Nietzsche, der Verlegerfamilie Brockhaus, dem Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy sowie dem revolutionären Schriftsteller Heinrich Laube; man blinzelt durch romantische Torbögen, durchwandert stilvolle Passagen und läuft über knarrendes altes Parkett.

Einst und heute

Im Haus "Zum Arabischen Coffe Baum", Deutschlands ältestem Kaffeehaus, waren die Schriftsteller Johann Christoph Gottsched und Gotthold Ephraim Lessing sowie der Künstler Max Klinger Stammgäste. Auch Richard Wagner, der leidenschaftliche Kaffeetrinker, könnte hier eingekehrt sein. Belegt ist indes nur, dass er die Alte Nikolaischule besucht hat, nach einem mehrjährigen Aufenthalt seiner Familie in Dresden. Unwohl hat sich der Junge hier gefühlt und gedemütigt. Denn man hatte ihn eine Klasse zurück versetzt. Auch daran erinnert die neue Dauerausstellung "Der junge Richard Wagner, 1813 - 1834", die am 21. Mai in der Alten Nikolaischule eröffnet.

Blick auf das Gasthaus (Kulturcafe) Alte Nikolaischule in Leipzig.Das Gebäude der 1512 gegründeten Bürgerschule war bis zur Wende zur Ruine verfallen und wurde zwischen 1990 und 1994 restauriert und erneuert. Foto: Peter Endig +++(c) dpa - Report+++
Alte NikolaischuleBild: picture-alliance/ZB

Die ganze Stadt sei auf ihren Sohn eingestellt und möchte das Wagner-Jahr nutzen, um den viele Jahre Vergessenen wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu holen, sagt Andreas Schmidt, bei der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Über seine Organisation kann man Reisen nach Leipzig und Karten für Konzerte buchen. Ulf Schirmer, der Generalmusikdirektor und Intendant der Oper Leipzig, startet in diesem Jahr mit dem "Rheingold" eine neue Ring-Inszenierung, außerdem stehen Wagners Frühwerke "Die Feen", "Das Liebesverbot" und "Rienzi" auf dem Spielplan.

Wagner provoziert – immer noch

Aufregend dürfte es auch am 22. Mai werden. Dann nämlich, am 200. Geburtstag des Komponisten, wird in der Stadt ein riesiges Wagner-Denkmal eröffnet. Max Klinger hatte dafür bereits Anfang des 20. Jahrhunderts einen Entwurf geliefert, realisiert wurde indes nur der mächtiger Sockel, nicht aber eine darauf ruhende, gut vier Meter große Wagner-Figur. Das Denkmal, ausgelagert in eine Grünanlage, geriet in Vergessenheit.

Sockel des Wagner-Denkmals, den Max Klinger entworfen hat. Darauf wird im Mai eine Skulptur von Stephan Balkenhol gestellt. Foto : Silke Bartlick
Sockel des Wagner-DenkmalsBild: DW/S.Bartlick

2011 wurde schließlich ein neuer Wettbewerb ausgelobt, gewonnen hat ihn der Künstler Stephan Balkenhol. Eine Entscheidung, die die Bevölkerung spaltet. Denn längst nicht jedem gefällt sein Entwurf, der am angestammten Platz im Stadtzentrum unübersehbar sein wird: eine bunte lebensgroße Plastik des jungen Wagner vor einer übergroßen Schattensilhouette. Man kann die Leipziger also immer noch provozieren. Und mit dem Mitteln der Kunst dafür sorgen, dass über Richard Wagner gesprochen wird. Das hätte dem sicher gefallen!