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Rettungsfonds ESM kann kommen

Bernd Riegert27. September 2012

Deutschland hat den europäischen Rettungsfonds ESM mit der Unterschrift von Bundespräsident Joachim Gauck endgültig ratifiziert. Mit 700 Milliarden Euro entsteht im Oktober eine neue Brandmauer gegen die Krise.

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Symbolbild Bundesverfassungsgericht Euro-Rettungsschirm ESM (Foto: dpa - Bildfunk)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll eine internationale Finanzorganisation werden, ähnlich dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Noch besteht der ESM aber nur auf dem Papier. Am 8. Oktober wollen die Finanzminister der 17 Euro-Staaten den ESM förmlich gründen. Euro-Gruppen-Chef Jean Claude Juncker hatte zu der Gründungssitzung eingeladen. Die Finanzminister kommen dann erstmals als Gouverneursrat des ESM in Luxemburg zusammen. Der Gouverneursrat ist das höchste Leitungsgremium des Rettungsfonds. Den Vertrag zur Errichtung des ESM haben alle Staaten der Euro-Zone ratifiziert. In Irland ist noch eine Klage gegen den ESM anhängig. Diese Klage wurde dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorgelegt, der möglicherweise noch im Oktober mit dem Verfahren beginnen will. Da Irland aber nur einen geringen Anteil am Kapital des ESM hat, ist seine Mitwirkung nicht unbedingt notwendig. Deutschland hingegen steuert 27 Prozent der Mittel bei, weshalb die Ratifizierung in Deutschland Voraussetzung für die Einrichtung des ESM war. 

Da mittlerweile 90 Prozent des Stammkapitals, das sind 630 von geplanten 700 Milliarden Euro, zugesagt sind, kann der ESM gegründet werden. Der Chef des bisherigen vorläufigen Rettungsfonds (EFSF), Klaus Regling, soll auch geschäftsführender Direktor des permanenten Rettungsfonds werden. Der ehemalige deutsche Spitzenbeamte Regling bereitet die Einrichtung des ESM zurzeit in Luxemburg vor. Die eigentliche Arbeit kann der Fonds Ende Oktober aufnehmen. Klaus Regling sagte, er wolle zunächst Personal aus dem bisherigen EFSF in den permanenten ESM überführen und einen "sanften" Übergang garantieren. Bis zum Sommer nächsten Jahres werden EFSF und ESM noch parallel arbeiten.

Der permanente Rettungsfonds soll über 700 Milliarden Euro verfügen können. 80 Milliarden Euro werden als Eigenkapital in bar von den Anteilseignern, also den 17 Staaten der Euro-Zone, eingezahlt. Die restlichen 620 Milliarden Euro sind Garantien oder Bürgschaften, die die Staaten unwiderruflich zusagen. Die ausleihbare Summe wird bei rund 500 Milliarden Euro liegen, weil bestimmte Mittel als Sicherheit zurückgehalten werden. Das Eigenkapital in Höhe von 80 Milliarden Euro wollen die Staaten in fünf Raten einzahlen. Der Anteil Deutschlands am Eigenkapital liegt bei 23 Milliarden Euro.

Der CDU-Politiker Patrick Sensburg (Quelle: http://www.patrick-sensburg.de/media/foto.html)
Patrick Sensburg, Europarechtsexperte der CDUBild: Patrick Sensburg

Zweifel an der Größe

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Professor Patrick Sensburg hat den ESM-Vertrag auf Herz und Nieren geprüft. Für den Europarechtsexperten ist der ESM eine gute Schutzmauer gegen die Schuldenkrise. "Der ESM stellt zusammen mit den weiteren Beschlüssen zur Ratifizierung und zusammen mit dem Fiskalpakt einen guten Rahmen dar, damit wir dieser Situation Herr werden können."

Schon jetzt gibt es Zweifel, ob der ESM überhaupt groß genug ist, um künftige Rettungsmaßnahmen zu finanzieren. Der ESM verfüge zwar über mehr Möglichkeiten als der bisherige vorläufige Fonds EFSF, sagt der Brüssler Ökonom Janis Emmanouilidis von der Denkfabrik "European Policy Centre". Er schränkt aber ein: "Die Frage, die sich stellt, ist, ob der ESM groß genug ist, um tatsächlich Ruhe in den Märkten einkehren zu lassen. Ich glaube, dass er das nicht sein kann, wenn die Situation in weiteren EU-Staaten eskaliert, vor allem eben in Spanien oder gar Italien." Über unbegrenzte Mittel verfügt die Europäische Zentralbank EZB. Die hatte am 06.09.2012 angekündigt, Anleihen bedrängter Staaten aufzukaufen, sofern diese einen Hilfsantrag beim ESM stellen. Der Rettungfonds und die EZB würden also parallel und koordiniert arbeiten.

