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Putins Plan "F" für die Ukraine

Roman Goncharenko15. April 2014

Pro-russische Aktivisten in der Ostukraine fordern die Föderalisierung des Landes. Moskau argumentiert, größere Vollmachten für die Provinzen würden die Ukraine einen. Kiew befürchtet das Gegenteil.

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Demonstranten in Donezk fordern ein Referendum (Foto: REUTERS/Marko Djurica)
Bild: Reuters

Russische Medien und Politiker bezeichnen sie als "Anhänger einer Föderalisierung". Ihre ukrainischen Kollegen sprechen von "Separatisten". Die Rede ist von Tausenden Aktivisten, die seit Anfang April immer mehr Gebietsverwaltungen und Polizeizentralen in der Ostukraine besetzen. Viele von ihnen sind bewaffnet. Sie fordern ein Referendum über eine Föderalisierung der Ukraine, damit russischsprachige Regionen im Osten des Landes größere Vollmachten bekommen. Auch Russland will eine Föderalisierung der Ukraine. Sonst werde es keine Stabilität geben, so das Außenministerium in Moskau.

Verlangt wird eine grundlegende Verfassungsänderung, die es in der jüngsten Geschichte der Ukraine noch nie gegeben hat. Artikel 2 der Verfassung definiert die Ukraine als einen Einheitsstaat. Die ehemalige Sowjetrepublik ist aufgeteilt in 24 Gebiete (Oblast) und die Autonome Republik Krim, die mittlerweile von Russland annektiert wurde. Machtzentrale ist die Hauptstadt Kiew. Der Präsident, die Regierung und das Parlament entscheiden über alles: von Steuern bis hin zur Sprachpolitik.

Karte der Ukraine (Grafik: DW)
Die Schwerpunkte der Unruhen liegen im vorwiegend russischsprachigen Osten der Ukraine

Mittel gegen Bürgerkrieg?

Das wollen die bewaffneten Aktivisten ändern. Neu sind diese Forderungen nicht. In den vergangenen Jahren hat sie nur kaum jemand ernstgenommen. Ende Januar, als die zunächst friedlichen Proteste der Opposition von Gewalt überschattet wurden, brachte die damals regierende Partei der Regionen die Idee einer föderalen Ukraine erneut ins Gespräch. Als einer der ersten sprach sich der Abgeordnete Vadim Kolesnitschenko dafür aus. Das Land stehe am Rande eines Bürgerkriegs, wurde Kolesnitschenko von der Online-Zeitung "Ukrainska Prawda" zitiert. Er verwies darauf, dass russischsprachige Bürger im Osten und Süden der Ukraine die Proteste auf dem Maidan in Kiew als "Gefahr" für ihre Bevölkerungsgruppe einschätzten. Eine Föderalisierung sollte Kolesnitschenko zufolge helfen, einen Zerfall des Staates zu verhindern.

Auch die ukrainischen Kommunisten fordern eine Föderalisierung des Landes. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde Anfang Februar vorgestellt, drei Wochen bevor Präsident Viktor Janukowitsch nach Russland flüchtete. Im Parlament sind die Kommunisten Verbündete der Partei der Regionen.

Putins Vertrauter will eine föderalisierte Ukraine

Noch früher hatte sich Viktor Medwedtschuk zu Wort gemeldet. "Die Föderalisierung ist die einzige und alternativlose Medizin gegen den Zerfall der Ukraine", schrieb der einst sehr einflussreiche ukrainische Politiker in seinem Blog bereits im Sommer 2012. Während der oppositionellen Proteste im Winter 2014 wiederholte er seine Forderung mehrmals.

Medwedtschuk ist Anführer der Bewegung "Ukrainische Wahl", die sich gegen eine Integration der Ukraine in die Europäische Union und für eine Allianz mit Russland engagiert. Diese Bewegung hatte bisher kaum Einfluss auf die ukrainische Politik - zumindest offiziell. Jedoch: Medwedtschuk ist ein enger persönlicher Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nach Berichten ukrainischer Medien hält er sich derzeit in Russland auf.

Regierung in Kiew will keine Föderalisierung

Interimspräsident Olexander Turtschinow (Foto: ITAR-TASS/ Mxim Nikitin)
Olexander Turtschinow schließt eine Umverteilung der Machtbefugnisse im Land nicht ausBild: picture-alliance/Itar-Tass/Maxim Nikitin

Eine Föderalisierung der Ukraine könnte allein das Parlament beschließen. Für eine entsprechende Änderung der Verfassung müssten 300 von 450 Abgeordneten stimmen. Doch die neue Regierung in Kiew hat deutlich gemacht, dass sie keine Föderalisierung will. Interimspräsident Olexander Turtschinow erteilte den Forderungen aus Moskau eine klare Absage. Viele Politiker in Kiew befürchten, dass eine Föderalisierung zu einer Abspaltung der östlichen und südlichen Gebiete der Ukraine führen könnte.

Allerdings ist die Regierung bereit, den Provinzen mehr Befugnissse zu geben. Turtschinow schloss nicht aus, dass in einem landesweiten Referendum über die künftige Machtverteilung abgestimmt werden könne. Umfragen zufolge gibt es für eine Föderalisierung keine Mehrheit. Viele Menschen im Osten der Ukraine wollen aber, dass die Gebiete größere Vollmachten erhalten.

Skepsis auf Kiews Straßen

Spricht man die Menschen auf Kiews Straßen direkt darauf an, sind sie meist skeptisch. "Die Ukraine als Föderation wäre nicht schlecht, wenn es demokratisch wie in Deutschland gemacht würde", sagt ein Mann auf dem Maidan, dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz. Eine Föderation nach russischem Vorbild aber lehnt er ab. "Russland ist doch nur auf dem Papier eine Föderation, die reale Macht hat der Kreml." Außerdem glaubt der Mann, dass eine Föderalisierung der Ukraine zu einem Zerfall des Landes führen würde.

Ein anderer Passant ist noch viel stärker gegen eine Föderalisierung der Ukraine. "Wir sind doch kein Vielvölkerstaat wie Russland", sagt er und fügt hinzu: "Wir sind alle Ukrainer, ob im Osten oder Westen."