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Besuch beim besten Freund Russlands

Klaus Prömpers17. Februar 2015

Am Dienstagnachmittag weilt der russische Präsident Putin auf Staatsbesuch in Budapest. Begleitet wird die Visite von Protestdemos, denn nicht alle Ungarn sehen die Annäherung an Russland positiv.

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Protestdemo gegen Putin in Budapest (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Balazs Mohai

Ungarns Premierminister Victor Orbán begann schon mit seiner ersten Wahl 2010 gute Beziehungen zu Russland und Wladimir Putin herzustellen. Seine Partner in der Europäischen Union und der NATO sind über das Verhalten des Ungarn immer wieder irritiert. Als Orbán im Sommer 2014 bei einer Rede Putin sogar als eins seiner Vorbilder für moderne Regierungsführung bezeichnete, schreckte das innerhalb Ungarns und in Europa viele Menschen auf. Dahinter sehen manche eine bewusste Strategie Orbáns, nicht allein von Brüssel abhängig zu sein. Gestützt wird diese Ansicht von Kommentaren zum Beispiel in der russischen Zeitung "Komsomolskaja Pravda", die Orbán kürzlich als "besten Freund Russlands in der EU" bezeichnete.

Im Mittelpunkt des Arbeitsbesuches von Putin am Dienstag in Budapest sollen nun neue Vereinbarungen über Energielieferungen von Russland an Ungarn stehen. Aber auch die Ukraine-Krise wird Gesprächsgegenstand sein. Seit der Annexion der Krim durch Russland, ist es der erste Besuch Putins in einem NATO-Land.

"Putin nein, Europa ja"

In Budapest sieht man die - zumindest teilweise - Wendung nach Russland hin, mit sehr gemischten Gefühlen. Am Montagabend demonstrierten in Budapest knapp 2000 Menschen mit einem Marsch gegen den Besuch Putins und die Politik Orbáns und seiner Partei Fidesz. Ihr Motto: "Putin nein, Europa ja".

"Ich bin zur Demo gegangen, weil wir zur Europäischen Union gehören und ich habe das Gefühl, dass man diese Tatsache am liebsten verschweigen will", sagt Magda Tóth, sie wolle das aber nicht zu lassen. "Weder ein Putin, noch ein Orbán wird uns von diesem westlichen Kurs abbringen", sagt die 62-jährige Rentnerin.

Protestdemo gegen Putin in Budapest (Foto: DW/Klaus Prömpers)
"Putin nein, Europa ja"Bild: DW/Klaus Prömpers

Russischer Kredit für AKW-Ausbau erzürnt die Gemüter

Immer wieder hörte man auf der Demo Sprechchöre, wie "Freiheit für die Ukraine", "Stoppt den Krieg in der Ukraine" oder "Hände weg vom Atomstrom". Die letzte Forderung bezieht sich auf die Vereinbarung Orbáns mit Putin, der dem Ungarn 2014 einen Zehn-Milliarden-Euro-Kredit zur Erweiterung des Atomkraftwerks in Paks südlich von Budapest gewährte.

"In der Erweiterung des Atomkraftwerkes Paks gibt es überhaupt keinen nationalen Konsens, ich meine sogar die Mehrheit der Ungarn ist damit gar nicht einverstanden", empört sich Péter Szabó, ein 52-jähriger Angestellter. Und die 35-Jährige Jungunternehmerin Julia Király ergänzt: "Ich bin sehr gegen den Ausbau des Atomkraftwerks und all die Ungarn die auf einer modernen Weise denken, sind dagegen. Ich demonstriere auch für sie."

Die Regierung hält den Vertrag geheim

Die Menschen sind vor allem auch deshalb misstrauisch, weil die Regierung sich bisher konsequent weigerte, Einzelheiten des im letzten Jahr angekündigten Deal über den Ausbau des Atomkraftwerks öffentlich zu machen. Von Seiten der Regierung hieß es bisher nur, Einzelheiten des Vertrages werden 30 Jahre lang geheim bleiben.

