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Provisorium am Bosporus

Senada Sokollu23. Januar 2014

2014 ist das Deutsch-Türkische Wissenschaftsjahr. In diesem Jahr sollen die Wissenschaftskoopera-tionen beider Länder bekannter gemacht und ausgebaut werden. Ein gemeinsames Aushängeschild ist dabei die TDU in Istanbul.

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Goldenes Horn in Istanbul (Foto: Fotolia/Jan Schuler)
Bild: Fotolia/Jan Schuler

Türkisch-Deutsche Universität Istanbul

"Wofür hast du am Wochenende Geld ausgegeben?", schreibt die Lehrerin an die Tafel. Minutenlang grübelt Badel Keskin, bevor sie eine Antwort gibt. Endlich fällt der 18-Jährigen die deutsche Vokabel ein: "Ich habe eine Tasche gekauft!" Erst vor zwei Monaten hat die junge Türkin mit ihrem Deutschkurs begonnen, noch geht ihr das Deutsche nicht so leicht über die Lippen.

Badel Keskin ist eine von 93 Studierenden, die das Vorbereitungsjahr der Türkisch-Deutschen Universität (TDU) in Istanbul besuchen. Deutschkenntnisse sind ein Muss für alle, die an der TDU studieren wollen, denn die Studiengänge sind überwiegend auf Deutsch. Im Herbst 2014 will Keskin mit ihrem Jurastudium beginnen. Mit einem Studienabschluss an der neuen Universität hofft sie, leichter auf dem internationalen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Ausbau langjähriger Wissenschaftsbeziehungen

Zum Wintersemester 2013/14 hat die Türkisch-Deutsche Universität Istanbul ihren Lehrbetrieb aufgenommen, nach siebenjähriger Planungszeit. Mit der gemeinsamen Universität wollen die beiden Länder ihre langjährigen Kooperationen im Bereich Hochschule und Wissenschaft ausbauen. Ursprünglich war die Eröffnung des türkisch-deutschen Prestigeprojekts schon früher geplant, doch der Termin musste ein paar Mal verschoben werden. Vor drei Monaten nun konnten die ersten etwa 130 Studentinnen und Studenten ihr Studium beginnen. Mittelfristig sollen hier einmal 5000 junge Frauen und Männer ausgebildet werden. Die meisten von ihnen werden türkische Studierende sein, es gibt aber auch ein Kontingent für Ausländer.

Türkische Studentin Badel Keskin in einem Kurs an der TDU Istanbul (Foto: Senada Sokollu)
Die Türkin Badel Keskin will mit dem Abschluss an der TDU ihre Chancen auf dem internationalen Arbeitsmarkt verbessernBild: DW/S. Sokollu

Das Universitätsgelände liegt auf der asiatischen Seite Istanbuls, im Stadtteil Beykoz, inmitten grüner Natur. Ein abgelegener Ort, der für viele Studenten eine fast zweistündige Anreise bedeutet. Beim Betreten der Anlage muss man erst die Sicherheitsschranke passieren, anschließend wird man vom "Universitätshund" freundlich beschnuppert. Das Gebäude ist noch ein Provisorium, erst in den kommenden Monaten soll der Bau des eigentlichen Universitätsgebäudes beginnen.

Schwerpunkt auf Ingenieur- und Naturwissenschaften

Die Finanzierung der türkischen staatlichen Universität wird von deutscher Seite über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) getätigt, doch einen Großteil der Kosten übernimmt die Türkei. Bisher gibt es drei Bachelor-Studiengänge und drei Master-Studiengänge, zwei weitere Bachelor-Studiengänge sollen hinzukommen. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf den Ingenieur- und Naturwissenschaften. Die akademische Verantwortung für die Lehrinhalte dieser Studiengänge trägt ein Konsortium aus 29 deutschen Partnerhochschulen unter der Leitung des DAAD.

Auch wenn der Lehrbetrieb bereits läuft, ist die TDU erst im Aufbau. Das spüren auch die 120 Studentinnen und Studenten. Sie sind Pioniere, das merken sie täglich an ihrer Uni. Die Kurse zum Beispiel sind im Vergleich zu deutschen Hochschulen noch sehr klein, auch Badel Keskins Deutschkurs ist mit 15 Sprachschülern überschaubar. Die Stimmung im Unterricht ist locker, das Schüler-Lehrer-Verhältnis freundschaftlich.

Deutschlehrerin Katrin Obersteiner unterrichtet vor einer Klasse (Foto: Senada Sokollu)
Deutschlehrerin Katrin Obersteiner gehört zu den Pionieren der TDU IstanbulBild: DW/S. Sokollu

Pioniere auf dem Campus

"Die Studenten sind noch ein bisschen orientierungslos, weil sie noch nicht so genau wissen, wo es hingeht mit der Uni. Aber ich versuche, ein Ansprechpartner für sie zu sein", sagt Keskins Deutschlehrerin Katrin Obersteiner. Auch für sie ist die TDU Istanbul ein Neubeginn, sie unterrichtet hier ihren ersten Sprachkurs. "Ich habe vorher nur Praktika gemacht und war total aufgeregt. Aber das hat sich ein bisschen gelegt."

Während Badel Keskin noch Deutsch paukt, sitzt Sinem Mollagolu bereits in ihren ersten BWL-Vorlesungen - mit nur vier anderen Kommilitonen. Alle sprechen perfekt Deutsch. Sinem Mollaoglu ist in Hamburg geboren und aufgewachsen, seit zwei Jahren lebt sie in Istanbul. Ihre Abiturprüfung hat sie am deutschen Gymnasium in Istanbul gemacht.

"Ich habe mich für die Türkisch-Deutsche Universität entschieden, weil sie zwei Kulturen miteinander verbindet. Es hat mich gereizt, meine beiden Muttersprachen sinnvoll einzusetzen und hier bilingual an dem Unterricht teilzunehmen", sagt Sinem Mollaoglu. Dass sie zu den ersten Studierenden der Uni gehöre, bekomme sie oft zu spüren, erzählt sie: "Wir sind die ersten die mit den Problemen konfrontiert werden. Aber wir werden auch immer gefragt, ob wir Verbesserungsvorschläge haben. Wir stehen im Vordergrund."

Staatliche türkische Universität

Dass es sich bei der TDU um eine staatliche Universität in der Türkei handelt, ist bei einem Besuch des Rektorenzimmers gut zu erkennen: Die türkische Fahne ist neben dem Schreibtisch aufgestellt. An der Wand hängen eingerahmte Fotos des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk sowie des aktuellen Staatspräsidenten Abdullah Gül. "Es hat Vor- und Nachteile, eine staatliche Universität in der Türkei zu sein", sagt Rektor Halil Akkanat. "Wir müssen immer mit der Bürokratie, mit der Regierung und mit anderen staatlichen Einrichtungen zusammenarbeiten." Doch es habe auch Vorteile, denn ohne die staatliche Unterstützung wäre ein Gelände wie dieses unmöglich gewesen, so Akkanat.

TDU-Rektor Halil Akkanat in seinem Büro vor der türkischen Flagge (Foto: Senada Sokollu)
TDU-Rektor Halil Akkanat misst seiner Universität eine große Bedeutung für das Internationale Wissenschaftsjahr 2014 zuBild: DW/S. Sokollu

Für Rektor Halil Akkanat spielt das Deutsch-Türkische Wissenschaftsjahr 2014 eine große Rolle. "Der wichtigste Impuls für beide Länder ist diese Universität, sie sollte das Zentrum dieser wissenschaftlichen Beziehungen sein."