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Promovieren mit Behinderung

Janine Albrecht20. Juni 2014

Im Jahr 2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Doch Doktoranden mit Behinderung wie Sebastian Pampuch spielen dabei noch keine große Rolle. Die Initiative PROMI will das ändern.

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Sebastian Pampuch steht vor einem Bücherregal in der Bibliothek des GIGA-Instituts in Hamburg (Foto: DW/Janine Albrecht)
Bild: DW/J. Albrecht

Auf den ersten Blick wirkt die Bibliothek nicht gerade einzigartig. Holzregale ragen bis zur Decke, teilen die kleinen Räume in noch kleinere Einheiten ein. Doch für Sebastian Pampuch ist die Bibliothek des "German Institute of Global and Area Studies", GIGA, eine wahre Fundgrube. Der 40-Jährige schreibt eine Doktorarbeit über Afrikaner, die in der früheren DDR im Exil lebten. "Für dieses Thema ist das GIGA die Einrichtung schlechthin in Deutschland", sagt Pampuch. Auch deshalb hatte sich der Ethnologe auf die Stelle als wissenschaftlicher Bibliothekar am GIGA beworben. Seit einem knappen halben Jahr hat er nun ein Büro in der vierten Etage des Instituts. Direkt am Hamburger Jungfernstieg. Noch, denn seine Tage an der Alster sind gezählt. Sebastian Pampuch zieht bald nach Berlin.

Auf dem Sprung nach Berlin

Im Juli geht Sebastian Pampuch ans Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität. Hier hat Pampuch auch seinen Magister-Abschluss gemacht. Der Umzug nach Berlin ist für den jungen Mann, der seit einer schweren Krebserkrankung gehbehindert ist, ein kleiner Befreiungsschlag. Lange hatte er sich um eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule beworben. Fehlanzeige. Und auch seine Bemühungen um ein Stipendium waren erfolglos. Doch anderswo hat es jetzt geklappt: Ab kommendem Monat ist Pampuch Stipendiat einer neuen, bundesweiten Initiative, die speziell Akademikerinnen und Akademiker mit schwerer Behinderung fördert: "PROMI - Promotion inklusive".

45 PROMI-Doktoranden in zwölf Bundesländern

Insgesamt unterstützt PROMI 45 Doktoranden mit Behinderung in zwölf Bundesländern. Sebastian Pampuch gehört zur Gruppe der ersten 15 Geförderten, die anderen beiden Jahrgänge werden nach und nach starten. Sie alle arbeiten drei Jahre lang als wissenschaftliche Mitarbeiter auf einer halben Stelle an einer der 14 PROMI-Partnerhochschulen deutschlandweit. Damit sind sie sozial abgesichert und haben zudem einen Rechtsanspruch auf notwendige berufliche Reha-Leistungen.

Sebastian Pampuch sitzt an seinem Schreibtisch im GIGA-Institut in Hamburg (Foto: DW/Janine Albrecht)
Nach fünf Jahren Warten kann Sebastian Pampuch sich ab Juli auf seine Promotion konzentrierenBild: DW/J. Albrecht

Eigentlich wollte Sebastian Pampuch direkt nach seinem Studienabschluss im Jahr 2009 mit seiner Promotion loslegen. Um sich das finanziell auch leisten zu können, brauchte er eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder ein Stipendium. "Ich hatte mir für die Bewerbungen zunächst ein Jahr als Limit gesetzt", sagt Pampuch. Schließlich vergingen zwei Jahre und Pampuch hatte weder eine Stelle noch ein Stipendium.

Angemessene Förderung für Promovierende mit Behinderung?

Nur ein Bruchteil der Studierenden in Deutschland studiert oder promoviert im Rahmen eines Stipendiums. Wie viele der geförderten Doktoranden eine Behinderung haben, ist schwer zu sagen, weil es darüber keine bundesweiten Statistiken gibt. Die von der Deutschen Welle angefragten Förderwerke betonen, dass jeder Bewerber die gleichen Chancen habe, egal ob behindert oder nicht. Sebastian Pampuch hat da allerdings seine Zweifel. Aus seiner Sicht sind die Stiftungen noch nicht ausreichend für das Thema sensibilisiert.

Sebastian Pampuch hat zum Beispiel vergeblich nach einer Zeile in den Bewerbungsunterlagen gesucht, an der man eine Behinderung ankreuzen konnte. Er wollte dadurch keinen Bonus bekommen, erzählt er, sondern seine Lücken im Lebenslauf erklären. "Ich habe von meinem 12. bis 25. Lebensjahr zwei Jahre im Krankenhaus verbracht, diese Jahre fehlen natürlich", sagt Pampuch. Als Kind hatte er Knochenkrebs, die Krankheit hat bis heute sichtbare Spuren hinterlassen.

Sebastian Pampuch hinkt beim Gehen, und im Sitzen kann er sein linkes Bein nicht anwinkeln. Es wird durch eine Orthese gestützt. Eine Art Schiene, die das Bein, in dem der Tumor saß, stabilisiert. Langes Sitzen fällt ihm durch seine Gehbehinderung schwer. "Ich neige viel stärker zu Verspannungen als andere", erklärt Pampuch. Aber er hält an seiner Dissertation fest. Auch als er nach den vergeblichen Bewerbungen ein Bibliotheksreferendariat macht und danach die Teilzeitstelle beim GIGA annimmt.

Zusätzlicher Arbeitsaufwand für das Uni-Institut

Bevor Sebastian Pampuch nun seine neue PROMI-Stelle an der Humboldt-Universität antreten kann, hat seine Doktormutter Beate Binder dort momentan noch alle Hände voll zu tun, damit ihr Doktorand auch einen Arbeitsplatz hat. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch ist zumindest schon bestellt, sagt die Professorin am Institut für Europäische Ethnologie. Das Institut muss 20 Prozent der Ausstattungskosten mitfinanzieren und einen geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. "Es ist eine zusätzliche Belastung für uns, aber wir werden das bewältigen", sagt Beate Binder, die das Projekt sehr gut findet und gerne unterstützt.

Prof. Beate Binder sitzt in ihrem Büro (Foto: privat)
Für die künftige Doktormutter von Sebastian Pampuch, Beate Binder, bedeutet PROMI erst einmal zusätzliche Arbeit - die sie gerne leistet.Bild: Beate Binder

Beate Binder merkt aber auch, dass es noch Reibungsflächen gibt. Gerade kämpft sie damit, eine Zusatzfinanzierung für ein Hörgerät für eine andere Promovierende durchzusetzen. "Mir wurde sinngemäß gesagt, dass die Doktorandin doch nichts hören muss, wenn sie ihre Promotion schreibt", erzählt Binder. "Es ist nicht immer klar, was 'Behinderung' genau heißt. Das ist doch sehr fallspezifisch und bräuchte eigentlich sehr viel flexiblere Instrumente, um diesen Promotionsprozess passgenau zu fördern", stellt Binder fest.

Für Sebastian Pampuch bedeutet seine PROMI-Stelle in Berlin neben der finanziellen Sicherheit vor allem eines: Sich nach fünf Jahren geduldigen Wartens endlich voll auf seine Doktorarbeit konzentrieren zu können.