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Prantl: Snowden in Deutschland vernehmen

Nils Naumann2. Mai 2014

Edward Snowden hat den NSA-Skandal ans Licht gebracht. Trotzdem lehnt die Bundesregierung eine Befragung Snowdens in Deutschland in einem Gutachten ab. Ein Fehler, sagt der Journalist und Jurist Heribert Prantl.

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Prof. Dr. Heribert Prantl
Bild: imago/Müller-Stauffenberg

Seit Monaten lebt Edward Snowden im Exil in Russland. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags, der Licht in die Spitzelaffäre um den US-Geheimdienst NSA bringen soll, würde Snowden gerne befragen. Nur wo – darüber streiten die Mitglieder des Ausschusses und die Bundesregierung. Während die Oppositionsparteien Snowden gerne in Deutschland vernehmen würden, sind die Vertreter der Regierungsparteien in dieser Frage skeptisch. Ein Gutachten der Bundesregierung für den Ausschuss lehnt Snowdens Befragung in Deutschland unter Berufung auf das "Staatswohl" ab. In der Stellungnahme heißt es, ein solcher Schritt würde wahrscheinlich zu schweren und dauerhaften Belastungen der deutsch-amerikanischen Beziehungen führen. Heribert Prantl ist ein scharfer Kritiker dieser Linie. Prantl war Richter und Staatsanwalt und ist heute Leiter des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung.

Deutsche Welle: Herr Prantl, warum sollte Edward Snowden in Deutschland befragt werden?

Heribert Prantl: Weil er der Mittelpunkt der gesamten Beweisaufnahme ist. Snowden hat die gigantischen Abhöraktionen aufgedeckt. Er kann unendlich viel sagen, über die Art und Weise wie abgehört worden ist, wer genau abgehört worden ist, welche Kriterien dabei galten. Es wird immer gesagt, es sei alles schon bekannt. Wäre ich selber noch Staatsanwalt, mir fiele unendlich viel ein, was ich von dem Hauptzeugen wissen wollte. Hier von vorneherein zu behaupten, er habe schon alles gesagt, was er sagen kann, ist vorweggenommene Beweiswürdigung. Das ist in einem Ermittlungs- und Aufklärungsverfahren rundweg nicht erlaubt.

Warum wäre eine Befragung in Moskau nicht ausreichend? Dort könnte man doch genau die gleichen Fragen stellen wie in Berlin?

Man muss sich mal vorstellen, unter welchen Bedingungen so eine Befragung stattfinden würde. Den Rahmen setzt eine Regierung in Moskau, der man nicht besonders traut. Das ist für den Zeugen schwierig. Das schafft Drucksituationen.

Außerdem ist es nicht damit getan, dass man einen halben Tag den Zeugen Snowden hört. Er ist Hauptzeuge. Der Untersuchungsausschuss dürfte, je nach dem Verlauf der Beweisaufnahme, immer wieder auf den Zeugen zurückkommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Ausschuss dafür ein halbes dutzend Mal oder noch öfter nach Moskau fährt. Das ist nicht praktikabel.

Es ist auch unwürdig. Da ist ein Zeuge, der wichtigste Dinge aufgedeckt hat. Und dann fährt man, um ihn zu vernehmen, in ein Land, mit dem man derzeit vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise allergrößte Schwierigkeiten hat. Ich glaube auch, dass Snowden durchaus etwas Besseres verdient hat, als ein Asyl in Moskau.

Demonstration gegen die NSA-Überwachung in den USA (Foto: afp)
Held oder Verräter? An Edward Snowden scheiden sich die GeisterBild: AFP/Getty Images

Die USA sind ein wichtiger Verbündeter Deutschlands. Die US-Regierung betrachtet Snowden als Verräter. Wieso sollten wir für eine Befragung dieses Mannes eine ernsthafte Krise der deutsch-amerikanischen Beziehungen in Kauf nehmen?

Die NSA-Abhöraktionen waren und sind ein massiver Angriff auf die Grundrechte. Diesen gilt es aufzuklären. Die möglichen Irritationen und der mögliche Zorn der USA wegen einer Befragung von Snowden können kein Grund sein, darauf zu verzichten. Ich halte es für rechtsstaatlich pervers, die Aufklärung unter Berufung auf das "Staatswohl", wie es im Schreiben der Bundesregierung an den Untersuchungsausschuss formuliert wird, zu unterlassen. Das Staatswohl ist nicht irgendetwas, das die Bundesregierung nach Gutdünken definiert. Das Staatswohl findet seinen Kern im Grundgesetz, in den Grundrechten und in den rechtstaatlichen Prinzipien. Diese Prinzipien und die Grundrechte machen das Staatswohl aus. Irgendetwas anderes heranzuziehen, wie die deutsch-amerikanischen Beziehungen und damit einen Angriff auf die Grundrechte für nicht so wichtig zu erklären, halte ich schlichtweg für grundgesetzwidrig.

Die Grünen haben ja angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, falls Snowden nicht in Deutschland aussagen darf. Räumen sie so einer Klage Chancen ein?

Chancen gibt es bei Gericht immer. Aber das Verfassungsgericht ist, wenn es um das Aufeinandertreffen von Politik und Recht geht, sehr zurückhaltend. Ich würde mich wundern, wenn das Verfassungsgericht hier aktiv und offensiv tätig wird und die Bundesregierung zum Beispiel anweist, Snowden eine Einreiseerlaubnis und sonstige Schutzpapiere auszustellen.

Angela Merkel bei US-Präsident Obama (Foto: Kay Nietfeld/dpa )
Kuschelkurs? Angela Merkel bei US-Präsident ObamaBild: picture-alliance/dpa

Ein Gutachten einer amerikanischen Kanzlei im Auftrag der Bundesregierung legt angeblich nahe, dass Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach einer Befragung Snowdens von den USA strafrechtlich verfolgt werden könnten. Wie groß ist diese Gefahr wirklich?

Von solchen bestellten Gutachten halte ich nicht viel. Ich würde es für einen Aberwitz halten, demokratisch gewählte Abgeordnete aus Deutschland in den USA der Strafverfolgung zu unterziehen, weil sie ihrer Aufklärungspflicht nachkommen.

Aber wäre das rechtlich möglich?

Ich halte es für rechtlich nicht möglich, aber die USA haben schon einige Dinge gemacht, die rechtlich nicht möglich sind. Doch ich kann es mir in dem Kontext nicht vorstellen. Das wäre ein dermaßen großer Affront. Ich glaube nicht, dass die USA solche Dinge riskieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist gerade in den USA. Wie bewerten sie Angela Merkels Umgang mit dem NSA-Skandal?

Als bekannt wurde, dass ihr Handy abgehört wird, hat Angela Merkel richtigerweise erst Mal harsch reagiert und gesagt, dass sich so etwas unter Freunden nicht gehört. Inzwischen spielt sie die ganze Angelegenheit wieder herunter. Sie will es nicht zum großen Streitpunkt mit den USA machen. Dieses Zurückweichen ist falsch. Deutschland und die USA sind Partner in der westlichen Allianz. Man muss auch guten Partnern klar machen, wo etwas nicht mehr akzeptiert wird. Ich halte es für falsch, dass die Bundesregierung es ablehnt, Snowden zu vernehmen und das quasi als Gastgeschenk in die USA mitzubringen.