Der populistischen Herrschaft von Victor Orbán hat das bisher aber nicht nachhaltig geschadet. Zwar sind die Umfragewerte für die Fidesz-Partei in den letzten Monaten um 14 Prozent gesunken, das ändert aber nichts an der satten Mehrheit im Parlament. Doch öffentlich gewordene Korruptionsvorwürfe gegen Fidesz-Spitzenvertreter, wie den Fraktionsvorsitzenden Rogan und den Minister im Premierministeramt, Lazar, hatten in Medien und Öffentlichkeit für Aufsehen gesorgt. Das Thema Korruption nahm deshalb auch auf der Protestaktion am Montagabend einen breiten Raum ein.

"Putin? Ein starker Staatsmann - ähnlich wie Orbán"

Es gibt aber natürlich auch das andere Ungarn, das Victor Orbán zweimal seine Zweidrittelmehrheit bei Parlamentswahlen ermöglichte. "Ich bin sehr froh darüber, dass Putin zum Besuch kommt, er ist ein starker Staatsmann der die Interessen seines Volkes und Landes vertritt, ähnlich wie Orbán", sagt die 42-jährige Verkäuferin Ágota Faragó am Morgen vor dem Besuch des russischen Ministerpräsidenten. "Ich finde Ungarn müsste seine Beziehungen mit Russland verstärken, davon würden beide Nationen nur profitieren."

Wladimir Putin (Foto: AP Photo/Yuri Kochetkov)
Entzweit die Gemüter - Russlands Präsident Wladimir PutinBild: picture-alliance/AP Photo/Yuri Kochetkov

"Ich verstehe diesen ganzen Zirkus um den Putin-Besuch und den AKW-Ausbau nicht. Ich finde, Putin ist in Ordnung und Atomkraft ist eine der billigsten, sichersten, saubersten und zurzeit besten Energiequellen. Der Ausbau würde die Stromkosten senken und unser Land könnte daran auch Geld verdienen", sagt der 56-jährige Unternehmer Ferenc Kis .

Ungarns Geschichte der Unterdrückung durch Russland

Zweimal in der ungarischen Geschichte haben russische Soldaten Ungarns Freiheitswillen gebrochen: 1848 half der russische Zar beim Niederschlagen des Aufstandes gegen das Habsburger Regime. 1956 schlug die sowjetische Armee den Ungarischen Volksaufstand nieder. Damals starben mehr als 16.000 Ungarn und ungefähr 7000 Sowjetsoldaten in erbitterten Kämpfen zwischen den Aufständischen und der Roten Armee. Mehr als 200.000 Ungarn flohen daraufhin in den Westen. Die Geschichte belastet den Putin-Besuch, dessen ist sich Premier Orbán bewusst, als er im Vorfeld des Besuches im Radio sagte: "Es ist nicht leicht, mit Russland zu kooperieren, weil das die Gefühle vieler Ungarn berührt. Aber das müssen wir in den Griff bekommen."

Dennoch beschleicht viele Ungarn ein ungutes Gefühl, wenn es um die Annäherung an Russland geht - gerade jetzt in Zeiten der Ukraine-Krise. Sie sehen ihren Platz in einem freien Europa, in der Europäischen Union, trotz aller Anfangsschwierigkeiten, die es im elften Jahr des EU-Beitritts gibt.

Pro-Putin-Kundgebung gewollt und erlaubt

Abbringen von diesem Weg lässt sich Orbán ohnehin nicht. Unterstützung findet Orbáns Kurs am Dienstagmittag durch eine Pro-Putin-Kundgebung vor der russischen Botschaft in Budapest. Während sich die ungarische Hauptstadt mit der Ankunft von Präsident Putin in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt hat, ist diese Demonstration gewollt und erlaubt. Gegendemonstranten haben ebenfalls Aktionen angekündigt. Nach den Erfahrungen beim Merkel-Besuch am 2. Februar werden die wohl nur weit ab der Wegstrecke Putins stattfinden müssen.