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Die Macht der Bilder

Günther Birkenstock17. August 2014

Nach dem Tod von Michael Brown debattieren die USA über Rassismus in den Medien. Aber auch in Deutschland zementieren Texte und Bilder oft Klischees von ethnischen Minderheiten, statt Vorurteile abzubauen.

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Ägypten arabische Frühling Frau mit Handy und Kamera (Foto: imago)
Bild: Imago

Seit vor einer Woche der unbewaffnete afroamerikanische Teenager Michael Brown in der Kleinstadt Ferguson in Missouri, USA, erschossen wurde, gibt es immer wieder Demonstrationen und Krawalle in dem Vorort von St. Louis. Und es wird im ganzen Land über ein Thema diskutiert, das die USA seit ihrer Entstehung begleitet: Rassismus - auch Rassismus in der Berichterstattung nach dem Vorfall.

Den Stein ins Rollen gebracht hat unter anderem der Afroamerikaner Tyler Atkins. Beim Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte er eine simple Gegenüberstellung zweier Fotos: Eines der beiden Bilder zeigt den 17-jährigen Atkins als lässigen Jugendlichen mit schwarzem T-Shirt und Tuch um den Kopf, das andere als seriösen jungen Mann mit schwarzem Anzug und Saxofon. Auf den Hashtag: "If they gunned me down" ("Wenn sie mich erschossen hätten") - "welche Bilder würden die Medien hinterher von mir zeigen?" reagierten Tausende mit ähnlichen Fotos. Sie zeigen, wie Vorurteile entstehen und zementiert werden, gerade durch die Medien. Überall auf der Welt, nicht nur in den USA.

Flüchtlinge in deutschen Medien: schwarz

Auch Tahir Della kennt die Macht, die von Medienbildern ausgeht. Della ist Mitglied der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und versucht, die Öffentlichkeit für rassistische Klischees in Zeitungen, Fernsehen und Internet zu sensibilisieren. "Schwarze Menschen werden immer noch häufig mit Drogenkriminalität oder illegaler Migration verbunden und Medien greifen diese Bilder immer wieder auf", beklagt Della im Gespräch mit der Deutschen Welle. Wenn Journalisten über Flüchtlinge berichteten, illustrierten sie das fast ausschließlich mit Bildern von schwarzen Menschen aus Afrika. Die größte Zahl der Flüchtlinge komme gar nicht aus Afrika, erklärt der Aktivist, nur würden Schwarze eben gut ins Bild passen, das die meisten Deutschen von Flüchtlingen haben.

Diskriminierende Zusammenhänge

Auch die Journalistin Konstantina Vassilliou-Enz macht auf stigmatisierende Bilder und Formulierungen in deutschen Medien aufmerksam. So warnt die Radiomoderatorin und Geschäftsführerin des Vereins Neue deutsche Medienmacher zum Beispiel ihre Kollegen davor, falsche Zusammenhänge herzustellen, wenn sie die Herkunft einer Person erwähnen, obwohl dieses Detail für das Geschilderte unerheblich ist. "In der Kriminalitätsberichterstattung wird das besonders deutlich. Dort ist es so, dass Straftäter, die nicht deutsch sind oder neudeutsch sind, oft mit ihrem ethnischen Hintergrund benannt werden. Das ist dann eben nicht Ahmed H. aus Köln, sondern der Türke Ahmed H." Dadurch, dass das Merkmal Türke überhaupt erwähnt wird, bekomme es eine scheinbare Bedeutung. Der Einzelfall werde automatisch als typisch für die Gruppe gesehen, betont Vassilliou-Enz im Gespräch mit der Deutschen Welle, und das präge die weitere Wahrnehmung. Wer einen Bericht über eine Straßengang von Jungen mit Migrationshintergrund lese, dächte kaum an seine griechische Nachbarsfamilie, die türkische Elternsprecherin oder seinen nigerianischen Arzt. Die aber repräsentierten den "normalen Einwanderer" - nicht der Extremfall Straßengang.

Viele der Stereotypen ließen sich nach Auffassung von Vassilliou-Enz vermeiden, wenn die Journalisten entsprechend sensibilisiert wären. Fast alle Artikel über Integration zeigten Bilder von Frauen mit Kopftuch. Um eine klare Bildaussage zu haben, müssten Redakteure jedoch nicht zum Extrem zu greifen und eine vollverhüllte Muslima mit vollen Einkaufstüten und Kinderwagen zeigen. "Wenn es schon das Kopftuch sein muss, weil es so eine Symbolkraft hat, warum zeige ich dann nicht eine Muslimin, die beim Bäcker ihre Brötchen bezahlt oder mit dem Handy am Ohr durch die Fußgängerzone spaziert?" Solche Bilder - davon ist Vassilliou-Enz überzeugt - würden die Realität weit eher abbilden.

Zwei rumänische Ärzte in einem deutschen Krankenhaus (Foto: DW/Pandeli Pani)
Die rumänischen Ärzte Andrea Rogozianu und Leonard Vasilache arbeiten im Marien Hospital in Marl - in den Medien leider noch ein ungewöhnliches BildBild: Pandeli Pani

Professionelle Standards gefordert

Einseitig und reduzierend sind häufig auch Berichte über Migranten aus Rumänien und Bulgarien - in Wort und Bild, so die Neue deutsche Medienmacherin: Die Zuwanderungszahlen seien vor allem im vergangenen Jahr stark übertrieben worden, und die Bilder dazu hätten vor allem zugemüllte und völlig heruntergekommene Wohnungen gezeigt. "Es wurde nie jemand gezeigt, der aus Bulgarien kommt und hier als Arzt arbeitet, obwohl das die Bevölkerungsgruppe ist, die am meisten ausgewandert ist. Ganze Studienjahrgänge von Medizinern aus Rumänien und Bulgarien sind nach Deutschland gekommen." Das wichtigste Mittel, um eigene und allgemeine Vorurteile abzubauen, ist für Vassilliou-Enz schlicht hartnäckige und genaue Recherche - und dieser professionelle Grundsatz müsse bei jedem Thema und jeder Volksgruppe gleichermaßen angewendet werden.

In den USA sind derzeit kaum Fotos des getöteten Michael Brown zu sehen. Die Berichte dominieren Aufnahmen von brennenden Vorstadtstraßen und einer militärisch hochgerüsteten Polizei - eine Bildsprache, die eher Krieg suggeriert als einen unbewaffneten Jugendlichen, den ein Beamter erschossen hat.