Janis A. Emmanouilidis (Foto: DW/Alen Legovic)
Janis A. Emmanouilidis, Ökonom in BrüsselBild: DW

Deutschland kann nicht überstimmt werden

Die Entscheidungen, welches Euro-Land Hilfskredite bekommt, trifft der Gouverneursrat des ESM. Ihm gehören die Finanzminister der Euro-Staaten oder ihre Vertreter an. Deutschland könne als größter Anteilseigner mit knapp 30 Prozent im Gouverneursrat nicht überstimmt werden, erklärt Patrick Sensburg, der der Vorsitzende des Europarechts-Ausschusses des deutschen Parlaments ist. "Wichtig war uns als Deutscher Bundestag, dass wir in allen wichtigen Entscheidungen im Vorfeld das Plazet geben müssen", sagte er der Deutschen Welle. "Das ist im ESM-Finanzierungsgesetz geregelt. Dort ist geregelt, dass der deutsche Vertreter im Gouverneursrat seine Stimme nur geben kann, wenn der Deutsche Bundestag für Stabilitätshilfen (Art.13) auch im Vorfeld grünes Licht gibt." Dieses Gesetz hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 12. September im Prinzip gebilligt. Um Bedenken der Verfassungsrichter zu zerstreuen, hatten die Finanzminister der Euro-Zone und die Bundesregierung noch einmal versichert, dass Deutschland nicht überstimmt werden kann und der Haftungsanteil nicht über 190 Milliarden Euro anwachsen soll.

Für die vergebenen Kredite haften die ESM-Staaten gemeinschaftlich mit ihren Kapitalanteilen. Die Kredite werden - wie bisher auch - nur gegen Auflagen vergeben. Das heißt, Staaten, die Kredite erhalten, müssen ihre Haushalte sanieren und Reformen im Finanzsektor oder in der Wirtschaft umsetzen. Der ESM kann anders als sein Vorgänger EFSF auch direkt Staatsanleihen klammer Staaten aufkaufen, also relativ kurzfristig am Finanzmarkt handeln.

ESM ist eine Bank

Im Moment ist nicht vorgesehen, dass der ESM sich selbst Geld bei der Europäischen Zentralbank leiht und dieses dann an bedürftige Staaten weiterreicht. Mit dieser Banklizenz könnte der ESM sehr viel größere Summen mobilisieren. "Es ist grundsätzlich möglich, dass der ESM sich zur Erfüllung seiner Aufgaben an den Kapitalmärkten, bei Banken oder sonstigen Personen Kapital besorgt", erläutert der Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg. "Das wollen wir aber nicht, weil wir meinen, dass wir mit dem auszahlbaren Volumen von 500 Milliarden Euro auch wirklich hinkommen. Es kann nicht sein, dass sich der ESM über diesen Weg peu à peu ein höheres Volumen verschafft und die Unterzeichnerstaaten dafür haften."

Rechtlich möglich wäre es aber schon, dass der ESM seine Banklizenz nutzt und sein Volumen vergrößert. Dieses letzte Mittel könnte irgendwann zum Einsatz kommen, glaubt Janis Emmanouilidis, der beim "European Policy Centre" in Brüssel arbeitet. "Ich glaube, wenn man an den Punkt kommt, dass man die Märkte weiter beruhigen muss, dann wird auch diese Option möglicherweise gezogen werden. Ob das letztlich das Allheilmittel ist, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass es in der gegenwärtigen Situation nur verschiedene Elemente sein können, die am Ende die Rezeptur darstellen", so Janis Emmanouilidis.

Griechischen Euromünzen mit Euro-Banknoten (Foto: DW)
ESM: 700 Milliarden gegen die KriseBild: DW

Um sich vor möglichen Verlusten zu schützen, haben die Euro-Staaten erklärt, dass Schulden beim ESM künftig vorrangig zurückgezahlt werden müssen. Sie hätten also Vorrang vor Staatsanleihen, die private Anleger in Griechenland, Spanien oder Italien kaufen. Das könnte dazu führen, befürchten Finanzexperten, dass private Gläubiger diese Anleihen künftig meiden und die Kosten für diese Anleihen weiter steigen statt zu sinken. Außerdem sollen Staatsanleihen der Euro-Zone in Zukunft eine Klausel enthalten, die vorschreibt, dass sich private Anleger an einem möglichen Schuldenerlass beteiligen. Auch das könnte die Staatsanleihen für Anleger weniger attraktiv machen.