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Zum Tod von Peter Scholl-Latour

Heike Mund16. August 2014

Kaum eine Talkshow zu außenpolitischen Themen kam ohne ihn aus. Der konservative Querdenker Peter Scholl-Latour gehörte zu den Welterklärern. Seine Bücher waren Bestseller, seine Thesen allerdings umstritten.

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Peter Scholl-Latour
Bild: picture-alliance/dpa

Bis ins hohe Alter bereiste er als politisch interessierter Journalist und Buchautor die Welt. Die Neugierde trieb ihn und Wissendurst. Es war ihm wichtig, die von ihm beobachteten Regionen und Krisengebiete nicht nur vom Schreibtisch aus zu beurteilen, sondern Land und Leute und auch die mächtigen politischen Führer persönlich zu erleben. Zeit seines Lebens ist er der Reporter an vorderster Front geblieben. Als eines der bekanntesten TV-Gesichter in Deutschland prägte er viele Jahre das Bild der Fernsehzuschauer von den Kriegs- und Krisengebieten der Welt. Mit seinen Sachbüchern ( "Der Tod im Reisfeld", über den Indochinakrieg) brachte er es auf die vorderen Spitzenplätze der Bestsellerlisten und publizierte zuletzt in Millionenauflagen.

An vorderster Front der Berichterstatter

Als Reporter berichtete er im Fernsehen hautnah über den Dschungelkrieg der Vietcong-Guerilla, zog mit den afghanischen Mudschahedin durch die umkämpften Berge des Kyberpass und erzählte aus Afrika über den Aufstieg des ersten kongolesischen Regierungschefs Patrice Lumumba. In einer Mischung aus Reportage, journalistischer Reflexion und Anekdoten fand Scholl-Latour bald seinen ganz persönlichen Stil. Er verband seine Analysen oft mit sehr persönlichen Einschätzungen, was ihm häufig Kritik und den Vorwurf der Vereinfachung und teils rassistischer Sichtweisen einbrachte. Das Publikum schätzte ihn aber gerade dafür, dass er auch historisch komplizierte Sachverhalte auf ein paar Schlagzeilen brachte.

Peter Scholl-Latour 1973
TV-Reporter Peter Scholl-Latour mit Fernsehteam in Vietnam (1973)Bild: picture-alliance/dpa

Geboren wurde Peter Scholl-Latour am 9. März 1924 in Bochum als Sohn eines Arztes. Sein Vater kam aus dem Saarland, seine Mutter aus dem Elsaß, so dass er schon früh zweisprachig und in unterschiedlichen Kulturen aufwuchs. Sein Jugendtraum war, Forschungsreisender zu werden, erzählte er später in seiner Autobiographie. Die Schulzeit musste er in einem streng katholischen Jesuitenkolleg in der Schweiz verbringen. Seine Eltern hatten Schwierigkeiten mit dem nationalsozialistischen Regime bekommen. Er selbst kam im Januar 1945 "aus jugendlichem Übermut und sträflichem Leichtsinn" in Gestapohaft, aber schnell wieder frei. Auf französischer Seite meldete er sich freiwillig zu den Fallschirmjägern. Bis 1947 blieb er als Soldat im Indochinakrieg und lernte die Grausamkeit des Krieges an vorderster Front kennen.

Journalistischer Beobachter

Schon früh fand er dann zum Journalismus: Seine Reportage von einer illegalen Fahrt durch die sowjetische Besatzungszone im Nachkriegsdeutschland wurde von der französischen Zeitung "Le Monde" abgedruckt. Daraufhin konnte er als Volontär bei der "Saarbrücker Zeitung" anfangen. Von 1950 an berichtete er als Reporter von etlichen Krisenherden der Welt: aus dem Vietnamkrieg, aus dem Libanon, aus dem Krieg in Afghanistan. 1973 wurde er in Gefangener der Vietcong - ein prägendes Erlebnis, wie er später in seinen Büchern schrieb.

Peter Scholl-Latour 1974
Mit den mächtigen Politikern auf Augenhöhe. Scholl-Latour im Interview mit Bundeskanzler Helmut Kohl (1974)Bild: picture-alliance/dpa

Als Hörfunkreporter berichtete er später aus Afrika, war als Auslandskorrespondent in Beirut und erwarb sich einen Ruf als Nahostexperte. Von 1963-1969 baute er in Paris das ARD-Studio auf, aber es zog ihn immer wieder in die Welt. 1971 wechselte Scholl-Latour als Chefkorrespondent zum ZDF und lieferte Reportagen aus Vietnam, Kambodscha, China, Afghanistan und aus dem Iran. Von 1975 -1983 leitete er für das ZDF nochmal das Hauptstadtstudio in Paris. Nach einer kurzen Episode als Chefredakteur des "Stern" widmete er sich ab 1988, von seinen journalistischen Pflichten entbunden, ganz dem Bücherschreiben und längeren TV-Dokumentationen.

Sein bekanntestes Buch ist der Bestseller "Der Tod im Reisfeld" (1979) das mit 1,3 Millionen verkaufter Auflage zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Sachbücher seit 1945 wurde. Scholl-Latour analysierte darin die Ursachen und Folgen des 30-jährigen Indochinakrieges. Später schrieb er auch umstrittene Sachbücher zum Islam und zur weltpolitischen Lage, die durch die Auflösung der alten Machtblöcke entstanden war ("Allah ist mit den Standhaften"). Seine oft zugespitzten Thesen haben Journalisten und Wissenschaftler zum Teil scharf kritisiert, was seinen Erfolg als Sachbuchautor aber nicht schmälerte.

Der letzte "Welterklärer"

Vor allem im Fernsehen und in Diskussionsrunden war Peter Scholl-Latour sehr gefragt. Für seine Kenntnisse vieler Länder, Kulturen und politischer Führer erfuhr er immer wieder Respekt und Wertschätzung. Die "Süddeutsche Zeitung" attestierte Scholl-Latour den Status einer "journalistischen Legende", die Generationen von Reportern und Auslandskorrespondenten geprägt habe. Für sein journalistisches Lebenswerk erhielt er 2005 den Henri-Nannen-Preis und 2006 das Bundesverdienstkreuz.

Peter Scholl-Latour 1970
Der Weltenbummler in den 70er Jahren: bis zuletzt war Peter Scholl-Latour in der Welt unterwegs.Bild: picture-alliance/Keystone

Kulturstaatsministerin Monika Grütters würdigte Peter Scholl-Latour als einen "der Großen im Journalismus". Deutschland verliere damit einen der letzten Welterklärer. Noch zu Beginn dieses Jahres hatte er eine Reise in den Tschad geplant. "Ich muss wieder raus", sagte er gegenüber einem Journalisten, der ihn interviewte. Jetzt ist er nach langer schwerer Krankheit in seinem Wohnort Rhöndorf gestorben.