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Beck: "Minderheiten respektieren"

Sabrina Pabst27. März 2014

Die Richtlinien der EU sollen Homosexuelle vor Diskriminierung schützen. Trotzdem ist Homophobie in der Gesellschaft noch immer weit verbreitet, sagt der deutsche Grünen-Politiker Volker Beck.

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Die Bundesvorsitzende der Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, neben Volker Beck bei der Eröffnung der ColognePride, des Christopher Street Day (CSD) am 07.07.2013 in Köln. (Foto: Horst Galuschka/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Beck, sie engagieren sich seit den 90er Jahren in Deutschland und Europa für die Gleichstellung Homosexueller. Sie demonstrieren auf Paraden in ganz Europa für gleiche Rechte. Wenn sie zurückblicken und Bilanz ziehen - wo sehen sie die Gleichberechtigung Homosexueller heute?

Volker Beck: In Deutschland sind wir mit der Einführung des Lebenspartnerschafts-Gesetzes im Jahr 2001 sehr weit vorangekommen. Wir konnten durch das Verfassungsgericht viele Punkte der Gleichstellung durchsetzen. Aber gleiche Rechte gibt es erst, wenn Schwule und Lesben heiraten dürfen und eine Ehe wie alle anderen schließen können. Das ist wichtig für das gesellschaftliche Klima. Darin drückt sich aus, dass schwule Bürger und lesbische Bürgerinnen respektiert werden; mit gleichen Rechten und gleicher Würde wie alle anderen Menschen, unabhängig davon, ob sie heiraten wollen oder nicht.

In vielen osteuropäischen Ländern ist die Gleichstellung von Homosexuellen noch nicht so weit wie in Westeuropa. Gibt es denn auch in Osteuropa Beispiele für eine positive Entwicklung?

Polen ist da ein gutes Beispiel. Dort war ich 2005 auf einer verbotenen Parade. Die hat dann trotzdem stattgefunden, weil die Polizei sie geschützt hat. Heute sitzen ein schwuler Kollege und eine transsexuelle Kollegin im polnischen Parlament und streiten dort für unsere Rechte. Verschiedene Fraktionen haben Vorschläge gemacht, wie man gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkennt. Es gibt zwar noch kein Ergebnis, aber die gesellschaftliche Debatte hat sich enorm verändert. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sich Schwule und Lesben überhaupt frei artikulieren können. Was in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Russland nicht gegeben ist.

Politik ist die eine, die Bevölkerung die andere Seite. Würde eine rechtliche Gleichberechtigung bei Mitmenschen für mehr Akzeptanz sorgen?

Das sehen wir eigentlich überall, wo der Gesetzgeber sich öffnet. Sei es durch Anti-Diskriminierungsgesetze, durch die rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaften oder der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Damit steigt auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Es gibt so eine andere Form der Berichterstattung über Schwule und Lesben. Es werden Lebensrealitäten abgebildet, durch die die Leute ihre Vorurteile überprüfen müssen. Das führt zu mehr Akzeptanz und Toleranz. Da, wo der Gesetzgeber solche Wege nicht geht, können homophobe Haltungen in der Gesellschaft weiter Raum greifen.

Der Erste Parlamentarische Geschaeftsfuehrer der Bundestagsfraktion von Buendnis 90/Die Gruenen, Volker Beck. (Foto: Ronald Wittek/dapd)
Beck: "Durch die rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaften steigt die Akzeptanz der Bevölkerung"Bild: dapd

Wie lange brauchen Gesellschaften, eine andere Form der Sexualität zu akzeptieren?

Das ist sehr unterschiedlich. In Deutschland hat das alles sehr lange gedauert. 1969 wurde Homosexualität zwischen erwachsenen Männern erstmals entkriminalisiert. 2001 wurden Lebenspartnerschaften zumindest in bestimmten rechtlichen Punkten anerkannt. In anderen Ländern, die später eine offene Diskussion über Sexualität, Geschlechterrollen und auch Homosexualität führen konnten, ist es schneller gegangen. Wenn ich in die osteuropäischen Staaten schaue, haben die noch einiges aufzuholen. Es gibt eine größere Entwicklung von Freiheiten für Lesben und Schwule, aber die Grenze dieser Entwicklung ist die Außengrenze der Europäischen Union. Das muss man schon so sagen.

In der EU gibt es Anti-Diskriminierungsgesetze. Doch kommt es immer wieder zu Übergriffen gegenüber Homosexuellen. Eine Studie, die im Mai veröffentlicht wurde, belegt, dass sich Homosexuelle in Europa nicht sicher fühlen. Kommt die Gesetzgebung nicht in der Gesellschaft an?

Es gibt neben diesem gesamt-gesellschaftlichen Klima noch Homophobie am Rande der Gesellschaft. Die sich dann auch gewalttätig ausagiert. Da kommt man nicht mit einer Gesetzgebung ran. Da müssen sich Schulen und die Jugendarbeit kümmern, dass junge Männer nicht ihre eigene Unsicherheit in ihrer Männerrolle dadurch ausagieren, dass sie Schwule und Lesben beschimpfen oder sogar schlagen. Das ist nämlich die pädagogische Aufgabe. Das verlangt natürlich eine gewisse Souveränität des Lehrpersonals. Deshalb gibt es schwul-lesbische Aufklärungsprojekte, bei denen Schwule und Lesben in die Schule gehen.

Werden sie weiterhin in osteuropäischen Ländern für die Rechte Homosexueller demonstrieren?

Selbstverständlich. Aber nicht nur in Osteuropa: Ich habe zum Beispiel in Istanbul einmal eine ganz spannende und überwältigende Gay-Pride erlebt. Es gibt auch in der Türkei eine Lesben- und Schwulen-Bewegung, die sich aktiv einmischt und da um gesellschaftliche Anerkennung kämpft. Da waren 30.000 Menschen auf der Straße.

Glauben sie, dass es eine europäische Gesellschaft geben wird, die Homosexualität toleriert?

Das ist meine Hoffnung. Es gehört zum Kern der Europäischen Idee, dass man die Menschrechte wahrt. Das müssen wir besonders daran zeigen, ob wir Respekt gegenüber Minderheiten haben. Lesben, Schwule und die Transsexuellen sind solche Minderheiten, die natürlich darauf angewiesen sind. Respekt ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft und das müssen wir auch gegenüber Gruppen zeigen, die nie eine Chance haben, eine Mehrheit zu werden.

Volker Beck ist Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/ Die Grünen. Seit fast 30 Jahren begleitet er Demonstrationen für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben in ganz Europa.