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Architekturbiennale Venedig

Sabine Oelze6. Juni 2014

Architektur ist längst global, nationale Besonderheiten verschwimmen. Auf der 14. Architekturbiennale in Venedig erforschen die Länder in ihren Ausstellungs-Pavillons die letzten 100 Jahre ihrer Baugeschichte.

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Bungalow Germania - Blick in den Eingangsbereich zum Deutschen Pavillon (Foto: CLA/Bas Princen)
Bild: CLA/Foto: Bas Princen

Zum ersten Mal bearbeiten die teilnehmenden Länder ein gemeinsames Thema: "Absorbing Modernity 1914-2014" lautet das Motto, das der Direktor der 14. Architekturbiennale, Rem Koolhaas, vorgegeben hat. Dieser Zusammenschluss ist eine Besonderheit, weil in den Giardini, dem Ausstellungsgelände der Biennale in Venedig, eigentlich alle zwei Jahre eine Art Länderwettkampf stattfindet - seit 1970 schon. Die Ausstellung im deutschen Pavillon wurde in diesem Jahr vom Schweizer Kuratoren-Duo Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis gestaltet. Das Gebäude hat eine wechselvolle Geschichte. 1909 wurde es erbaut, aber 1938 von den Nazis grundlegend umgebaut - zu einem Manifest nationalsozialistischer Baukunst.

"Wohnzimmer der Nation"

Die Zürcher Architekten und Stadtplaner Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis geben der historischen Architektur einen neuen politischen Kontext: sie verwandeln den "Padiglione Germania", wie er seit 1912 heißt, in einen "Bungalow Germani". Dazu verschmelzen sie den Deutschen Pavillon und den so genannten Kanzlerbungalow Kanzlerbungalow aus Bonn. Das moderne Wohn- und Repräsentationshaus des Bundeskanzlers wurde 1964 von dem Architekten Sepp Ruf errichtet und galt jahrzehntelang als "Wohnzimmer der Nation". Von 1964 bis 1999 wohnten dort alle Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

2001 wurde der Kanzlerbungalow unter Denkmalschutz gestellt. Der Umzug der Hauptstadt 1999 von Bonn nach Berlin ließ ihn an Bedeutung verlieren und völlig in Vergessenheit geraten. Dabei ist er Teil deutscher Kulturgeschichte: mit seinem langgezogenen Flachdach und den offenen, fließenden Raumübergängen verkörperte er ein bedeutendes Stück Architektur der Moderne.

Bungalow Germania innen (Foto: CLA/Bas Prinsen)
Niedrige Decken wie in Bonn: Der Kanzlerbungalow zu Gast im Deutschen Pavillon der BiennaleBild: CLA/Foto: Bas Princen

"Diese beiden ineinandergreifenden Erzählstränge - der Nation und der damit verbundenen Disziplin Architektur der vergangenen 100 Jahre - wollen wir in Venedig zusammenbringen. Jedoch nicht als chronologische Sammlung mit einem Anfang und einem Ende, sondern als Konstruktion und Inszenierung eines speziellen architektonischen Moments", erläutern Lehnerer und Ciriacidis ihren Ansatz als Kuratoren.

Die Repräsentation eines Staates durch Architektur wird kritisch durchleuchtet, die faschistische Bauweise Hitlerdeutschlands trifft hier auf den demokratischen Geist der Bundesrepublik Deutschland. "Jedes Gebäude hinterfragt die Mythen des anderen: Welchen Sinn hat beispielsweise das transparente Glas des Bungalows, wenn es sein Versprechen auf Ausblick und Weite nicht erfüllt, sondern den Blick auf die kahle weiße Wand des Pavillons rahmt?", fragen Lehnerer und Ciriacidis.

Kanzlerbungalow in Bonn (Foto: M. Todeskino/DW)
Ausblick ins Grüne: der Kanzlerbungalow, hier an seinem Originalstandort BonnBild: DW/M. Todeskino

Globale Perspektiven

Soviel Teilnehmer wie in diesem Jahr hatte die Architekturbiennale noch nie. Zehn Länder sind zum ersten Mal dabei, darunter auch Costa Rica, die Elfenbeinküste, Mosambik und Kenia. Der Blick auf die Architektur fällt deshalb 2014 auch globaler aus. Das passt zum Wirken des Direktors der 14. Architekturbiennale, Rem Koolhaas. Der 69-jährige Niederländer gilt für die Architektur als einer der interessantesten Vordenker der Gegenwart. 1980 gründete er sein berühmtes Office for Metropolitan Architecture (OMA), seitdem koordiniert und entwickelt er seine Projekte weltweit.

Dazu gehören unter anderem das Netherlands Dance Theater in Den Haag, das Nexus Haus in Fukoaka in Japan, die Villa Dall'Ava in Paris, die Kunsthal Rotterdam, die Kongress- und Ausstellungshalle Euralille, der Umbau eines Broadway-Theaters in New York, das Verwaltungsgebäude der Universal Studios in Hollywood, eine Konzerthalle in Porto, die für Rollstuhlfahrer gebaute Villa Lemoine bei Bordeaux, das Guggenheim-Museum in Las Vegas und die Niederländische Botschaft in Berlin.

Schichtung und Verdichtung

Als Theoretiker begeistert sich Star-Architekt Koolhaas vor allem für extreme, radikale und hässliche Aspekte der grossen Metropolen: Drive-in-Restaurants, asphaltierte Parkplätze, Shopping-Malls. Eigenschaftslose Städte hält er für die Erfüllung der Moderne. Was Kulturpessimisten als Horrorszenarien beschwören, wie das planlose Wuchern der Städte, deutet Koolhaas in Heilsbotschaften um. Schichtung und Verdichtung lautet Koolhaas' platzsparende Formel.

Stararchitekt Rem Koolhaas (Foto: Guenther R. Artinger/dpa)
Intellektueller und wegweisender Architekt: Rem KoolhaasBild: picture-alliance/dpa

Autos in die Unterwelt, damit Fußgänger private und öffentliche Zonen besser nutzen können. Darüber Geschäfte und Wohnen. In das urbane Gefüge baut er kleine Störungen ein: überraschende Verbindungen oder Trennungen der einzelnen Ebenen. Die Utopien der Moderne finden sich in seinem Denken und Arbeiten überall wieder. Wobei Koolhaas den Standpunkt vertritt, dass diese Moderne auf paradoxe Weise immer mehr verwässert. "Die Moderne ist längst in China und anderen Ländern angekommen. Sie gehört uns nicht mehr", sagt er auf der Pressekonferenz der 14. Architekturbiennale.

Umso interessanter könnte die Aufarbeitung der architektonischen Entwicklungen der teilnehmenden Nationen ausfallen. Ihm gehe es dabei nicht um die Leistung einzelner Architekten, sondern um die Sprache der Architektur selbst, betont Koolhaas. Die Chancen für interessierte Besucher, die Architekturbiennale zu besichtigen, sind jedenfalls gestiegen: Die Laufzeit wurde verlängert. Sie geht vom 7. Juni bis zum 23. November 2014 und dauert damit doppelt so lange wie bisher.