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Rettungsfonds nimmt Arbeit auf

Bernd Riegert8. Oktober 2012

Die neue Brandmauer gegen die Schuldenkrise steht. Die 17 Finanzminister der Euro-Zone haben den "Europäischen Stabilitätsmechanismus" (ESM) in Luxemburg gegründet. Grund zum Feiern sahen sie aber nicht.

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Gebäude des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Im zweiten Stock eines Einkaufszentrums ist neben dem EFSF auch der ESM am Tag seiner Gründung untergebracht. (Foto: Bernd Riegert/DW)
Bild: DW/Bernd Riegert

Es knallten keine Sektkorken. Es gab keine festlichen Reden. Kein Glanz und Gloria für eine der größten Finanzinstitutionen weltweit. Immerhin verfügt der Europäische Stabilitätsmechanismus über 500 Milliarden Euro an entleihbarem Kapital. "Es gibt keinen Grund zu feiern", knurrte der Vorsitzende der Euro-Zone, der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker, in die Mikrofone. "Wir tun hier nur unsere Arbeit. Das ist die gute Nachricht für Europa."

Die europäische Währungsgemeinschaft beweise so, dass sie entschlossen sei, den Wirrnissen der Zeit zu widerstehen, sagte Juncker. Der Euro-Gruppen-Chef ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Gouverneursrates des ESM. Dieser Rat besteht seit diesem Montag aus den Finanzministern der 17 Euro-Staaten. Er trifft die wesentlichen Entscheidungen - und zwar einstimmig. Auf dieser Klarstellung hatte das deutsche Verfassungsgericht im September bestanden.

Büro-Etage ohne Namensschild

Die Gründer-Sitzung des ESM war kurz. Die Finanzminister beschlossen einige Formalien und bestimmten den Deutschen Klaus Regling zum geschäftsführenden Direktor des ESM. Der stets betont sachliche Regling sagte, mit seiner robusten Kapitalstruktur und einer Reihe von Instrumenten sei der ESM fähig, seine Mission zu erfüllen. "Er wird Mitgliedsstaaten Hilfe leisten, natürlich nur unter strikten Bedingungen."

Briefkasten des ESM. Es gibt kein Türschild, nur diesen Briefkasten der am Tag der Gründung auf den 700 Milliarden umfassenden Fonds hinweist. (Foto Bernd Riegert/DW)
Fast noch eine Briefkastenfirma in Luxemburg: Der ESM und der EFSF teilen sich eine BüroetageBild: DW/Bernd Riegert

Bescheiden gibt sich der ESM auch äußerlich. In der zweiten Etage eines Einkaufs- und Bürokomplexes in einem Luxemburger Gewerbegebiet weist nicht einmal ein Türschild auf den Milliarden-Fonds hin. Lediglich ein Briefkasten wurde angebracht. Die bisherigen Mitarbeiter des vorläufigen Rettungsfonds EFSF werden jetzt den ESM aufbauen. In 18 Monaten soll alles fertig sein, dann werden 100 Finanzfachleute für den ESM arbeiten.

Echtes Geld im ESM

Anders als der Vorgänger EFSF verfügt der ESM über 80 Milliarden an echten Kapitaleinlagen aus den Mitgliedsländern. Hinzu kommen 620 Milliarden an Bürgschaften. Das macht ihn auf den Finanzmärkten wesentlich glaubhafter. Der ESM soll auf den Kapitalmärkten zinsgünstig Kredite aufnehmen und diese an überschuldete Staaten weiterreichen, um diesen Zeit für Reformen zu erkaufen. Wichtigster Mittelgeber ist Deutschland mit rund 27 Prozent. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte in Luxemburg, es werde mit der Einrichtung des ESM Schritt für Schritt umgesetzt, was lange beschlossen sei. "Das zeigt: Wir sind berechenbar, wir sind verlässlich. Und irgendwann werden es die Finanzmärkte auch begreifen", so Schäuble.

Erster Kunde Spanien?

Der Finanzminister Luxemburgs, Luc Frieden, warnte, die Krisenstaaten dürften in ihren Reformanstrengungen nicht nachlassen. "Viele Reformen werden gebraucht, aber falls etwas schief geht, haben wir jetzt einen Feuerlöscher um einzuspringen. Das, denke ich, ist ein wichtiger Schritt, um die Euro-Zone etwas stabiler zu gestalten." Der ESM werde nicht ausreichen, wenn es einen "Tsunami" an Hilfsanträgen geben werde, wenn also Spanien und Italien gleichzeitig bankrott gehen würden, so Luc Frieden.

Spaniens Finanzminister Luis de Guindos (li.) fragt Euro-Chef Juncker um Rat (Foto: REUTERS/Yves Herman)
Spaniens Finanzminister Luis de Guindos (li.) fragt Euro-Chef Juncker um RatBild: Reuters

Erste Kunden des ESM könnten spanische Banken, Zypern und vielleicht auch Slowenien sein. Die Einzelheiten für eine Rettung spanischer Banken sind aber auch nach der Gründungssitzung des ESM unklar. Noch gibt es nämlich keine einheitliche europäische Bankenaufsicht, die die Euro-Staaten als Vorbedingung für eine Rekapitalisierung maroder Banken durch den ESM festgelegt haben. Unklar ist auch noch, ob der ESM auch weitere Pleite-Banken aus Irland, Griechenland und anderen Staaten sanieren soll. Ob der ESM eine volle Banklizenz nutzen soll, um sich selbst bei der Europäischen Zentralbank Geld leihen zu können, soll in "den nächsten Wochen entschieden werden", sagte Euro-Gruppen-Chef Juncker.

"Wir sind immer noch da"

Viele Experten, wie der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts IFO, Hans-Werner Sinn, halten den ESM für eine riesige "Bad Bank", die dazu dient, Schulden zu vergemeinschaften. Der Europaabgeordnete Udo Bullmann (SPD) forderte eine demokratische Kontrolle des Rettungsfonds ESM. Bislang ist der Rettungsfonds über seine Geschäfte dem Europäischen Parlament keine Rechenschaft schuldig. Externe Wirtschaftsprüfer, die der ESM selbst beauftragt, sollen die Geschäfte überprüfen. Der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden beurteilte die Lage der Euro-Zone nach der Gründung des ESM positiv.

Gruppenfoto der Euro-Finanzminister bei ESM-Gründung in Luxemburg (REUTERS/Yves Herman)
ESM-Gouverneure für eine Stunde: Finanzminister nach der Gründer-SitzungBild: Reuters

"Die Situation ist doch viel ruhiger geworden als sie es vor zwei Jahren war. Seit zwei Jahren reden wir davon, dass Europa zusammenbricht. Europa und Europas Banken sind immer noch da." Vor zwei Jahren, als er die Leitung des vorläufigen Rettungsfonds EFSF übernahm, hatte Klaus Regling noch vermutet, der Rettungsfonds werde wohl nie gebraucht werden. Die Märkte würden allein von seiner Existenz beeindruckt sein. Heute, zwei Jahre später, weiß man, dass er sich geirrt hat. Der EFSF hat rund 190 Milliarden Euro an Hilfskrediten zusagen müssen. Wie viel der ESM am Ende einsetzen muss, kann auch sein neuer Direktor Klaus Regling heute noch nicht sagen.