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Rehm verzichtet auf rechtliche Schritte

Jan-Hendrik Raffler (dpa/sid)30. Juli 2014

Prothesenspringer Markus Rehm darf nicht an der Leichtathletik-Europameisterschaft in Zürich teilnehmen, obwohl er deutscher Meister der Nichtbehinderten ist. Rehm akzeptiert die Entscheidung.

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Deutsche Leichtathletik-Meisterschaften Markus Rehm 26.07.2014
Bild: imago/Beautiful Sports

Der unterschenkelamputierte Weitspringer Markus Rehm wird wegen seiner Nichtnominierung für die Leichtathletik-Europameisterschaften in Zürich (12. bis 17. August) keine rechtlichen Schritte einleiten. "Das Thema ist für mich durch", sagte der 25-Jährige am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin: "Ich werde nicht weiter für Verwirrung sorgen und fair bleiben. Ich habe Respekt vor den anderen Sportlern." Er machte aber auch klar: "Wenn mir ein Vorteil nachgewiesen wird, lasse ich mich aus allen Listen streichen und gebe die Medaille zurück. Ich will keinen Sieg haben, den ich nicht verdiene", sagte Rehm am Donnerstag im Trainingslager in Kienbaum.

Die Suche nach Antworten geht weiter

Die bittere Nachricht hatte Markus Rehm am Tag zuvor erreicht. Der unterschenkelamputierte Weitspringer darf bei der EM nicht starten, wie der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) entschied. Trotz erfüllter Norm berief der DLV den Prothesen-Springer aus Leverkusen nicht in sein 93-köpfiges Aufgebot. "Wir leben die Inklusion. Die Grenze der Inklusion ist die Vergleichbarkeit der Leistung, die Chancengleichheit im Wettkampf", erklärte DLV-Präsident Clemens Prokop. Alfons Hörmann machte Rehm Mut für die Zukunft: "Für Markus Rehm ist das persönlich eine bittere Enttäuschung, dennoch hat er am vergangenen Wochenende in Ulm mit seiner herausragenden Leistung Sportgeschichte geschrieben", stellte der Präsident des Deutschen Olympuischen Sportbundes klar. "Sowohl sein Fall als auch die generelle Frage von Inklusion im Spitzensport stehen mit der heutigen Entscheidung nicht am Ende, sondern am Anfang einer Entwicklung."

Rehm, Paralympics-Sieger von 2012, hatte am vergangenen Wochenende in Ulm als erster Springer mit Handicap den deutschen Meistertitel bei den Nicht-Behinderten gewonnen. DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska betonte, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hat: "Wir haben in dieser Situation wirklich sehr sorgfältig abgewogen und viel abzuwägen gehabt."

Hitzige Debatte im Vorfeld

Deutsche Leichtathletik-Meisterschaften Weitsprung Markus Rehm. Foto: Sven Hoppe/dpa
Diese Beinprothese sorgt für eine hitzige Debatte.Bild: picture-alliance/dpa

Im Vorfeld der Nominierung hatte es um eine Teilnahme Rehms kontroverse Diskussionen gegeben. Denn Rehm springt mit seiner Karbon-Prothese am rechten Bein. Das hat in der Leichtathletik-Szene für eine hitzige Debatte darüber gesorgt, ob er dadurch einen unerlaubten Vorteil gegenüber den anderen Springern hat. Biomechaniker hatten während der deutschen Meisterschaften Daten erhoben, um diese Frage zu klären. In den internationalen Wettkampfregularien heißt es, dass "der Gebrauch von Technologien oder Geräten, die dem Nutzer einen Vorteil gewähren, den er bei regelgerechter Ausrüstung nicht hätte", nicht erlaubt ist.

Genau dies sei aber nicht erwiesen worden, betonte der mehrmalige Paralympics-Sieger Wojtek Czyz: "Die bisher veröffentlichten Informationen sprechen nicht für eine belastbare Analyse. Der DLV hat offenbar nicht aufgrund von Tatsachen, sondern aufgrund von Wahrscheinlichkeiten entschieden. Dies sollte nicht Grundlage einer derart weitreichenden Entscheidung sein."

"Es ist enttäuschend"

Markus Rehm hat auf die Nichtnominierung für die Leichtathletik-Europameisterschaften im August in Zürich mit Enttäuschung reagiert. "Ich finde es schade und enttäuschend", sagte der 25-jährige nach seiner Nicht-Berücksichtigung. Grundlage für die DLV-Entscheidung waren biomechanische Messungen bei den nationalen Titelkämpfen. Die Analyse hatte ergeben, dass Rehm durch die Beinprothese einen Vorteil im Wettstreit mit gesunden Sportlern haben könnte. "Wenn die Entscheidung darauf basiert, dann halte ich das für schwierig und unseriös", sagte Rehm. Anders als zunächst angekündigt will er sich weitere Schritte gegen die Nichtnominierung vorbehalten. "Wenn es eine kluge Entscheidung ist, ist das keine Option. Wenn ich Zweifel an der Begründung habe, werde ich mich beraten", sagte Rehm.

Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) ist zwar enttäuscht, respektiert aber die Nichtnominierung des Weitspringers Markus Rehm für die Leichtathletik-EM im August in Zürich. "Es ist schade, ich hätte dem DLV gewünscht, mutiger zu sein", sagte DBS-Vizepräsident Karl Quade. Professor Eckhard Meinberg, Sportethik-Experte der Deutschen Sporthochschule Köln, hält die Nicht-Nominierung für richtig. "Für den Sport ist die Entscheidung nur zu begrüßen, weil das Fairnessprinzip im Wettkampfsport höher zu bewerten ist als das Inklusionsprinzip", sagte Meinberg.

Rehm hatte in Ulm seinen paralympischen Weltrekord um 29 Zentimeter auf 8,24 Meter gesteigert. Damit überbot er die vom DLV geforderte EM-Norm von 8,05 Metern deutlich - nur vier Athleten in Europa sind in diesem Jahr überhaupt weiter gesprungen.