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Wie frei ist die Presse in Deutschland?

Bettina Marx7. Juni 2014

Darauf kann man sich in Deutschland verlassen: die Medien sind frei, die Journalisten können ohne Einschränkungen arbeiten. Leser, Zuschauer und Hörer profitieren davon und erfahren die Wahrheit. Doch ist es wirklich so?

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Symbolbild Pressefreiheit / Tag der Pressefreiheit
Bild: picture-alliance/dpa

Die Pressefreiheit ist in Deutschland in der Verfassung verankert. In Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."

Doch wie steht es wirklich um die Pressefreiheit in Deutschland? Bei einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) und dem Bundesverband der Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin wurde diese Frage von Politikern, Journalisten und Juristen diskutiert.

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, stellte fest, die Pressefreiheit sei für eine moderne Demokratie unentbehrlich. "Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er sich umfassend informieren und auch Meinungen vergleichen können." Zudem sei die Presse ein wichtiges Kontrollorgan, das zwischen den Bürgern und der Politik vermittle. Darum sei die Pressefreiheit in Deutschland konstitutiv. "Was das Grundgesetz angeht, ist alles in Ordnung", sagt auch Justizminister Heiko Maas. Die Meinungsfreiheit könne sich in diesem rechtlichen Rahmen gut entfalten.

NSA-Untersuchungsausschuss Hans-Jürgen Papier
Bild: picture-alliance/dpa

Platz 14 auf der Rangliste der Pressefreiheit

Trotz dieser rechtlichen Garantien aber ist die Lage der Medien in Deutschland nicht so rosig, wie es erscheinen mag. Auf der Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation "Reporter ohne Grenzen" jedes Jahr erstellt, kommt die Bundesrepublik nie unter die zehn besten Länder. An der Spitze der Tabelle liegen regelmäßig die skandinavischen Staaten, in denen die Medien noch besser geschützt sind und einen wesentlich besseren Zugang zu Informationen haben. Deutschland liegt derzeit nur auf Rang 14 von 180 untersuchten Ländern. "Wir messen das an bestimmten Kriterien, an gesetzlichen Rahmenbedingungen und an dem, was tatsächlich in der Praxis umgesetzt wird", erläutert Astrid Frohloff, Vorstandsmitglied von "Reporter ohne Grenzen". So seien immer wieder Redaktionsräume durchsucht und Journalisten in ihrer Recherchearbeit behindert worden. Das Informationsfreiheitsgesetz, das es Journalisten erlaubt, bei Behörden Auskunft einzuholen und Akten einzusehen, sei in fünf Bundesländern noch nicht umgesetzt. Darüber hinaus sei die Bereitstellung von Informationen mit so hohen Kosten verbunden, dass es für viele Medien nicht mehr tragbar sei.

Astrid Frohloff Reporter ohne Grenzen
Bild: picture-alliance/dpa

Zeitungssterben und wirtschaftlicher Druck

Hohe Kosten und abnehmende Erträge haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass viele Zeitungen eingegangen sind. Die Financial Times Deutschland, die im Dezember 2012 ihr Erscheinen einstellte, und die Nachrichtenagentur dapd, die im April 2013 aufgab, sind nur zwei besonders herausragende Beispiele für diesen Trend. Andere Zeitungen haben ihr Personal reduziert, ganze Redaktionen wurden abgebaut oder zusammengelegt, viele Lokalzeitungen sind eingegangen oder erscheinen nur noch im Internet.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen) beklagt, dass es in seiner Stadt mit 85.000 Einwohnern nur noch eine Lokalzeitung gebe. Und auch die habe ihre Redaktion so ausgedünnt, dass sie kaum noch selbst recherchieren könne. Stattdessen drucke sie heute 95 Prozent der Pressemitteilungen aus dem Rathaus unkommentiert ab. "Ich habe Angst um die kommunale Demokratie, wenn so wenig Kontrolle ausgeübt wird. Das wird schon langsam gefährlich", so Palmer. Inzwischen könne es passieren, dass umstrittene Vorgänge ein halbes Jahr lang in seinem Rathaus bearbeitet würden, ohne dass ein Journalist Fragen stelle. Vor zehn Jahren wäre dies noch nicht möglich gewesen.

Journalismus und PR

Auch die Journalisten selbst leiden darunter, dass die Vielfalt auf dem Medienmarkt und damit die Beschäftigungsmöglichkeiten für sie abnehmen und der wirtschaftliche Druck zunimmt. Sinkende Honorare und Arbeitsverdichtung in den Redaktionen machen ihnen das Leben schwer. Nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Allensbach geben 74 Prozent der Zeitungsjournalisten in Deutschland an, dass sie zu wenig Zeit haben für Hintergrundrecherchen und das Schreiben von Artikeln.

79 Prozent sind außerdem der Meinung, dass die Grenzen zwischen PR und Journalismus immer mehr verschwimmen. Denn wenn Journalisten nicht mehr recherchieren können, schlägt die Stunde der PR-Agenturen. Sie liefern den unter Druck geratenen Zeitungen vorgefertigte Artikel und maßgeschneiderte Interviews frei Haus. Nach Auffassung der Fernsehjournalistin Astrid Frohloff ist auch dies eine Bedrohung der Pressefreiheit, denn die Leser und Zuschauer können nicht mehr unterscheiden, welche Informationen auf sauberer und gründlicher Recherche beruhen und welche Interessen-gesteuert sind.

Überwachung und Pressefreiheit

Die größte Gefahr für die Pressefreiheit droht ihrer Meinung nach aber durch die Überwachung der Kommunikation durch staatliche Stellen. Wenn vertrauliche Kommunikation nicht mehr möglich sei und Informanten befürchten müssten, dass sie ausgespäht würden, sei freie journalistische Arbeit nicht mehr möglich. "Der NSA-Skandal ist die größte Bedrohung der Pressefreiheit", so Frohloff.

Dies unterstreicht auch der Internetaktivist und Blogger Markus Beckedahl, Gründer der Internetseite netzpolitik.org. Pressefreiheit müsse im 17511370:digitalen Zeitalter neu gedacht werden, sagt er. Auch Blogger müssten als Journalisten anerkannt werden. Lange Zeit habe er als Blogger keinen Zugang zum Deutschen Bundestag gehabt. Die Meinungsfreiheit müsse darüber hinaus auch im Internet garantiert sein und dürfe für Online-Journalisten keine Nachteile wie Einreisesperren oder Überwachung durch Geheimdienste mit sich bringen. Beckedahl: "Leben wir noch in einer Demokratie, wenn unser komplettes Leben überwacht und irgendwo gespeichert wird?"

Markus Beckedahl
Bild: Fiona Krakenbuerger