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Poroschenko: Moskau bricht Völkerrecht

22. August 2014

Ohne Erlaubnis hat Russland seinen Hilfskonvoi in die Ukraine rollen lassen. Die 280 Trucks sind in der Rebellenhochburg Luhansk eingetroffen. Die Regierung in Kiew rügt die Aktion als "direkte Invasion" Russlands.

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Präsident Petro Poroschenko (Foto: Itar-Tass)
Bild: picture-alliance/dpa

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die eigenmächtige Einfahrt des russischen Hilfskonvois ins Krisengebiet Donbass als Bruch des Völkerrechts kritisiert. Er rief Russland auf, die Lage wieder in Einklang mit dem Recht zu bringen. Er wolle eine Verschlechterung der Situation verhindern, betonte Poroschenko.

Der russische Zoll beendete derweil die Abfertigung des Konvois. "Alle 280 Lastwagen sind auf die ukrainische Seite gefahren", sagte Sprecher Rajan Fakuschin der Nachrichtenagentur Interfax. Die Führung in Kiew warf der russischen Seite vor, die ukrainischen Zöllner von der Kontrolle der Ladung ausgeschlossen zu haben.

Nachdem sich die Weiterfahrt des Konvois immer wieder verzögert hatte, riss der russischen Regierung am Morgen offensichtlich der Geduldsfaden. Das Außenministerium in Moskau erklärte: "Alle Ausreden zur Verzögerung der Hilfslieferung (...) haben sich erledigt. Die russische Seite hat die Entscheidung gefällt zu handeln." Kurz darauf warfen die ersten Lkw-Fahrer ihre Motoren an und verließen das Niemandsland zwischen den beiden Grenzabfertigungsstellen. Zur Weiterfahrt in der Ukraine wurden sie von einer Handvoll pro-russischer Separatisten begleitet. Am Abend erreichten die Fahrzeuge die Rebellenhochburg Luhansk.

"Direkte Invasion"

"Wir betrachten dies als eine direkte Invasion Russlands in die Ukraine", sagte Geheimdienstchef Walentin Naliwaytschenko in Kiew. Gewalt wolle man aber nicht anwenden. "Die Ukraine wird Kontakt zum Internationalen Komitee vom Roten Kreuz aufnehmen, damit wir nicht der Provokation bezichtigt werden können, wir hätten die Fahrzeuge der sogenannten Hilfe aufgehalten oder Gewalt gegen sie angewendet", sagte Naliwaytschenko. Das Außenministerium erklärte, es gebe keine Genehmigung für den Hilfskonvoi. "Informell" sei er aber durchgelassen worden, um weitere Provokationen zu vermeiden. Die Regierung in Kiew warf Moskau eine Verletzung der ukrainischen Souveränität und einen "Verstoß gegen das internationale Recht" vor. "Weder die ukrainische Seite noch das Rote Kreuz wissen, was sich in den Lastwagen befindet."

Nach russischen Angaben haben die weißgestrichenen Lastwagen Wasser, Babynahrung und ähnliche Güter geladen. Die ukrainische Regierung hatte die Lkw mit der Begründung aufgehalten, Russland könne den Konvoi als Deckmantel für eine Intervention nutzen. Am Wochenende hatte die Regierung den Konvoi dann aber prinzipiell als humanitäre Hilfe anerkannt. Das IKRK erklärte, seine 35 Mitarbeiter würden die Kolonne aus Sicherheitsgründen nicht mehr begleiten.

Ein russischer Lastwagen des Hilfskonvois rollt auf ukrainisches Gebiet (Foto: Reuters)
Ein russischer Lastwagen des Hilfskonvois rollt auf ukrainisches GebietBild: Reuters

Nervöse Börsen

Der Vorfall an der Grenze löste an den europäischen Börsen neue Besorgnis vor einer Eskalation der Krise aus. Der deutsche Leitindex Dax fiel in der Spitze um 1,1 Prozent auf 9294 Zähler. Auch die Börsen in Russland gaben weiter nach: Die Leitindizes verloren jeweils rund zwei Prozent.

Wegen der Kämpfe zwischen der Armee und prorussischen Separatisten sind die Gebiete um die Rebellenhochburgen Luhansk und Donezk von der Versorgung abgeschnitten. So gibt in der Provinzmetropole Luhansk mit einstmals gut 400.000 Einwohnern seit drei Wochen kein Wasser mehr und nur noch unregelmäßig Strom. Täglich versuchen Hunderte Flüchtlinge, die Stadt zu verlassen. Dabei kommt es immer wieder zu Angriffen auf Flüchtlingskonvois, für die sich die beiden Konfliktparteien gegenseitig die Verantwortung zuweisen.

Derweil schossen prorussische Separatisten nach Angaben Kiews in der Nähe der ostukrainischen Stadt Luhansk einen Militärhubschrauber vom Typ Mi-24 ab. Dabei seien die beiden Piloten getötet worden, teilten die Streitkräfte in Kiew mit. Am Mittwoch war bereits ein ukrainisches Militärflugzeug nahe Luhansk abgeschossen worden.

Merkel in Kiew erwartet

Die jüngste Eskalation des Konflikts dürfte die Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag nach Kiew überschatten. Regierungssprecher Steffen Seibert nannte den Besuch "ein Zeichen der Unterstützung". Wichtigstes Ziel der Bundesregierung seien ein Waffenstillstand und der Beginn eines Friedensprozesses. Eine Voraussetzung dafür sei eine wirkungsvolle Grenzkontrolle zwischen der Ukraine und Russland, von wo aus nach Darstellung des Westens und der Ukraine Waffen und Kämpfer in die Ostukraine einsickern. Merkel werde zudem Präsident Poroschenko auf seinem angekündigten Reformkurs unterstützen. Zudem werde darüber zu reden sein, wie sich Deutschland über sein Engagement in internationalen Organisationen hinaus für den Wiederaufbau des Landes engagieren könne, sagte Seibert.

Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin hatte Deutschland eine Führungsrolle bei der Lösung des Konflikts und beim Wiederaufbau zugewiesen. "Viele sprechen über eine Art Marshallplan - wieso nicht eine Art Merkel-Plan", sagte er im Zweiten Deutschen Fernsehen. Mit Hilfe des Marshall-Plans war nach dem Zweiten Weltkrieg der Wiederaufbau in Deutschland und Westeuropa mitfinanziert worden. Klimkin nannte Merkels Besuch am Vorabend des ukrainischen Unabhängigkeitstags "symbolisch". Ihre Visite sei ein Zeichen der politischen Unterstützung für die Ukraine.

Am Sitz der Vereinten Nationen in New York hat zu dem Thema derweil eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates begonnen.

kle/mak (afp, rtr, dpa)