Rettungsschirm wird aufgespannt
8. Oktober 2012Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker nennt den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eine "historische Errungenschaft für die europäische Integration": 700 Milliarden Euro bilden das Stammkapital, davon stehen bis zu 500 Milliarden zur Verfügung, um klamme Eurostaaten vor der Pleite zu bewahren. Der dauerhafte Rettungsschirm mit Sitz in Luxemburg ist die größte internationale Finanzinstitution – und zentraler Bestandteil der "Brandmauer" Europas gegen die Krise.
Meilenstein für die Euro-Sanierer
Den Gouverneursrat des ESM bilden die Euro-Finanzminister. Chef der Institution ist der deutsche Finanzfachmann Klaus Regling, der bisher den Vorgänger EFSF führte. Sobald Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wie seine 16 Kollegen aus der Eurozone die Gründungsdokumente unterschreibt, haftet der Bundeshaushalt mit rund 190 Milliarden Euro für den ESM. Diese Summe darf ohne Genehmigung des Bundestages nicht überschritten werden, dafür hat das Bundesverfassungsgericht gesorgt.
Der Rettungsfonds ist sofort einsatzbereit. Denn anders als sein Vorgänger EFSF verfügt der ESM auch über 80 Milliarden Euro in bar. Finanzminister Schäuble hält ihn deswegen auch für viel schlagkräftiger: "Denn es überzeugt Finanzinvestoren nichts so sehr, wie wenn die Mitgliedsstaaten der Eurozone Kapital in einen solchen Stabilisierungsmechanismus eingezahlt haben."
Alles hängt an der Reformbereitschaft
Die Schlagkraft des ESM kann nach Ansicht von EU- Währungskommissar Olli Rehn sogar noch erhöht werden: "Die Hebelung ist ein sehr positives und wichtiges Element der Flexibilität und Schlagkraft des ESM. Wenn nötig, sollte sie eingesetzt werden", sagte Rehn dem ZDF-Nachrichtenportal "heute.de". Der ESM sei "ein wichtiges Element im Werkzeugkasten der EU und der Eurozone, mit dem wir die Marktsituation - wenn nötig - stabilisieren können." Rehn betonte aber auch, dass die betroffenen Länder ihre Sparprogramme umsetzen und Strukturreformen vorantreiben müssten.
Ein Euro-Mitglied in Finanznöten stellt seinen Hilfsantrag an den Vorsitzenden des Gouverneursrates. In einem Vertrag werden dann die Auflagen festgelegt. Werden die Spar- und Reformvorgaben erfüllt, kann auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit Anleihenkäufen einspringen. Sobald eine zentrale europäische Bankenaufsicht eingerichtet ist, hat der Fonds auch die Möglichkeit, maroden Banken in den Mitgliedstaaten direkte Finanzspritzen zu geben.
Warnung vor einer Geldentwertung
Im Anschluss an die Gründungssitzung beraten die Finanzminister über die Lage in Griechenland und in Spanien, den derzeit größten Sorgenländern. Weil der Bericht der internationalen Schuldeninspekteure für Griechenland noch nicht fertig ist, wird in Luxemburg aber nicht mit einer Entscheidung über das weitere Vorgehen gerechnet. Auch mit einem Antrag Spaniens rechnet die Eurogruppe nicht. Madrids Ressortchef Luis de Guindos will seinen Kollegen seine Reform- und Sparmaßpläne erläutern. In 57 spanischen Städten haben am Sonntag erneut Zehntausende Menschen gegen den Sparkurs der Regierung protestiert. Allein in Madrid waren rund 60.000 Bürger auf den Straßen.
rb/wa (dapd, dpa, rtr)