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Pussy Riot versus Putin

Anastassia Boutsko23. Dezember 2013

Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina von der Band Pussy Riot sind wieder frei. Das sei aber kein humanitärer Akt, sondern ein PR-Trick, so Aljochina, Aktivistin und Gegnerin des russischen Präsidenten.

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Protest Band Pussy Riot in Moskau (Foto: TAR-TASS/ Mitya Aleshkovsky)
Der Pussy Riot Auftritt in Moskaus Erlöserkirche Anfang 2012 war ein Fall für die russische Justiz.Bild: picture-alliance/dpa

Aljochina war im vergangenen Jahr zusammen mit ihren Bandkolleginnen Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Samuzewitsch wegen "Rowdytums" zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Samuzewitsch kam später auf Bewährung frei. Am Montag (23.12.2013) sind nun auch Aljochina und einige Stunden später ihre Mitstreiterin Tolokonnikowa aus der Haft entlassen worden.

"Natürlich gibt es im Knast nichts Gutes", erklärte Putin 1300 Journalisten aus Russland und der ganzen Welt vergangener Woche auf einer Pressekonferenz in Moskau. Aber wenn Nadeschda Tolokonnikova und Maria Aljochina ihm leid täten, dann nicht wegen ihrer Inhaftierung. "Sie tun mir leid, weil sie so tief gefallen sind. Das erniedrigt sie als Frauen."

Die beiden jungen Mütter gehören zum Künstler-Kollektiv Pussy Riot. Es bildete sich im Herbst 2011, als Wladimir Putin erneut für das Präsidentenamt der Russischen Föderation kandidiert hatte. Alle Band-Mitglieder waren in der Protestbewegung, sind mit zahlreichen provokanten Aktionen aufgefallen: In leichten Sommerkleidern und bunten Strümpfen tanzten die maskierten Frauen von Pussy Riot auf öffentlichen Plätzen in Moskau. Auch auf dem Roten Platz sangen sie Songs wie "Befreit das Kopfsteinpflaster" oder "Nieder mit dem Knast, Freiheit dem Protest". Sie forderten freie Wahlen - und vor allem Putins Rücktritt. Für die feministischen Punk-Rockerinnen verkörpert der Präsident "den russischen Männlichkeitswahn".

Wladimir Putin Präsident Russland Moskau bei der Pressekonferenz am 19.12.2013 in Moskau. (Foto: Alexey Filippov/RIA Novosti)
Putin: "Im Knast gibt es nichts Gutes"Bild: picture-alliance/dpa

Eine Aktion und ihre Folgen

Am 21. Februar 2012 versuchten die Frauen Bildmaterial für ihr neues Video in der Erlöser-Kathedrale in Moskau zu drehen. Dafür sprangen mehrere Teilnehmerinnen der Gruppe auf die Stufen des Altars, während andere sie dabei filmten. Insgesamt dauerte die Aktion 41 Sekunden. Auf YouTube tauchte das Material später im Video "Gottesmutter, erlöse uns von Putin!" auf.

Der Song dreht sich um den engen Schulterschluss zwischen dem Kreml und der russisch-orthodoxen Kirche. Im Refrain skandieren die Sängerinnen das Wort "Gottesdreck".

Punk-Aktivistinnen von Pussy Riot protestieren auf einem Platz in Russland. (Foto: REUTERS/Pussy Riot Group/Handout via Reuters)
Protest auf öffentlichen PlätzenBild: Reuters

Im März 2012 wurden drei Teilnehmerinnen der Aktion festgenommen, dann angeklagt wegen "Rowdytum aus religiösem Hass". In der von Amnesty International als Schauprozess gewerteten Gerichtsverhandlung erging das harte Urteil: Je zwei Jahre Strafkolonie. Die 24-jährige Tolokonnikowa und die ein Jahr ältere Aljochina, Studentinnen der Moskauer Universität und Mütter kleiner Kinder, landeten im Arbeitslager. Dort sollte man den jungen Frauen Manieren beibringen.

Grausame Haftbedingungen

Pussy Riot Mitglieder im Berufungsgericht (Foto: picture-alliance/dpa)
Aljochina und Tolokonnikova während der Berufungsverhandlung im Oktober 2012Bild: picture-alliance/dpa

Die jungen Aktivistinnen wurden von der Lagerobrigkeit schikaniert, von Mitinhaftierten gemobbt. Beide haben versucht, sich zu wehren: Aljohina trat in den Hungerstreik. Tolokonnikova schmuggelte einen offenen Brief in die Freiheit. Sie schildert grausame Haftbedingungen und ein ausgeklügeltes System der Erniedrigungen, denen sie und andere inhaftierte Frauen ausgesetzt waren - und sind. Kurzum: Sie schildert die Hölle - in der Tolokonnikova sich nach letzten Meldungen jetzt auch mit Tuberkulose angesteckt haben soll.

Aber Präsident Putin zeigt in Moskau keine Reue: "Sie haben alle Grenzen überschritten!" Die Freilassung der beiden Frauen sei gar nicht seine Entscheidung gewesen. Die Staatsduma habe sich für eine Generalamnestie ausgesprochen. Tolokonnikova und Aljochina sind zwar aus der Haft entlassen, doch schon jetzt scheint klar: Auch in der Freiheit wird es für die musikalischen Aktivistinnen keine Versöhnung geben.