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Proteste gegen Sparmaßnahmen in Portugal

24. November 2010

Der größte Streik seit Jahrzehnten hat in Portugal Flughäfen, Geschäfte, Schulen und das große Volkswagen-Werk im Süden des Landes blockiert. Tausende protestierten gegen das Sparpaket der Regierung von José Sócrates.

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Demonstranten (Foto: AP)
Der Streik-Aufruf hat gewirktBild: picture-alliance/dpa

Flughäfen verwaist, Müll auf den Straßen, Schulen und Geschäfte geschlossen, ebenso Banken, Gerichte und U-Bahnstationen: Der größte Generalstreik seit mehr als zwei Jahrzehnten hat Portugal am Mittwoch (24.11.2010) in weiten Teilen lahmgelegt.

Der Ausstand traf auch zahlreiche Urlauber aus Deutschland und anderen Ländern. Die Luftfahrtbehörde ANA teilte mit, bis auf drei Ausnahmen seien alle Flüge ausgefallen. Der Lissabonner Flughafen war völlig verwaist.

U-Bahnhofeingang mit Gitter (Foto: AP)
Geschlossen - U-Bahnhöfe in LissabonBild: AP

Erster Streikaufruf seit Jahrzehnten

Es war der erste von den Gewerkschaften gemeinsam organisierte Generalstreik seit mehr als 20 Jahren in Portugal. Der Grund ist das strikte Sparprogramm der Regierung. Um das Staatsdefizit von derzeit 7,3 Prozent auf 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis zum kommenden Jahr zu senken, hat die Regierung ein noch nie dagewesenes Sanierungskonzept beschlossen. Demnach sollen die Ausgaben für Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst um fünf Prozent gekürzt werden. Außerdem sollen Steuererhöhungen dazu beitragen, das massive Defizit unter Kontrolle bringen.

Nächster Kandidat für den EU-Rettungsschirm?

Portugals Ministerpräsident José Sócrates (Foto: AP)
Portugals Ministerpräsident José SócratesBild: AP

Erst vor wenigen Tagen schlüpfte Irland nach langem Zögern unter den EU-Rettungsschirm. Seitdem macht sich Angst breit, dass auch Länder wie Portugal und Spanien mit dem Virus der Schuldenkrise angesteckt werden könnten. Die Neuverschuldung Portugals erreichte im vergangenen Jahr den Rekordwert von rund 9,4 Prozent. Zwar hat Portugal ein gesundes Bankensystem im Gegensatz zu Irlands maroden Geldinstituten, doch die Unsicherheit auf den Finanzmärkten wächst.

Portugals Regierungschef José Sócrates sagte noch vor wenigen Tagen, sein Land brauche keine Hilfe. Auch Euro-Gruppen-Chef, Jean-Claude Juncker, sieht zwischen Irland und Portugal "keine direkt erkennbare Parallele, weil der portugiesische Bankensektor eigentlich bei relativ guter Gesundheit ist". Die Euro-Gruppe sei aber schnell handlungsfähig, "falls sich eine derartige Lage wieder einstellen wird", sagte Juncker im DeutschlandRadio.

Dennoch gilt das Land als das schwächste Glied in der Kette der Eurozone. Die Risikoaufschläge für portugiesische Staatsanleihen sind fast so hoch wie sie es einst für die griechischen waren. Portugal droht zudem eine lang anhaltende Stagnation, weil das Land international kaum wettbewerbsfähig ist und daher nur wenig Wachstumsperspektiven hat.

Autoren: Rayna Breuer, Hajo Felten (dpa, dapd, afpd)

Redaktion: Martin Schrader